Die zweite Grundform entsteht dadurch, daß die Verwirk- lichung der Idee des Verkehrswesens die an sich absolut freie Willens- bestimmung des Einzelnen im Einzelverkehr in so weit beschränkt und bestimmt, als dieß im Interesse des Verkehrswesens gefordert wird. Diese durch das letztere gegebene Beschränkung des Vertragsrechts ist nun dasjenige, was wir das bürgerliche Verwaltungsrecht des Verkehrs nennen, und das, obgleich es einen formellen Theil des bürgerlichen Vertragsrechts bildet, dennoch dem Wesen nach dem öffentlichen Rechte angehört. Die Verwaltungslehre muß sich begnügen, auf das Gebiet aufmerksam zu machen; die vollendete Rechtswissenschaft hat es im Ein- zelnen durchzuführen.
Von diesem Standpunkte aus muß das folgende System im Gan- zen wie im Einzelnen betrachtet werden.
Erster Theil. Die Verkehrsmittel und die Verwaltung.
I. Das Wege- und Bauwesen. Begriff und System.
Der Weg im weitesten Sinne des Wortes ist die erste materielle, unbedingte Voraussetzung alles Verkehrs und damit aller Produktivität, ja des gemeinsamen Lebens überhaupt. Es gibt aber keinen Weg an sich, sondern der Begriff des Weges ist ein rein verwaltungsrecht- licher. Ein Weg ist dasjenige örtliche Verkehrsmittel zwischen bestimm- ten Orten, dessen Benützung jedem Einzelnen zum Zwecke seines Verkehrs rechtlich zusteht. Aus diesem einfachen Begriffe des Wege- rechts entsteht nun der Begriff und Inhalt der Wegeverwaltung und ihres Rechts, indem der auf diese Weise dem öffentlichen Leben angehörende Weg eine Reihe von technischen Bedingungen und admini- strativen Ordnungen fordert, um seine Bestimmung ganz erfüllen zu können. Das nun ist die Aufgabe der Verwaltung, die ihr Objekt aus den Händen des Rechts empfängt. Die wirklichen Wege theilen sich dann in Land- und Wasserwege; die Anwendung der obigen Begriffe auf beide Arten ist eine sehr verschiedene theils nach der Natur der Sache, theils auch örtlich und historisch bestimmt. Immer aber bleiben die obigen Principien die einheitliche und gemeinsame Grundlage, und die Gesammtheit aller Rechte, Anstalten und Anordnungen, durch welche die Wege vermöge der Gesetzgebung und Verwaltung in den Stand gesetzt werden, ihren Zweck zu erfüllen, bilden das Wegewesen.
Die zweite Grundform entſteht dadurch, daß die Verwirk- lichung der Idee des Verkehrsweſens die an ſich abſolut freie Willens- beſtimmung des Einzelnen im Einzelverkehr in ſo weit beſchränkt und beſtimmt, als dieß im Intereſſe des Verkehrsweſens gefordert wird. Dieſe durch das letztere gegebene Beſchränkung des Vertragsrechts iſt nun dasjenige, was wir das bürgerliche Verwaltungsrecht des Verkehrs nennen, und das, obgleich es einen formellen Theil des bürgerlichen Vertragsrechts bildet, dennoch dem Weſen nach dem öffentlichen Rechte angehört. Die Verwaltungslehre muß ſich begnügen, auf das Gebiet aufmerkſam zu machen; die vollendete Rechtswiſſenſchaft hat es im Ein- zelnen durchzuführen.
Von dieſem Standpunkte aus muß das folgende Syſtem im Gan- zen wie im Einzelnen betrachtet werden.
Erſter Theil. Die Verkehrsmittel und die Verwaltung.
I. Das Wege- und Bauweſen. Begriff und Syſtem.
Der Weg im weiteſten Sinne des Wortes iſt die erſte materielle, unbedingte Vorausſetzung alles Verkehrs und damit aller Produktivität, ja des gemeinſamen Lebens überhaupt. Es gibt aber keinen Weg an ſich, ſondern der Begriff des Weges iſt ein rein verwaltungsrecht- licher. Ein Weg iſt dasjenige örtliche Verkehrsmittel zwiſchen beſtimm- ten Orten, deſſen Benützung jedem Einzelnen zum Zwecke ſeines Verkehrs rechtlich zuſteht. Aus dieſem einfachen Begriffe des Wege- rechts entſteht nun der Begriff und Inhalt der Wegeverwaltung und ihres Rechts, indem der auf dieſe Weiſe dem öffentlichen Leben angehörende Weg eine Reihe von techniſchen Bedingungen und admini- ſtrativen Ordnungen fordert, um ſeine Beſtimmung ganz erfüllen zu können. Das nun iſt die Aufgabe der Verwaltung, die ihr Objekt aus den Händen des Rechts empfängt. Die wirklichen Wege theilen ſich dann in Land- und Waſſerwege; die Anwendung der obigen Begriffe auf beide Arten iſt eine ſehr verſchiedene theils nach der Natur der Sache, theils auch örtlich und hiſtoriſch beſtimmt. Immer aber bleiben die obigen Principien die einheitliche und gemeinſame Grundlage, und die Geſammtheit aller Rechte, Anſtalten und Anordnungen, durch welche die Wege vermöge der Geſetzgebung und Verwaltung in den Stand geſetzt werden, ihren Zweck zu erfüllen, bilden das Wegeweſen.
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Die zweite Grundform entſteht dadurch, daß die Verwirk-
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beſtimmung des Einzelnen im Einzelverkehr in ſo weit beſchränkt und
beſtimmt, als dieß im Intereſſe des Verkehrsweſens gefordert wird.
Dieſe durch das letztere gegebene Beſchränkung des Vertragsrechts iſt
nun dasjenige, was wir das bürgerliche Verwaltungsrecht des Verkehrs
nennen, und das, obgleich es einen formellen Theil des bürgerlichen
Vertragsrechts bildet, dennoch dem Weſen nach dem öffentlichen Rechte
angehört. Die Verwaltungslehre muß ſich begnügen, auf das Gebiet
aufmerkſam zu machen; die vollendete Rechtswiſſenſchaft hat es im Ein-
zelnen durchzuführen.
Von dieſem Standpunkte aus muß das folgende Syſtem im Gan-
zen wie im Einzelnen betrachtet werden.
Erſter Theil.
Die Verkehrsmittel und die Verwaltung.
I. Das Wege- und Bauweſen.
Begriff und Syſtem.
Der Weg im weiteſten Sinne des Wortes iſt die erſte materielle,
unbedingte Vorausſetzung alles Verkehrs und damit aller Produktivität,
ja des gemeinſamen Lebens überhaupt. Es gibt aber keinen Weg an
ſich, ſondern der Begriff des Weges iſt ein rein verwaltungsrecht-
licher. Ein Weg iſt dasjenige örtliche Verkehrsmittel zwiſchen beſtimm-
ten Orten, deſſen Benützung jedem Einzelnen zum Zwecke ſeines
Verkehrs rechtlich zuſteht. Aus dieſem einfachen Begriffe des Wege-
rechts entſteht nun der Begriff und Inhalt der Wegeverwaltung
und ihres Rechts, indem der auf dieſe Weiſe dem öffentlichen Leben
angehörende Weg eine Reihe von techniſchen Bedingungen und admini-
ſtrativen Ordnungen fordert, um ſeine Beſtimmung ganz erfüllen zu
können. Das nun iſt die Aufgabe der Verwaltung, die ihr Objekt aus
den Händen des Rechts empfängt. Die wirklichen Wege theilen ſich
dann in Land- und Waſſerwege; die Anwendung der obigen Begriffe
auf beide Arten iſt eine ſehr verſchiedene theils nach der Natur der
Sache, theils auch örtlich und hiſtoriſch beſtimmt. Immer aber bleiben
die obigen Principien die einheitliche und gemeinſame Grundlage, und die
Geſammtheit aller Rechte, Anſtalten und Anordnungen, durch welche
die Wege vermöge der Geſetzgebung und Verwaltung in den Stand
geſetzt werden, ihren Zweck zu erfüllen, bilden das Wegeweſen.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/202>, abgerufen am 19.11.2024.
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