möglich ist, entsteht die Volkswirthschaftspflege als dasjenige große Gebiet der inneren Verwaltung, dessen Aufgabe die Entwicklung und Vollendung der Volkswirthschaft durch die organisirte Thätigkeit der Gemeinschaft für diejenigen materiellen Voraussetzungen ist, ohne welche der Einzelne seine wirthschaftliche Bestimmung nicht erreichen kann. Wir nennen sie deßhalb die wirthschaftliche Verwaltung.
Die hohe Bedeutung dieser wirthschaftlichen Verwaltung liegt zu- nächst in der Gewalt, welche Besitz und Arbeit über das persönliche Leben haben, und deren Ausdruck der Satz ist, daß die wirthschaft- liche Unabhängigkeit den Körper der Freiheit und die Grundlage alles Fortschrittes bildet. Die organische Lehre der Nationalökonomie zeigt aber anderseits, daß die Bedingung des Erwerbes des Einen stets die Fähigkeit des Andern ist gleichfalls zu erwerben; indem die Verwaltung daher für jeden Einzelnen sorgt, sorgt sie zugleich für alle; so wird diese wirthschaftliche Verwaltung die orga- nische Verwirklichung der Idee der Harmonie der Interessen, und mit ihr erscheint daher die Verkörperung der großen, die Zukunft beherrschenden Wahrheit, daß die Harmonie das Interesse, die Verwirklichung alles Fortschrittes und aller Freiheit ent- hält. Erst von diesem höchsten Standpunkte entfaltet sich die Volks- wirthschaftspflege zu ihrer ganzen Bedeutung für das Leben der Mensch- heit, und ihr Inhalt wird auch in seinen einzelnsten, materiellsten Theilen zu einer der großartigsten Aufgaben der Wissenschaft.
Die geschichtliche Entwicklung derselben.
Eben deßhalb ist die Grundlage der geschichtlichen Entwicklung der wirthschaftlichen Verwaltung das allmälige Entstehen des Verständnisses dieser Idee derselben, der freien und gleichen Bestimmung aller wirth- schaftlichen Bewegung. Die Geschlechterordnung entbehrt darum der- selben ganz. Die ständische Ordnung löst ihr wirthschaftliches Leben in die Sonderinteressen der einzelnen Stände und ihrer Körperschaften und in den auch wirthschaftlichen Kampf derselben untereinander auf. Erst mit dem Siege der Staatsidee entsteht der Gedanke und der Ver- such einer wirthschaftlichen Verwaltung.
Diese selbst entfaltet sich nun aus ihrer ursprünglichen Einfachheit nur allmälig zu einer, das gesammte Leben mit vollem Bewußtsein ihrer Aufgabe umfassenden Thätigkeit. Den Ausdruck der Standpunkte, welche die Verwaltung nach einander seit dem sechzehnten Jahrhundert einnimmt, bilden zunächst die drei sogenannten Schulen der National- ökonomie, die in der That wesentlich Principien und Systeme der
möglich iſt, entſteht die Volkswirthſchaftspflege als dasjenige große Gebiet der inneren Verwaltung, deſſen Aufgabe die Entwicklung und Vollendung der Volkswirthſchaft durch die organiſirte Thätigkeit der Gemeinſchaft für diejenigen materiellen Vorausſetzungen iſt, ohne welche der Einzelne ſeine wirthſchaftliche Beſtimmung nicht erreichen kann. Wir nennen ſie deßhalb die wirthſchaftliche Verwaltung.
Die hohe Bedeutung dieſer wirthſchaftlichen Verwaltung liegt zu- nächſt in der Gewalt, welche Beſitz und Arbeit über das perſönliche Leben haben, und deren Ausdruck der Satz iſt, daß die wirthſchaft- liche Unabhängigkeit den Körper der Freiheit und die Grundlage alles Fortſchrittes bildet. Die organiſche Lehre der Nationalökonomie zeigt aber anderſeits, daß die Bedingung des Erwerbes des Einen ſtets die Fähigkeit des Andern iſt gleichfalls zu erwerben; indem die Verwaltung daher für jeden Einzelnen ſorgt, ſorgt ſie zugleich für alle; ſo wird dieſe wirthſchaftliche Verwaltung die orga- niſche Verwirklichung der Idee der Harmonie der Intereſſen, und mit ihr erſcheint daher die Verkörperung der großen, die Zukunft beherrſchenden Wahrheit, daß die Harmonie das Intereſſe, die Verwirklichung alles Fortſchrittes und aller Freiheit ent- hält. Erſt von dieſem höchſten Standpunkte entfaltet ſich die Volks- wirthſchaftspflege zu ihrer ganzen Bedeutung für das Leben der Menſch- heit, und ihr Inhalt wird auch in ſeinen einzelnſten, materiellſten Theilen zu einer der großartigſten Aufgaben der Wiſſenſchaft.
Die geſchichtliche Entwicklung derſelben.
Eben deßhalb iſt die Grundlage der geſchichtlichen Entwicklung der wirthſchaftlichen Verwaltung das allmälige Entſtehen des Verſtändniſſes dieſer Idee derſelben, der freien und gleichen Beſtimmung aller wirth- ſchaftlichen Bewegung. Die Geſchlechterordnung entbehrt darum der- ſelben ganz. Die ſtändiſche Ordnung löst ihr wirthſchaftliches Leben in die Sonderintereſſen der einzelnen Stände und ihrer Körperſchaften und in den auch wirthſchaftlichen Kampf derſelben untereinander auf. Erſt mit dem Siege der Staatsidee entſteht der Gedanke und der Ver- ſuch einer wirthſchaftlichen Verwaltung.
Dieſe ſelbſt entfaltet ſich nun aus ihrer urſprünglichen Einfachheit nur allmälig zu einer, das geſammte Leben mit vollem Bewußtſein ihrer Aufgabe umfaſſenden Thätigkeit. Den Ausdruck der Standpunkte, welche die Verwaltung nach einander ſeit dem ſechzehnten Jahrhundert einnimmt, bilden zunächſt die drei ſogenannten Schulen der National- ökonomie, die in der That weſentlich Principien und Syſteme der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0165"n="141"/>
möglich iſt, entſteht die <hirendition="#g">Volkswirthſchaftspflege</hi> als dasjenige<lb/>
große Gebiet der inneren Verwaltung, deſſen Aufgabe die Entwicklung<lb/>
und Vollendung der Volkswirthſchaft durch die organiſirte Thätigkeit<lb/>
der Gemeinſchaft für diejenigen materiellen Vorausſetzungen iſt, ohne<lb/>
welche der Einzelne ſeine wirthſchaftliche Beſtimmung nicht erreichen<lb/>
kann. Wir nennen ſie deßhalb die <hirendition="#g">wirthſchaftliche Verwaltung</hi>.</p><lb/><p>Die hohe Bedeutung dieſer wirthſchaftlichen Verwaltung liegt zu-<lb/>
nächſt in der Gewalt, welche Beſitz und Arbeit über das perſönliche<lb/>
Leben haben, und deren Ausdruck der Satz iſt, daß die <hirendition="#g">wirthſchaft-<lb/>
liche Unabhängigkeit den Körper der Freiheit und die<lb/>
Grundlage alles Fortſchrittes bildet</hi>. Die organiſche Lehre<lb/>
der Nationalökonomie zeigt aber anderſeits, daß die Bedingung des<lb/>
Erwerbes des Einen ſtets die Fähigkeit des Andern iſt gleichfalls zu<lb/>
erwerben; indem die Verwaltung daher für jeden Einzelnen ſorgt, ſorgt<lb/>ſie zugleich für alle; ſo wird dieſe wirthſchaftliche Verwaltung die orga-<lb/>
niſche Verwirklichung der Idee der <hirendition="#g">Harmonie der Intereſſen</hi>,<lb/>
und mit ihr erſcheint daher die Verkörperung der großen, die Zukunft<lb/>
beherrſchenden Wahrheit, daß die <hirendition="#g">Harmonie das Intereſſe, die<lb/>
Verwirklichung alles Fortſchrittes und aller Freiheit</hi> ent-<lb/>
hält. Erſt von dieſem höchſten Standpunkte entfaltet ſich die Volks-<lb/>
wirthſchaftspflege zu ihrer ganzen Bedeutung für das Leben der Menſch-<lb/>
heit, und ihr Inhalt wird auch in ſeinen einzelnſten, materiellſten<lb/>
Theilen zu einer der großartigſten Aufgaben der Wiſſenſchaft.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die geſchichtliche Entwicklung derſelben.</hi></head><lb/><p>Eben deßhalb iſt die Grundlage der geſchichtlichen Entwicklung der<lb/>
wirthſchaftlichen Verwaltung das allmälige Entſtehen des Verſtändniſſes<lb/>
dieſer Idee derſelben, der freien und gleichen Beſtimmung aller wirth-<lb/>ſchaftlichen Bewegung. Die Geſchlechterordnung entbehrt darum der-<lb/>ſelben ganz. Die ſtändiſche Ordnung löst ihr wirthſchaftliches Leben<lb/>
in die Sonderintereſſen der einzelnen Stände und ihrer Körperſchaften<lb/>
und in den auch wirthſchaftlichen Kampf derſelben untereinander auf.<lb/>
Erſt mit dem Siege der Staatsidee entſteht der Gedanke und der Ver-<lb/>ſuch einer wirthſchaftlichen Verwaltung.</p><lb/><p>Dieſe ſelbſt entfaltet ſich nun aus ihrer urſprünglichen Einfachheit<lb/>
nur allmälig zu einer, das geſammte Leben mit vollem Bewußtſein<lb/>
ihrer Aufgabe umfaſſenden Thätigkeit. Den Ausdruck der Standpunkte,<lb/>
welche die Verwaltung nach einander ſeit dem ſechzehnten Jahrhundert<lb/>
einnimmt, bilden zunächſt die drei ſogenannten Schulen der National-<lb/>
ökonomie, die in der That weſentlich Principien und Syſteme der<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0165]
möglich iſt, entſteht die Volkswirthſchaftspflege als dasjenige
große Gebiet der inneren Verwaltung, deſſen Aufgabe die Entwicklung
und Vollendung der Volkswirthſchaft durch die organiſirte Thätigkeit
der Gemeinſchaft für diejenigen materiellen Vorausſetzungen iſt, ohne
welche der Einzelne ſeine wirthſchaftliche Beſtimmung nicht erreichen
kann. Wir nennen ſie deßhalb die wirthſchaftliche Verwaltung.
Die hohe Bedeutung dieſer wirthſchaftlichen Verwaltung liegt zu-
nächſt in der Gewalt, welche Beſitz und Arbeit über das perſönliche
Leben haben, und deren Ausdruck der Satz iſt, daß die wirthſchaft-
liche Unabhängigkeit den Körper der Freiheit und die
Grundlage alles Fortſchrittes bildet. Die organiſche Lehre
der Nationalökonomie zeigt aber anderſeits, daß die Bedingung des
Erwerbes des Einen ſtets die Fähigkeit des Andern iſt gleichfalls zu
erwerben; indem die Verwaltung daher für jeden Einzelnen ſorgt, ſorgt
ſie zugleich für alle; ſo wird dieſe wirthſchaftliche Verwaltung die orga-
niſche Verwirklichung der Idee der Harmonie der Intereſſen,
und mit ihr erſcheint daher die Verkörperung der großen, die Zukunft
beherrſchenden Wahrheit, daß die Harmonie das Intereſſe, die
Verwirklichung alles Fortſchrittes und aller Freiheit ent-
hält. Erſt von dieſem höchſten Standpunkte entfaltet ſich die Volks-
wirthſchaftspflege zu ihrer ganzen Bedeutung für das Leben der Menſch-
heit, und ihr Inhalt wird auch in ſeinen einzelnſten, materiellſten
Theilen zu einer der großartigſten Aufgaben der Wiſſenſchaft.
Die geſchichtliche Entwicklung derſelben.
Eben deßhalb iſt die Grundlage der geſchichtlichen Entwicklung der
wirthſchaftlichen Verwaltung das allmälige Entſtehen des Verſtändniſſes
dieſer Idee derſelben, der freien und gleichen Beſtimmung aller wirth-
ſchaftlichen Bewegung. Die Geſchlechterordnung entbehrt darum der-
ſelben ganz. Die ſtändiſche Ordnung löst ihr wirthſchaftliches Leben
in die Sonderintereſſen der einzelnen Stände und ihrer Körperſchaften
und in den auch wirthſchaftlichen Kampf derſelben untereinander auf.
Erſt mit dem Siege der Staatsidee entſteht der Gedanke und der Ver-
ſuch einer wirthſchaftlichen Verwaltung.
Dieſe ſelbſt entfaltet ſich nun aus ihrer urſprünglichen Einfachheit
nur allmälig zu einer, das geſammte Leben mit vollem Bewußtſein
ihrer Aufgabe umfaſſenden Thätigkeit. Den Ausdruck der Standpunkte,
welche die Verwaltung nach einander ſeit dem ſechzehnten Jahrhundert
einnimmt, bilden zunächſt die drei ſogenannten Schulen der National-
ökonomie, die in der That weſentlich Principien und Syſteme der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/165>, abgerufen am 19.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.