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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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größere Bewegung der Geister jene die Beschränkung des Umfangs
durch die Polizei vernichtet, verschwindet die Prohibition ganzer Werke,
wie die Censur der einzelnen Stellen; sie ward lächerlich durch ihre
Wirkungslosigkeit.

Ihr folgt das Repressivsystem. Das Repressivsystem beruht
darauf, den Schriftsteller und Verleger zu ihren eigenen Cen-
soren
zu machen. Die Voraussetzung für diesen Zweck ist, daß jede
Veröffentlichung zugleich als ein wirthschaftliches Unternehmen erscheint.
Das Mittel seiner Verwirklichung ist das Recht des Verbotes in
den Händen der Polizei, welches durch den verhinderten Absatz das
Unternehmen ruinirt. Die Bedingung dafür war die gewerbliche Ge-
nehmigung
, sowohl für Drucker wie für Verleger, und die Stellung
der Caution für die Tagespresse. Die Formen waren die Verwar-
nung, die Suspension und das Verbot der Publikation. Der Natur
der Sache nach traf das am meisten die Tagespresse; daher erscheint
von jetzt an das ganze Preßrecht wesentlich als das Recht der Tages-
presse. Allein alle jene Mittel sind dennoch nicht fähig, weder den
Kampf einer Idee mit dem alten Recht, noch ein Verbrechen durch die
Presse zu hindern. Es muß daher neben der Preßpolizei, die im
Obigen liegt, noch ein Preßstrafrecht geschaffen werden. So scheiden
sich beide. Jetzt ist das Objekt der Preßpolizei die gefährliche Macht
der Presse, das des Preßstrafrechts ein durch dieselbe wirklich unbegan-
genes Verbrechen. Das war einfach. Allein im Kampfe der Rechts-
bildungen in Staat und Gesellschaft gingen die herrschenden Elemente
so weit, nicht mehr den Inhalt der Drucksache, sondern die Folge-
rungen
, die aus demselben gezogen werden konnten, für ein Preß-
vergehen zu erklären. Der Ausdruck dieses Gedankens war der aus
England nach Frankreich, aus Frankreich nach Deutschland wandernde
Satz, daß "jede Verleitung zu Haß und Verachtung gegen die be-
stehende Rechtsordnung" strafbar sei. Damit ward thatsächlich der
Unterschied zwischen Polizei und Strafe wieder aufgehoben, und das
gesammte Preßrecht ein Polizeirecht, und so formulirte sich der Wider-
spruch, der den eigentlichen Grundgedanken des Repressivsystems bildet,
und alle Preßfreiheit untergrub, daß nicht mehr der formelle Inhalt,
sondern daß die "Tendenz als Geist der Presse," das Objekt von
Strafrecht und Polizei zugleich sein solle.

Erst in der neuesten Zeit bricht sich nun das wahre Recht der
freien Presse Bahn. Seine Grundsätze sind folgende.

Die Freiheit der Presse bedeutet einerseits die volle gewerbliche
Freiheit des wirthschaftlichen Unternehmens der Presse, andererseits
den Rechtsgrundsatz, daß die durch geistige Arbeit erst zu gewinnenden

größere Bewegung der Geiſter jene die Beſchränkung des Umfangs
durch die Polizei vernichtet, verſchwindet die Prohibition ganzer Werke,
wie die Cenſur der einzelnen Stellen; ſie ward lächerlich durch ihre
Wirkungsloſigkeit.

Ihr folgt das Repreſſivſyſtem. Das Repreſſivſyſtem beruht
darauf, den Schriftſteller und Verleger zu ihren eigenen Cen-
ſoren
zu machen. Die Vorausſetzung für dieſen Zweck iſt, daß jede
Veröffentlichung zugleich als ein wirthſchaftliches Unternehmen erſcheint.
Das Mittel ſeiner Verwirklichung iſt das Recht des Verbotes in
den Händen der Polizei, welches durch den verhinderten Abſatz das
Unternehmen ruinirt. Die Bedingung dafür war die gewerbliche Ge-
nehmigung
, ſowohl für Drucker wie für Verleger, und die Stellung
der Caution für die Tagespreſſe. Die Formen waren die Verwar-
nung, die Suſpenſion und das Verbot der Publikation. Der Natur
der Sache nach traf das am meiſten die Tagespreſſe; daher erſcheint
von jetzt an das ganze Preßrecht weſentlich als das Recht der Tages-
preſſe. Allein alle jene Mittel ſind dennoch nicht fähig, weder den
Kampf einer Idee mit dem alten Recht, noch ein Verbrechen durch die
Preſſe zu hindern. Es muß daher neben der Preßpolizei, die im
Obigen liegt, noch ein Preßſtrafrecht geſchaffen werden. So ſcheiden
ſich beide. Jetzt iſt das Objekt der Preßpolizei die gefährliche Macht
der Preſſe, das des Preßſtrafrechts ein durch dieſelbe wirklich unbegan-
genes Verbrechen. Das war einfach. Allein im Kampfe der Rechts-
bildungen in Staat und Geſellſchaft gingen die herrſchenden Elemente
ſo weit, nicht mehr den Inhalt der Druckſache, ſondern die Folge-
rungen
, die aus demſelben gezogen werden konnten, für ein Preß-
vergehen zu erklären. Der Ausdruck dieſes Gedankens war der aus
England nach Frankreich, aus Frankreich nach Deutſchland wandernde
Satz, daß „jede Verleitung zu Haß und Verachtung gegen die be-
ſtehende Rechtsordnung“ ſtrafbar ſei. Damit ward thatſächlich der
Unterſchied zwiſchen Polizei und Strafe wieder aufgehoben, und das
geſammte Preßrecht ein Polizeirecht, und ſo formulirte ſich der Wider-
ſpruch, der den eigentlichen Grundgedanken des Repreſſivſyſtems bildet,
und alle Preßfreiheit untergrub, daß nicht mehr der formelle Inhalt,
ſondern daß die „Tendenz als Geiſt der Preſſe,“ das Objekt von
Strafrecht und Polizei zugleich ſein ſolle.

Erſt in der neueſten Zeit bricht ſich nun das wahre Recht der
freien Preſſe Bahn. Seine Grundſätze ſind folgende.

Die Freiheit der Preſſe bedeutet einerſeits die volle gewerbliche
Freiheit des wirthſchaftlichen Unternehmens der Preſſe, andererſeits
den Rechtsgrundſatz, daß die durch geiſtige Arbeit erſt zu gewinnenden

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[138/0162] größere Bewegung der Geiſter jene die Beſchränkung des Umfangs durch die Polizei vernichtet, verſchwindet die Prohibition ganzer Werke, wie die Cenſur der einzelnen Stellen; ſie ward lächerlich durch ihre Wirkungsloſigkeit. Ihr folgt das Repreſſivſyſtem. Das Repreſſivſyſtem beruht darauf, den Schriftſteller und Verleger zu ihren eigenen Cen- ſoren zu machen. Die Vorausſetzung für dieſen Zweck iſt, daß jede Veröffentlichung zugleich als ein wirthſchaftliches Unternehmen erſcheint. Das Mittel ſeiner Verwirklichung iſt das Recht des Verbotes in den Händen der Polizei, welches durch den verhinderten Abſatz das Unternehmen ruinirt. Die Bedingung dafür war die gewerbliche Ge- nehmigung, ſowohl für Drucker wie für Verleger, und die Stellung der Caution für die Tagespreſſe. Die Formen waren die Verwar- nung, die Suſpenſion und das Verbot der Publikation. Der Natur der Sache nach traf das am meiſten die Tagespreſſe; daher erſcheint von jetzt an das ganze Preßrecht weſentlich als das Recht der Tages- preſſe. Allein alle jene Mittel ſind dennoch nicht fähig, weder den Kampf einer Idee mit dem alten Recht, noch ein Verbrechen durch die Preſſe zu hindern. Es muß daher neben der Preßpolizei, die im Obigen liegt, noch ein Preßſtrafrecht geſchaffen werden. So ſcheiden ſich beide. Jetzt iſt das Objekt der Preßpolizei die gefährliche Macht der Preſſe, das des Preßſtrafrechts ein durch dieſelbe wirklich unbegan- genes Verbrechen. Das war einfach. Allein im Kampfe der Rechts- bildungen in Staat und Geſellſchaft gingen die herrſchenden Elemente ſo weit, nicht mehr den Inhalt der Druckſache, ſondern die Folge- rungen, die aus demſelben gezogen werden konnten, für ein Preß- vergehen zu erklären. Der Ausdruck dieſes Gedankens war der aus England nach Frankreich, aus Frankreich nach Deutſchland wandernde Satz, daß „jede Verleitung zu Haß und Verachtung gegen die be- ſtehende Rechtsordnung“ ſtrafbar ſei. Damit ward thatſächlich der Unterſchied zwiſchen Polizei und Strafe wieder aufgehoben, und das geſammte Preßrecht ein Polizeirecht, und ſo formulirte ſich der Wider- ſpruch, der den eigentlichen Grundgedanken des Repreſſivſyſtems bildet, und alle Preßfreiheit untergrub, daß nicht mehr der formelle Inhalt, ſondern daß die „Tendenz als Geiſt der Preſſe,“ das Objekt von Strafrecht und Polizei zugleich ſein ſolle. Erſt in der neueſten Zeit bricht ſich nun das wahre Recht der freien Preſſe Bahn. Seine Grundſätze ſind folgende. Die Freiheit der Preſſe bedeutet einerſeits die volle gewerbliche Freiheit des wirthſchaftlichen Unternehmens der Preſſe, andererſeits den Rechtsgrundſatz, daß die durch geiſtige Arbeit erſt zu gewinnenden

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/162>, abgerufen am 22.12.2024.