Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.zu geben habe. Daran schließt die Frage nach dem Schulgeld. Es Die obigen Grundsätze gelten wohl jetzt im Wesentlichen in ganz Europa c) Das Privatschulwesen. Das Privatschulwesen ist das Recht jedes Einzelnen, neben der Gänzliche Freiheit in England. In Frankreich hat sich dieselbe erst nach zu geben habe. Daran ſchließt die Frage nach dem Schulgeld. Es Die obigen Grundſätze gelten wohl jetzt im Weſentlichen in ganz Europa c) Das Privatſchulweſen. Das Privatſchulweſen iſt das Recht jedes Einzelnen, neben der Gänzliche Freiheit in England. In Frankreich hat ſich dieſelbe erſt nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0148" n="124"/> zu geben habe. Daran ſchließt die Frage nach dem <hi rendition="#g">Schulgeld</hi>. Es<lb/> iſt naturgemäß entſtanden, allein mit unſerem Jahrhundert durch den<lb/> Grundſatz beherrſcht, daß die Fähigkeit das Schulgeld zu zahlen <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> die Bedingung des Rechts auf Schulbeſuch ſein dürfe (Freiſchüler —<lb/> Armenſchüler). Aus dieſem Grundſatz hat ſich dann der höhere Geſichts-<lb/> punkt entwickelt, daß das Schulgeld überhaupt <hi rendition="#g">aufzuheben</hi> und der<lb/> Volksunterricht <hi rendition="#g">ganz unentgeldlich</hi> ſein ſolle, was an ſich richtig,<lb/> durch das Privatſchulweſen wieder ſehr bedenklich wird, da ſich gerade<lb/><hi rendition="#g">dadurch</hi> der Unterſchied zwiſchen der beſitzenden und nicht beſitzenden<lb/> Claſſe wieder herſtellt.</p><lb/> <p>Die obigen Grundſätze gelten wohl jetzt im Weſentlichen in <hi rendition="#g">ganz</hi> Europa<lb/> (ſ. die einzelnen Aufſätze bei <hi rendition="#g">Schmid</hi> a. a. O. und kurz bei <hi rendition="#g">Stein</hi> S. 123 ff.).<lb/> Gegen alles Schulgeld: <hi rendition="#g">Gneiſt</hi>, Vortrag in Berlin 1869; beſonders <hi rendition="#g">Fr. Hof-<lb/> mann</hi>, die öffentliche Schule und das Schulgeld 1869. <hi rendition="#g">Oeſterreich</hi>: Geſetz<lb/> von 1869, §. 62 ff.</p> </div><lb/> <div n="7"> <head><hi rendition="#aq">c</hi>) <hi rendition="#g">Das Privatſchulweſen</hi>.</head><lb/> <p>Das Privatſchulweſen iſt das Recht jedes Einzelnen, neben der<lb/> öffentlichen Schule eine Schule als Privatunternehmen zu gründen.<lb/> Das Recht darauf iſt die Freiheit des Unterrichtsweſens, in Deutſchland<lb/> und England von jeher anerkannt, in Frankreich als <hi rendition="#aq">enseignement<lb/> libre</hi> erſt mit der Revolution ausgeſprochen. Das Recht iſt an ſich<lb/> unzweifelhaft; allein auch die Privatſchule bleibt ein öffentliches Inſtitut<lb/> als organiſcher Theil des Unterrichtsweſens und ſoll daher der <hi rendition="#g">Ober-<lb/> aufſicht</hi> der Regierung unterworfen ſein. Die beiden Formen, in<lb/> denen dieſelbe zu Tage tritt, iſt <hi rendition="#g">zuerſt</hi> die Forderung einer öffentlichen<lb/><hi rendition="#g">Lehramtsprüfung</hi> für die Privatlehrer, <hi rendition="#g">zweitens</hi> die Gleichſtellung<lb/> der Privatſchule mit der öffentlichen Schule in der Unterordnung unter<lb/> die <hi rendition="#g">Schulorgane</hi> der Behörde und der Gemeinde. Dieſe Grundſätze<lb/> ſind an ſich ſehr einfach; ſie werden erſt Gegenſtand des heftigſten<lb/> Kampfes da, wo ſich <hi rendition="#g">kirchliche Körperſchaften</hi> des Privatſchul-<lb/> weſens bemächtigen und das <hi rendition="#aq">enseignement libre</hi> als Ausſchließung der<lb/> Oberaufſicht verſtehen. <hi rendition="#g">Hier</hi> iſt der Punkt, wo ſich das katholiſche<lb/> und evangeliſche Schulweſen ſo tief ſcheiden, daß eine äußerliche Ver-<lb/> mittlung unthunlich erſcheint.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Gänzliche</hi> Freiheit in England. In Frankreich hat ſich dieſelbe erſt nach<lb/> der Revolution als <hi rendition="#aq">enseignement libre</hi> ausgebildet; das Geſetz von 1833 be-<lb/> zieht ſich noch weſentlich auf Privatſchulen. Das Geſetz von 1850 macht auch<lb/> die kirchlichen Schulen jeder Oberaufſicht baar. In Deutſchland hat die Tüchtigkeit<lb/> der Volksſchule das Privatſchulweſen auf die höheren Bildungsſtufen beſchränkt,<lb/> und den Grundſatz der Prüfung der Lehrer und Oberaufſicht im Weſentlichen<lb/> durchgeführt (ſ. <hi rendition="#g">Stein</hi> S. 145—147). <hi rendition="#g">Oeſterreich</hi>: Geſetz von 1869, §. 68 ff.</p> </div> </div> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0148]
zu geben habe. Daran ſchließt die Frage nach dem Schulgeld. Es
iſt naturgemäß entſtanden, allein mit unſerem Jahrhundert durch den
Grundſatz beherrſcht, daß die Fähigkeit das Schulgeld zu zahlen nicht
die Bedingung des Rechts auf Schulbeſuch ſein dürfe (Freiſchüler —
Armenſchüler). Aus dieſem Grundſatz hat ſich dann der höhere Geſichts-
punkt entwickelt, daß das Schulgeld überhaupt aufzuheben und der
Volksunterricht ganz unentgeldlich ſein ſolle, was an ſich richtig,
durch das Privatſchulweſen wieder ſehr bedenklich wird, da ſich gerade
dadurch der Unterſchied zwiſchen der beſitzenden und nicht beſitzenden
Claſſe wieder herſtellt.
Die obigen Grundſätze gelten wohl jetzt im Weſentlichen in ganz Europa
(ſ. die einzelnen Aufſätze bei Schmid a. a. O. und kurz bei Stein S. 123 ff.).
Gegen alles Schulgeld: Gneiſt, Vortrag in Berlin 1869; beſonders Fr. Hof-
mann, die öffentliche Schule und das Schulgeld 1869. Oeſterreich: Geſetz
von 1869, §. 62 ff.
c) Das Privatſchulweſen.
Das Privatſchulweſen iſt das Recht jedes Einzelnen, neben der
öffentlichen Schule eine Schule als Privatunternehmen zu gründen.
Das Recht darauf iſt die Freiheit des Unterrichtsweſens, in Deutſchland
und England von jeher anerkannt, in Frankreich als enseignement
libre erſt mit der Revolution ausgeſprochen. Das Recht iſt an ſich
unzweifelhaft; allein auch die Privatſchule bleibt ein öffentliches Inſtitut
als organiſcher Theil des Unterrichtsweſens und ſoll daher der Ober-
aufſicht der Regierung unterworfen ſein. Die beiden Formen, in
denen dieſelbe zu Tage tritt, iſt zuerſt die Forderung einer öffentlichen
Lehramtsprüfung für die Privatlehrer, zweitens die Gleichſtellung
der Privatſchule mit der öffentlichen Schule in der Unterordnung unter
die Schulorgane der Behörde und der Gemeinde. Dieſe Grundſätze
ſind an ſich ſehr einfach; ſie werden erſt Gegenſtand des heftigſten
Kampfes da, wo ſich kirchliche Körperſchaften des Privatſchul-
weſens bemächtigen und das enseignement libre als Ausſchließung der
Oberaufſicht verſtehen. Hier iſt der Punkt, wo ſich das katholiſche
und evangeliſche Schulweſen ſo tief ſcheiden, daß eine äußerliche Ver-
mittlung unthunlich erſcheint.
Gänzliche Freiheit in England. In Frankreich hat ſich dieſelbe erſt nach
der Revolution als enseignement libre ausgebildet; das Geſetz von 1833 be-
zieht ſich noch weſentlich auf Privatſchulen. Das Geſetz von 1850 macht auch
die kirchlichen Schulen jeder Oberaufſicht baar. In Deutſchland hat die Tüchtigkeit
der Volksſchule das Privatſchulweſen auf die höheren Bildungsſtufen beſchränkt,
und den Grundſatz der Prüfung der Lehrer und Oberaufſicht im Weſentlichen
durchgeführt (ſ. Stein S. 145—147). Oeſterreich: Geſetz von 1869, §. 68 ff.
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