namentlich von Frankreich ausgehenden Bestimmungen über Kinder- arbeit. Jeder dieser Theile hat seine eigene Gesetzgebung und Ge- schichte. -- Die Gesundheitspflege im Bau- und Wohnungswesen beginnt ihrerseits mit den Vorschriften der Feuer- und Sicherheits- polizei bereits im vorigen Jahrhundert; erst in unserem Jahrhundert, und zwar namentlich seit der Cholera, erscheinen die Maßregeln, welche sich zuerst auf gesunde und lichte Raumverhältnisse der Wohnungen und Straßen beziehen und damit wieder zugleich den Charakter socialer, polizeilicher und sanitärer Bestrebungen verbinden; dann erkennt man den großen Werth des Wassers und sorgt für dasselbe; endlich An- lagen der Städte, freie Plätze, Straßen, Pflanzungen u. a. -- Die Gesundheitspflege des Gewerbewesens endlich steht fast allenthalben noch auf dem vorwiegend polizeilichen Standpunkt, vor den direkt schäd- lichen Einflüssen des Gewerbes zu schützen; die Gesundheitspolizei der Anlagen bezieht sich vorzugsweise auf das Verhalten des Gewerbes zu der Gesundheit Dritter, während die des Betriebes in Verbin- dung mit den Arbeitern selbst steht. Es ist natürlich, daß jedes Ge- werbe seine Gesundheitspolizei hat (Concession, Polizei der Maschinen, Zündhölzer, Gifte, Schifffahrt u. s. w.) Allein bisher hat sich diese Polizei nur noch auf die größeren Unternehmungen beschränkt. Sie wird ihre wahre Idee erst dann erhalten, wenn sie jede Werkstatt ihrer Untersuchung unterzieht und die Forderungen der Gesundheits- pflege von der größten Fabrik bis zum kleinsten Arbeitslokale hinab mit unerbittlicher Strenge zur Geltung bringt. Das kann und soll nun zwar das Vereinswesen anregen, aber zuletzt kann und soll es nur die Selbstverwaltung ausführen. Hier beginnt ein weites und hoch- wichtiges Gebiet dieses Theiles der inneren Verwaltung, das bis jetzt noch der Zukunft gehört.
Jeder Theil dieser Gesundheitspflege hat seine Gesetzgebung und zum Theil seine Literatur. Kinderarbeit. Frankreich: Gesetz vom 22. März 1841 als Grundlage der ganzen Bewegung (Villerme); spätere Entwicklung. -- England: specielle Gesetze von 1842--1864. -- Oesterreich: Gewerbeordnung von 1859 §. 86--88. -- Preußen seit Gesetz vom 9. März 1839; erweitert durch Gesetz vom 16. Mai 1863. Stein a. a. O. S. 74--76. -- Gewerbe- wesen. Frankreich: strenge Ordnung bei der Concession seit dem Gesetz vom 12. Februar 1806; dann die drei Classen der Gewerbe mit Decret von 1810. (Pappenheim, Sanitätspolizei; Tardien, Dictionnaire.) -- Deutschland: Aufnahme des Princips in die Gewerbeordnungen (Preußen 1845. Oester- reich 1859). Ohne eine eingehende Beachtung von Seiten der bisherigen Lite- ratur; fast durchgehend überlassen an die Gemeinden, und von diesen wenig verstanden und ausgeübt. Auch in den Gewerbsgenossenschaften noch ohne Heimath; hier steht noch fast alles auf dem Standpunkt, für die Heilung der
namentlich von Frankreich ausgehenden Beſtimmungen über Kinder- arbeit. Jeder dieſer Theile hat ſeine eigene Geſetzgebung und Ge- ſchichte. — Die Geſundheitspflege im Bau- und Wohnungsweſen beginnt ihrerſeits mit den Vorſchriften der Feuer- und Sicherheits- polizei bereits im vorigen Jahrhundert; erſt in unſerem Jahrhundert, und zwar namentlich ſeit der Cholera, erſcheinen die Maßregeln, welche ſich zuerſt auf geſunde und lichte Raumverhältniſſe der Wohnungen und Straßen beziehen und damit wieder zugleich den Charakter ſocialer, polizeilicher und ſanitärer Beſtrebungen verbinden; dann erkennt man den großen Werth des Waſſers und ſorgt für daſſelbe; endlich An- lagen der Städte, freie Plätze, Straßen, Pflanzungen u. a. — Die Geſundheitspflege des Gewerbeweſens endlich ſteht faſt allenthalben noch auf dem vorwiegend polizeilichen Standpunkt, vor den direkt ſchäd- lichen Einflüſſen des Gewerbes zu ſchützen; die Geſundheitspolizei der Anlagen bezieht ſich vorzugsweiſe auf das Verhalten des Gewerbes zu der Geſundheit Dritter, während die des Betriebes in Verbin- dung mit den Arbeitern ſelbſt ſteht. Es iſt natürlich, daß jedes Ge- werbe ſeine Geſundheitspolizei hat (Conceſſion, Polizei der Maſchinen, Zündhölzer, Gifte, Schifffahrt u. ſ. w.) Allein bisher hat ſich dieſe Polizei nur noch auf die größeren Unternehmungen beſchränkt. Sie wird ihre wahre Idee erſt dann erhalten, wenn ſie jede Werkſtatt ihrer Unterſuchung unterzieht und die Forderungen der Geſundheits- pflege von der größten Fabrik bis zum kleinſten Arbeitslokale hinab mit unerbittlicher Strenge zur Geltung bringt. Das kann und ſoll nun zwar das Vereinsweſen anregen, aber zuletzt kann und ſoll es nur die Selbſtverwaltung ausführen. Hier beginnt ein weites und hoch- wichtiges Gebiet dieſes Theiles der inneren Verwaltung, das bis jetzt noch der Zukunft gehört.
Jeder Theil dieſer Geſundheitspflege hat ſeine Geſetzgebung und zum Theil ſeine Literatur. Kinderarbeit. Frankreich: Geſetz vom 22. März 1841 als Grundlage der ganzen Bewegung (Villermé); ſpätere Entwicklung. — England: ſpecielle Geſetze von 1842—1864. — Oeſterreich: Gewerbeordnung von 1859 §. 86—88. — Preußen ſeit Geſetz vom 9. März 1839; erweitert durch Geſetz vom 16. Mai 1863. Stein a. a. O. S. 74—76. — Gewerbe- weſen. Frankreich: ſtrenge Ordnung bei der Conceſſion ſeit dem Geſetz vom 12. Februar 1806; dann die drei Claſſen der Gewerbe mit Decret von 1810. (Pappenheim, Sanitätspolizei; Tardien, Dictionnaire.) — Deutſchland: Aufnahme des Princips in die Gewerbeordnungen (Preußen 1845. Oeſter- reich 1859). Ohne eine eingehende Beachtung von Seiten der bisherigen Lite- ratur; faſt durchgehend überlaſſen an die Gemeinden, und von dieſen wenig verſtanden und ausgeübt. Auch in den Gewerbsgenoſſenſchaften noch ohne Heimath; hier ſteht noch faſt alles auf dem Standpunkt, für die Heilung der
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[89/0113]
namentlich von Frankreich ausgehenden Beſtimmungen über Kinder-
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beginnt ihrerſeits mit den Vorſchriften der Feuer- und Sicherheits-
polizei bereits im vorigen Jahrhundert; erſt in unſerem Jahrhundert,
und zwar namentlich ſeit der Cholera, erſcheinen die Maßregeln, welche
ſich zuerſt auf geſunde und lichte Raumverhältniſſe der Wohnungen
und Straßen beziehen und damit wieder zugleich den Charakter ſocialer,
polizeilicher und ſanitärer Beſtrebungen verbinden; dann erkennt man
den großen Werth des Waſſers und ſorgt für daſſelbe; endlich An-
lagen der Städte, freie Plätze, Straßen, Pflanzungen u. a. — Die
Geſundheitspflege des Gewerbeweſens endlich ſteht faſt allenthalben
noch auf dem vorwiegend polizeilichen Standpunkt, vor den direkt ſchäd-
lichen Einflüſſen des Gewerbes zu ſchützen; die Geſundheitspolizei der
Anlagen bezieht ſich vorzugsweiſe auf das Verhalten des Gewerbes
zu der Geſundheit Dritter, während die des Betriebes in Verbin-
dung mit den Arbeitern ſelbſt ſteht. Es iſt natürlich, daß jedes Ge-
werbe ſeine Geſundheitspolizei hat (Conceſſion, Polizei der Maſchinen,
Zündhölzer, Gifte, Schifffahrt u. ſ. w.) Allein bisher hat ſich dieſe
Polizei nur noch auf die größeren Unternehmungen beſchränkt. Sie
wird ihre wahre Idee erſt dann erhalten, wenn ſie jede Werkſtatt
ihrer Unterſuchung unterzieht und die Forderungen der Geſundheits-
pflege von der größten Fabrik bis zum kleinſten Arbeitslokale hinab
mit unerbittlicher Strenge zur Geltung bringt. Das kann und ſoll
nun zwar das Vereinsweſen anregen, aber zuletzt kann und ſoll es nur
die Selbſtverwaltung ausführen. Hier beginnt ein weites und hoch-
wichtiges Gebiet dieſes Theiles der inneren Verwaltung, das bis jetzt
noch der Zukunft gehört.
Jeder Theil dieſer Geſundheitspflege hat ſeine Geſetzgebung und zum Theil
ſeine Literatur. Kinderarbeit. Frankreich: Geſetz vom 22. März 1841
als Grundlage der ganzen Bewegung (Villermé); ſpätere Entwicklung. —
England: ſpecielle Geſetze von 1842—1864. — Oeſterreich: Gewerbeordnung
von 1859 §. 86—88. — Preußen ſeit Geſetz vom 9. März 1839; erweitert
durch Geſetz vom 16. Mai 1863. Stein a. a. O. S. 74—76. — Gewerbe-
weſen. Frankreich: ſtrenge Ordnung bei der Conceſſion ſeit dem Geſetz vom
12. Februar 1806; dann die drei Claſſen der Gewerbe mit Decret von 1810.
(Pappenheim, Sanitätspolizei; Tardien, Dictionnaire.) — Deutſchland:
Aufnahme des Princips in die Gewerbeordnungen (Preußen 1845. Oeſter-
reich 1859). Ohne eine eingehende Beachtung von Seiten der bisherigen Lite-
ratur; faſt durchgehend überlaſſen an die Gemeinden, und von dieſen wenig
verſtanden und ausgeübt. Auch in den Gewerbsgenoſſenſchaften noch ohne
Heimath; hier ſteht noch faſt alles auf dem Standpunkt, für die Heilung der
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/113>, abgerufen am 26.11.2024.
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