der individuellen Gesundheit, so weit dieselben durch das Leben des Ein- zelnen in der Gemeinschaft gegeben sind.
Die Gesundheit ist an sich eine Sache des Einzelnen. Sie ist als solche die erste Voraussetzung des Wohlseins und zugleich der geistigen und wirthschaftlichen Entwicklung. Ohne sie kann es für jeden tausend Güter geben, aber keinen Werth derselben. Sie selbst aber ist das Resultat einer Menge von Ursachen, die auf den Einzelnen einwirken, ohne daß er im Stande wäre, sie immer zu beherrschen. Was so für den Einzelnen gilt, gilt auch für Alle. Und nun nennen wir den- jenigen Zustand der Gesundheit, der durch die Verhältnisse des Zu- sammenlebens der Einzelnen erzeugt und beherrscht wird, die öffent- liche Gesundheit.
Der hohe Werth derselben und die Unmöglichkeit für den Einzel- nen, sich durch eigene Kraft zu schaffen, was sie bedingt, macht sie zu einem wesentlichen Gegenstand der inneren Verwaltung. Und die Ge- sammtheit der Rechtsbestimmungen, Anstalten und Thätigkeiten, vermöge deren die Verwaltung für die dem Einzelnen unerreichbaren Bedingungen dieser öffentlichen Gesundheit sorgt, bildet das Gesundheitswesen.
Wesentlich davon verschieden ist die gerichtliche Medicin, welche die Regeln feststellt, nach denen die Grundsätze der Heilkunde als Beweismittel im gerichtlichen Verfahren gelten. Allerdings ist das Gesundheitswesen aus ihr hervorgegangen und lange mit ihr verwechselt worden. Jetzt aber ist kein Zweifel mehr, daß es durchaus verschiedene Gebiete sind, die mit einander künftig wenig mehr zu thun haben.
Das Gesundheitswesen zerfällt demnach in die Darstellung des Organismus, der für dasselbe thätig ist, in das Sanitätswesen, mit seinen beiden Aufgaben, in denen es die Gesundheit schützt (Ge- sundheitspolizei) und sie fördert (Gesundheitspflege), und das Medi- cinalwesen oder Heilwesen, welches die wirklich vorhandenen Störungen der Gesundheit zu bekämpfen bestimmt ist.
Andeutung des Unterschiedes von Gesundheitswesen und gerichtlicher Me- dicin schon im siebzehnten Jahrhundert. Starke Entwicklung der letztern in der Theorie des Strafprocesses. Trotz der weitläuftigen Gesetzgebungen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kein fester Begriff des ersteren. Erste große Grundlage: P. Frank, System der medicinischen Polizei seit 1779. Darauf eine reiche und gelehrte, aber systemlose Literatur; die Scheidung wird fast nur in Sammelwerken festgehalten. Frankreich: Trebuchet, Juris- prudence de la medicine 1834. -- Preußen: Horn, preußisches Medicinal- wesen. Mangel an selbständiger wissenschaftlicher Behandlung. Stein, Ver- waltungslehre Bd. III. S. 4--17. -- England: Sander, die englische Sanitätsgesetzgebung. 1869.
der individuellen Geſundheit, ſo weit dieſelben durch das Leben des Ein- zelnen in der Gemeinſchaft gegeben ſind.
Die Geſundheit iſt an ſich eine Sache des Einzelnen. Sie iſt als ſolche die erſte Vorausſetzung des Wohlſeins und zugleich der geiſtigen und wirthſchaftlichen Entwicklung. Ohne ſie kann es für jeden tauſend Güter geben, aber keinen Werth derſelben. Sie ſelbſt aber iſt das Reſultat einer Menge von Urſachen, die auf den Einzelnen einwirken, ohne daß er im Stande wäre, ſie immer zu beherrſchen. Was ſo für den Einzelnen gilt, gilt auch für Alle. Und nun nennen wir den- jenigen Zuſtand der Geſundheit, der durch die Verhältniſſe des Zu- ſammenlebens der Einzelnen erzeugt und beherrſcht wird, die öffent- liche Geſundheit.
Der hohe Werth derſelben und die Unmöglichkeit für den Einzel- nen, ſich durch eigene Kraft zu ſchaffen, was ſie bedingt, macht ſie zu einem weſentlichen Gegenſtand der inneren Verwaltung. Und die Ge- ſammtheit der Rechtsbeſtimmungen, Anſtalten und Thätigkeiten, vermöge deren die Verwaltung für die dem Einzelnen unerreichbaren Bedingungen dieſer öffentlichen Geſundheit ſorgt, bildet das Geſundheitsweſen.
Weſentlich davon verſchieden iſt die gerichtliche Medicin, welche die Regeln feſtſtellt, nach denen die Grundſätze der Heilkunde als Beweismittel im gerichtlichen Verfahren gelten. Allerdings iſt das Geſundheitsweſen aus ihr hervorgegangen und lange mit ihr verwechſelt worden. Jetzt aber iſt kein Zweifel mehr, daß es durchaus verſchiedene Gebiete ſind, die mit einander künftig wenig mehr zu thun haben.
Das Geſundheitsweſen zerfällt demnach in die Darſtellung des Organismus, der für daſſelbe thätig iſt, in das Sanitätsweſen, mit ſeinen beiden Aufgaben, in denen es die Geſundheit ſchützt (Ge- ſundheitspolizei) und ſie fördert (Geſundheitspflege), und das Medi- cinalweſen oder Heilweſen, welches die wirklich vorhandenen Störungen der Geſundheit zu bekämpfen beſtimmt iſt.
Andeutung des Unterſchiedes von Geſundheitsweſen und gerichtlicher Me- dicin ſchon im ſiebzehnten Jahrhundert. Starke Entwicklung der letztern in der Theorie des Strafproceſſes. Trotz der weitläuftigen Geſetzgebungen des ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kein feſter Begriff des erſteren. Erſte große Grundlage: P. Frank, Syſtem der mediciniſchen Polizei ſeit 1779. Darauf eine reiche und gelehrte, aber ſyſtemloſe Literatur; die Scheidung wird faſt nur in Sammelwerken feſtgehalten. Frankreich: Trébuchet, Juris- prudence de la médicine 1834. — Preußen: Horn, preußiſches Medicinal- weſen. Mangel an ſelbſtändiger wiſſenſchaftlicher Behandlung. Stein, Ver- waltungslehre Bd. III. S. 4—17. — England: Sander, die engliſche Sanitätsgeſetzgebung. 1869.
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Die Geſundheit iſt an ſich eine Sache des Einzelnen. Sie iſt als
ſolche die erſte Vorausſetzung des Wohlſeins und zugleich der geiſtigen
und wirthſchaftlichen Entwicklung. Ohne ſie kann es für jeden tauſend
Güter geben, aber keinen Werth derſelben. Sie ſelbſt aber iſt das
Reſultat einer Menge von Urſachen, die auf den Einzelnen einwirken,
ohne daß er im Stande wäre, ſie immer zu beherrſchen. Was ſo für
den Einzelnen gilt, gilt auch für Alle. Und nun nennen wir den-
jenigen Zuſtand der Geſundheit, der durch die Verhältniſſe des Zu-
ſammenlebens der Einzelnen erzeugt und beherrſcht wird, die öffent-
liche Geſundheit.
Der hohe Werth derſelben und die Unmöglichkeit für den Einzel-
nen, ſich durch eigene Kraft zu ſchaffen, was ſie bedingt, macht ſie zu
einem weſentlichen Gegenſtand der inneren Verwaltung. Und die Ge-
ſammtheit der Rechtsbeſtimmungen, Anſtalten und Thätigkeiten, vermöge
deren die Verwaltung für die dem Einzelnen unerreichbaren Bedingungen
dieſer öffentlichen Geſundheit ſorgt, bildet das Geſundheitsweſen.
Weſentlich davon verſchieden iſt die gerichtliche Medicin, welche
die Regeln feſtſtellt, nach denen die Grundſätze der Heilkunde als
Beweismittel im gerichtlichen Verfahren gelten. Allerdings iſt das
Geſundheitsweſen aus ihr hervorgegangen und lange mit ihr verwechſelt
worden. Jetzt aber iſt kein Zweifel mehr, daß es durchaus verſchiedene
Gebiete ſind, die mit einander künftig wenig mehr zu thun haben.
Das Geſundheitsweſen zerfällt demnach in die Darſtellung des
Organismus, der für daſſelbe thätig iſt, in das Sanitätsweſen,
mit ſeinen beiden Aufgaben, in denen es die Geſundheit ſchützt (Ge-
ſundheitspolizei) und ſie fördert (Geſundheitspflege), und das Medi-
cinalweſen oder Heilweſen, welches die wirklich vorhandenen
Störungen der Geſundheit zu bekämpfen beſtimmt iſt.
Andeutung des Unterſchiedes von Geſundheitsweſen und gerichtlicher Me-
dicin ſchon im ſiebzehnten Jahrhundert. Starke Entwicklung der letztern in
der Theorie des Strafproceſſes. Trotz der weitläuftigen Geſetzgebungen des
ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kein feſter Begriff des erſteren. Erſte
große Grundlage: P. Frank, Syſtem der mediciniſchen Polizei ſeit 1779.
Darauf eine reiche und gelehrte, aber ſyſtemloſe Literatur; die Scheidung wird
faſt nur in Sammelwerken feſtgehalten. Frankreich: Trébuchet, Juris-
prudence de la médicine 1834. — Preußen: Horn, preußiſches Medicinal-
weſen. Mangel an ſelbſtändiger wiſſenſchaftlicher Behandlung. Stein, Ver-
waltungslehre Bd. III. S. 4—17. — England: Sander, die engliſche
Sanitätsgeſetzgebung. 1869.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/106>, abgerufen am 16.07.2024.
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