Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_095.001 Was dies bedeutet, erhellt am klarsten aus dem berühmten pst_095.004 "Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner?" pst_095.008pst_095.009 Glaukos aber gibt eine Antwort, die völlig aus dem pst_095.010 pst_095.011 "Tydeus' mutiger Sohn, was fragst du nach meinem pst_095.012 (VI, 145-150) pst_095.020Geschlechte? pst_095.013 Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte pst_095.014 der Menschen; pst_095.015 Einige streuet der Wind auf die Erd' hin, andere wieder pst_095.016 Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlinges pst_095.017 Wärme: pst_095.018 So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes pst_095.019 verschwindet." Widerwillig bequemt er sich dann, von seinem Geschlecht pst_095.021 pst_095.001 Was dies bedeutet, erhellt am klarsten aus dem berühmten pst_095.004 «Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner?» pst_095.008pst_095.009 Glaukos aber gibt eine Antwort, die völlig aus dem pst_095.010 pst_095.011 «Tydeus' mutiger Sohn, was fragst du nach meinem pst_095.012 (VI, 145–150) pst_095.020Geschlechte? pst_095.013 Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte pst_095.014 der Menschen; pst_095.015 Einige streuet der Wind auf die Erd' hin, andere wieder pst_095.016 Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlinges pst_095.017 Wärme: pst_095.018 So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes pst_095.019 verschwindet.» Widerwillig bequemt er sich dann, von seinem Geschlecht pst_095.021 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" n="95"/><lb n="pst_095.001"/> hat seine Geschichte. Irgendein Krug, ein Gerät wird <lb n="pst_095.002"/> gelegentlich einer Herkunftssage gewürdigt.</p> <lb n="pst_095.003"/> <p> Was dies bedeutet, erhellt am klarsten aus dem berühmten <lb n="pst_095.004"/> Zwiegespräch zwischen Glaukos und Diomedes <lb n="pst_095.005"/> im sechsten Gesang der «Ilias». Diomedes stellt <lb n="pst_095.006"/> die übliche Frage:</p> <lb n="pst_095.007"/> <lg> <l>«Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewoh<hi rendition="#et">ner?»</hi></l> </lg> <lb n="pst_095.008"/> <lb n="pst_095.009"/> <p>Glaukos aber gibt eine Antwort, die völlig aus dem <lb n="pst_095.010"/> Rahmen fällt:</p> <p><lb n="pst_095.011"/><lg><l>«Tydeus' mutiger Sohn, was fragst du nach meinem</l><lb n="pst_095.012"/><l><hi rendition="#et">Geschlechte?</hi></l><lb n="pst_095.013"/><l>Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte</l><lb n="pst_095.014"/><l><hi rendition="#et">der Menschen;</hi></l><lb n="pst_095.015"/><l>Einige streuet der Wind auf die Erd' hin, andere wieder</l><lb n="pst_095.016"/><l>Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlinges</l><lb n="pst_095.017"/><l><hi rendition="#et">Wärme:</hi></l><lb n="pst_095.018"/><l>So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes</l><lb n="pst_095.019"/><l><hi rendition="#et">verschwindet.»</hi></l></lg><space dim="horizontal"/>(VI, 145–150)</p> <lb n="pst_095.020"/> <p>Widerwillig bequemt er sich dann, von seinem Geschlecht <lb n="pst_095.021"/> zu sprechen. Ob Homer damit die Sinnesart der <lb n="pst_095.022"/> Lykier, eines mutterrechtlichen Volkes, darstellen <lb n="pst_095.023"/> wollte, das bleibe hier dahingestellt. Wir sehen nur, <lb n="pst_095.024"/> daß Glaukos den Wert des epischen Gedenkens verkennt. <lb n="pst_095.025"/> Denn eben dies ist seine Leistung, daß es die bedrängende <lb n="pst_095.026"/> Flüchtigkeit der Menschen und Dinge besiegt. <lb n="pst_095.027"/> Der epische Dichter fragt: Woher? Die Frage erschließt <lb n="pst_095.028"/> die Dimension, von der das lyrische Sein, das <lb n="pst_095.029"/> selbst im Strom der Zeit mitschwimmt, nichts weiß. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0099]
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hat seine Geschichte. Irgendein Krug, ein Gerät wird pst_095.002
gelegentlich einer Herkunftssage gewürdigt.
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Was dies bedeutet, erhellt am klarsten aus dem berühmten pst_095.004
Zwiegespräch zwischen Glaukos und Diomedes pst_095.005
im sechsten Gesang der «Ilias». Diomedes stellt pst_095.006
die übliche Frage:
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«Wer doch bist du, Edler, der sterblichen Erdebewohner?»
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Glaukos aber gibt eine Antwort, die völlig aus dem pst_095.010
Rahmen fällt:
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«Tydeus' mutiger Sohn, was fragst du nach meinem pst_095.012
Geschlechte? pst_095.013
Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechte pst_095.014
der Menschen; pst_095.015
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Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlinges pst_095.017
Wärme: pst_095.018
So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes pst_095.019
verschwindet.»
(VI, 145–150)
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Widerwillig bequemt er sich dann, von seinem Geschlecht pst_095.021
zu sprechen. Ob Homer damit die Sinnesart der pst_095.022
Lykier, eines mutterrechtlichen Volkes, darstellen pst_095.023
wollte, das bleibe hier dahingestellt. Wir sehen nur, pst_095.024
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Denn eben dies ist seine Leistung, daß es die bedrängende pst_095.026
Flüchtigkeit der Menschen und Dinge besiegt. pst_095.027
Der epische Dichter fragt: Woher? Die Frage erschließt pst_095.028
die Dimension, von der das lyrische Sein, das pst_095.029
selbst im Strom der Zeit mitschwimmt, nichts weiß.
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