pst_043.001 Eckermann wegen ihrer Neigung zu bloß musikalischen pst_043.002 Gedichten so unfreundlich tadelt. Vielleicht, daß pst_043.003 hier sich schon ein weiblicher Zug der lyrischen Dichtung pst_043.004 oder ein lyrischer Zug der Frau anzeigt.
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Außerdem aber erhellt die Unselbständigkeit der pst_043.006 Teile daraus, daß oft sogar der geschlossene Satz noch pst_043.007 einer loseren Folge von Satzteilen oder gar einzelnen pst_043.008 Wörtern weicht:
pst_043.009
"Und hin und her im Talpst_043.010 Erwacht die Nachtigall,pst_043.011 Dann wieder alles grau und stille ..."
pst_043.012
Der letzte Vers ist so wenig ein Satz wie gleich der Anfang pst_043.013 der zweiten Strophe:
pst_043.014
"O wunderbarer Nachtgesang:pst_043.015 Von fern im Land der Ströme Gang,pst_043.016 Leis Schauern in den dunklen Bäumen ..."
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Satzfragmente erscheinen hier, die nicht für sich bestehen, pst_043.018 sondern nur Wellen im lyrischen Strom sind: pst_043.019 noch ehe die Krone sich bildet, ist die Welle schon wieder pst_043.020 zerronnen. Das stetige Fließen verhindert den Abschluß pst_043.021 eines einzelnen Teils. So auch in Annette von pst_043.022 Drostes "Im Grase":
pst_043.023
"Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,pst_043.024 Von des Krautes Arome umhaucht,pst_043.025 Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut,pst_043.026 Wenn die Wolk' am Azure verraucht,pst_043.027 Wenn aufs müde, schwimmende Hauptpst_043.028 Süßes Lachen gaukelt herab,
pst_043.001 Eckermann wegen ihrer Neigung zu bloß musikalischen pst_043.002 Gedichten so unfreundlich tadelt. Vielleicht, daß pst_043.003 hier sich schon ein weiblicher Zug der lyrischen Dichtung pst_043.004 oder ein lyrischer Zug der Frau anzeigt.
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Außerdem aber erhellt die Unselbständigkeit der pst_043.006 Teile daraus, daß oft sogar der geschlossene Satz noch pst_043.007 einer loseren Folge von Satzteilen oder gar einzelnen pst_043.008 Wörtern weicht:
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«Und hin und her im Talpst_043.010 Erwacht die Nachtigall,pst_043.011 Dann wieder alles grau und stille ...»
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Der letzte Vers ist so wenig ein Satz wie gleich der Anfang pst_043.013 der zweiten Strophe:
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«O wunderbarer Nachtgesang:pst_043.015 Von fern im Land der Ströme Gang,pst_043.016 Leis Schauern in den dunklen Bäumen ...»
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Satzfragmente erscheinen hier, die nicht für sich bestehen, pst_043.018 sondern nur Wellen im lyrischen Strom sind: pst_043.019 noch ehe die Krone sich bildet, ist die Welle schon wieder pst_043.020 zerronnen. Das stetige Fließen verhindert den Abschluß pst_043.021 eines einzelnen Teils. So auch in Annette von pst_043.022 Drostes «Im Grase»:
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«Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,pst_043.024 Von des Krautes Arome umhaucht,pst_043.025 Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut,pst_043.026 Wenn die Wolk' am Azure verraucht,pst_043.027 Wenn aufs müde, schwimmende Hauptpst_043.028 Süßes Lachen gaukelt herab,
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Gedichten so unfreundlich tadelt. Vielleicht, daß pst_043.003
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Satzfragmente erscheinen hier, die nicht für sich bestehen, pst_043.018
sondern nur Wellen im lyrischen Strom sind: pst_043.019
noch ehe die Krone sich bildet, ist die Welle schon wieder pst_043.020
zerronnen. Das stetige Fließen verhindert den Abschluß pst_043.021
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Drostes «Im Grase»:
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«Süße Ruh', süßer Taumel im Gras, pst_043.024
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Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/47>, abgerufen am 16.02.2025.
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