Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_242.001 Aber auch dies ist kein Arcanum, das jedem, der es pst_242.006 Was insbesondere die Wissenschaft von der Dichtung pst_242.022 pst_242.001 Aber auch dies ist kein Arcanum, das jedem, der es pst_242.006 Was insbesondere die Wissenschaft von der Dichtung pst_242.022 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0246" n="242"/><lb n="pst_242.001"/> jedoch, dessen kein Forscher entraten kann, er mag <lb n="pst_242.002"/> sich noch so frei von jeder Art der Voraussetzung wähnen, <lb n="pst_242.003"/> dürfte die temporale Interpretation sich immer <lb n="pst_242.004"/> wieder bewähren.</p> <lb n="pst_242.005"/> <p> Aber auch dies ist kein Arcanum, das jedem, der es <lb n="pst_242.006"/> besitzt, von vornherein irgendwelche Ergebnisse sichert. <lb n="pst_242.007"/> Im Gegenteil! Die Methode kann, wie die Hegelsche <lb n="pst_242.008"/> Dialektik, nur schaden, wenn sie sich nicht mit <lb n="pst_242.009"/> dem unmittelbaren Gefühl für künstlerische Werte <lb n="pst_242.010"/> paart. Wir haben gesehen: der dramatische Geist ist <lb n="pst_242.011"/> nichts, wenn ihm die epische Basis und also weiterhin <lb n="pst_242.012"/> die unergründliche Tiefe des Lyrischen fehlt. So taugt <lb n="pst_242.013"/> auch kein wissenschaftliches Urteil, das gleich aus festen <lb n="pst_242.014"/> Begriffen zusammengesetzt ist, statt sich aus dem Dunkel <lb n="pst_242.015"/> der Innigkeit langsam abzuklären. Mit andern Worten: <lb n="pst_242.016"/> der Fachmann ist eitel und wird jedwede Einsicht <lb n="pst_242.017"/> vereiteln, wenn er nicht immer auch Liebhaber bleibt. <lb n="pst_242.018"/> Liebe jedoch kann niemand wollen und lernen, am wenigsten <lb n="pst_242.019"/> glückliche Liebe, die alles Lebendigen Ursprung <lb n="pst_242.020"/> ist.</p> <lb n="pst_242.021"/> <p> Was insbesondere die Wissenschaft von der Dichtung <lb n="pst_242.022"/> betrifft, so haben wir die Bedeutung unseres Resultats <lb n="pst_242.023"/> sogar noch weiter einzuschränken. Wir sind überzeugt, <lb n="pst_242.024"/> den Grund von Lyrik, Epos und Drama entdeckt zu <lb n="pst_242.025"/> haben. Die Zufälligkeit der äußeren Erscheinung eines <lb n="pst_242.026"/> Gedichts, ob es sich als Erzählung, als Bühnenstück oder <lb n="pst_242.027"/> als Epigramm, Ballade, Hymne, Ode darstellt, ließen <lb n="pst_242.028"/> wir gänzlich außer acht und suchten uns das Lyrische, <lb n="pst_242.029"/> Epische und Dramatische klar zu machen. Waren die <lb n="pst_242.030"/> Begriffe richtig, dem Sprachgebrauch gemäß erläutert, <lb n="pst_242.031"/> so mußte sich freilich eine Beziehung zu Lyrik, Epos </p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0246]
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jedoch, dessen kein Forscher entraten kann, er mag pst_242.002
sich noch so frei von jeder Art der Voraussetzung wähnen, pst_242.003
dürfte die temporale Interpretation sich immer pst_242.004
wieder bewähren.
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Aber auch dies ist kein Arcanum, das jedem, der es pst_242.006
besitzt, von vornherein irgendwelche Ergebnisse sichert. pst_242.007
Im Gegenteil! Die Methode kann, wie die Hegelsche pst_242.008
Dialektik, nur schaden, wenn sie sich nicht mit pst_242.009
dem unmittelbaren Gefühl für künstlerische Werte pst_242.010
paart. Wir haben gesehen: der dramatische Geist ist pst_242.011
nichts, wenn ihm die epische Basis und also weiterhin pst_242.012
die unergründliche Tiefe des Lyrischen fehlt. So taugt pst_242.013
auch kein wissenschaftliches Urteil, das gleich aus festen pst_242.014
Begriffen zusammengesetzt ist, statt sich aus dem Dunkel pst_242.015
der Innigkeit langsam abzuklären. Mit andern Worten: pst_242.016
der Fachmann ist eitel und wird jedwede Einsicht pst_242.017
vereiteln, wenn er nicht immer auch Liebhaber bleibt. pst_242.018
Liebe jedoch kann niemand wollen und lernen, am wenigsten pst_242.019
glückliche Liebe, die alles Lebendigen Ursprung pst_242.020
ist.
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Was insbesondere die Wissenschaft von der Dichtung pst_242.022
betrifft, so haben wir die Bedeutung unseres Resultats pst_242.023
sogar noch weiter einzuschränken. Wir sind überzeugt, pst_242.024
den Grund von Lyrik, Epos und Drama entdeckt zu pst_242.025
haben. Die Zufälligkeit der äußeren Erscheinung eines pst_242.026
Gedichts, ob es sich als Erzählung, als Bühnenstück oder pst_242.027
als Epigramm, Ballade, Hymne, Ode darstellt, ließen pst_242.028
wir gänzlich außer acht und suchten uns das Lyrische, pst_242.029
Epische und Dramatische klar zu machen. Waren die pst_242.030
Begriffe richtig, dem Sprachgebrauch gemäß erläutert, pst_242.031
so mußte sich freilich eine Beziehung zu Lyrik, Epos
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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