Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_207.001 In der Versöhnung beruhigen sich der Dichter und pst_207.024 pst_207.001 In der Versöhnung beruhigen sich der Dichter und pst_207.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0211" n="207"/><lb n="pst_207.001"/> den Rahmen einer Welt zu sprengen, weil sich ihm das <lb n="pst_207.002"/> Dasein in einer weiteren Welt zusammenfügt. Dies bedeutet <lb n="pst_207.003"/> der Vorgang, den die Ästhetik seit langem «Versöhnung» <lb n="pst_207.004"/> nennt. Der Prinz von Homburg wird nach <lb n="pst_207.005"/> dem Tod, den er als Romantiker duldet, versöhnt im <lb n="pst_207.006"/> Ausblick auf eine Welt, in der kein Gegensatz zwischen <lb n="pst_207.007"/> diskursiver Erkenntnis und Intuition mehr besteht. <lb n="pst_207.008"/> Wallenstein selbst wird nicht versöhnt, wohl aber der <lb n="pst_207.009"/> Zeuge seines Geschicks, der sich vom Dichter auf den <lb n="pst_207.010"/> Standpunkt des Idealismus geleitet sieht, sobald der <lb n="pst_207.011"/> Grund des irdischen Hoffens und Planens unter den Füßen <lb n="pst_207.012"/> schwindet. Mit fast pedantischer Deutlichkeit hat <lb n="pst_207.013"/> Hebbel die Sprengung des engern, die Bildung eines <lb n="pst_207.014"/> weiteren Rahmens gezeigt, indem er die bürgerliche <lb n="pst_207.015"/> Welt in «Maria Magdalene», die Welt des orientalischen <lb n="pst_207.016"/> Despotismus in «Herodes und Mariamne», die germanische <lb n="pst_207.017"/> Welt in den «Nibelungen» jedesmal in die christliche <lb n="pst_207.018"/> auflöst. Im «König Ödipus» von Sophokles aber <lb n="pst_207.019"/> gewinnen wir den Eindruck, daß der Dichter den <lb n="pst_207.020"/> Rechtsanspruch des Menschen, den neuen Glauben zurückweist <lb n="pst_207.021"/> und mit starrer Treue bei dem Glauben seiner <lb n="pst_207.022"/> Väter verharrt.</p> <lb n="pst_207.023"/> <p> In der Versöhnung beruhigen sich der Dichter und <lb n="pst_207.024"/> das Publikum. Es wäre aber wohl möglich, daß hier das <lb n="pst_207.025"/> Weiterdrängen von neuem einsetzt, daß die weitere <lb n="pst_207.026"/> Welt so gut wie die frühere wieder in Frage gestellt <lb n="pst_207.027"/> wird. Ein Ende ist nicht abzusehen. Denn über ein Endliches <lb n="pst_207.028"/> kommt der Mensch, wie sehr er sich mühe, nie <lb n="pst_207.029"/> hinaus. Und im Endlichen gibt er sich nicht zufrieden. <lb n="pst_207.030"/> So ist es ein Glück für ihn, daß auch die Kräfte seines <lb n="pst_207.031"/> Geistes begrenzt sind, daß er ermattet und aufhört zu </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0211]
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den Rahmen einer Welt zu sprengen, weil sich ihm das pst_207.002
Dasein in einer weiteren Welt zusammenfügt. Dies bedeutet pst_207.003
der Vorgang, den die Ästhetik seit langem «Versöhnung» pst_207.004
nennt. Der Prinz von Homburg wird nach pst_207.005
dem Tod, den er als Romantiker duldet, versöhnt im pst_207.006
Ausblick auf eine Welt, in der kein Gegensatz zwischen pst_207.007
diskursiver Erkenntnis und Intuition mehr besteht. pst_207.008
Wallenstein selbst wird nicht versöhnt, wohl aber der pst_207.009
Zeuge seines Geschicks, der sich vom Dichter auf den pst_207.010
Standpunkt des Idealismus geleitet sieht, sobald der pst_207.011
Grund des irdischen Hoffens und Planens unter den Füßen pst_207.012
schwindet. Mit fast pedantischer Deutlichkeit hat pst_207.013
Hebbel die Sprengung des engern, die Bildung eines pst_207.014
weiteren Rahmens gezeigt, indem er die bürgerliche pst_207.015
Welt in «Maria Magdalene», die Welt des orientalischen pst_207.016
Despotismus in «Herodes und Mariamne», die germanische pst_207.017
Welt in den «Nibelungen» jedesmal in die christliche pst_207.018
auflöst. Im «König Ödipus» von Sophokles aber pst_207.019
gewinnen wir den Eindruck, daß der Dichter den pst_207.020
Rechtsanspruch des Menschen, den neuen Glauben zurückweist pst_207.021
und mit starrer Treue bei dem Glauben seiner pst_207.022
Väter verharrt.
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In der Versöhnung beruhigen sich der Dichter und pst_207.024
das Publikum. Es wäre aber wohl möglich, daß hier das pst_207.025
Weiterdrängen von neuem einsetzt, daß die weitere pst_207.026
Welt so gut wie die frühere wieder in Frage gestellt pst_207.027
wird. Ein Ende ist nicht abzusehen. Denn über ein Endliches pst_207.028
kommt der Mensch, wie sehr er sich mühe, nie pst_207.029
hinaus. Und im Endlichen gibt er sich nicht zufrieden. pst_207.030
So ist es ein Glück für ihn, daß auch die Kräfte seines pst_207.031
Geistes begrenzt sind, daß er ermattet und aufhört zu
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