Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_008.001 Dieser Verzicht ist wohl zu verstehen, solang die Poetik pst_008.017 Wenn es aber kaum möglich ist, das Wesen des lyrischen pst_008.023 Wenn ich ein Drama als lyrisch oder ein Epos - wie pst_008.001 Dieser Verzicht ist wohl zu verstehen, solang die Poetik pst_008.017 Wenn es aber kaum möglich ist, das Wesen des lyrischen pst_008.023 Wenn ich ein Drama als lyrisch oder ein Epos – wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="8"/><lb n="pst_008.001"/> Schwierigkeiten, die kaum zu lösen sind und deren Lösung <lb n="pst_008.002"/> wenig Ersprießliches mehr verspricht. Sie muß – <lb n="pst_008.003"/> um bei der Lyrik zu bleiben – Balladen, Lieder, Hymnen, <lb n="pst_008.004"/> Oden, Sonette, Epigramme miteinander vergleichen, <lb n="pst_008.005"/> jede dieser Arten durch ein bis zwei Jahrtausende <lb n="pst_008.006"/> verfolgen und etwas Gemeinsames als den Gattungsbegriff <lb n="pst_008.007"/> der Lyrik ausfindig machen. Dies aber, was <lb n="pst_008.008"/> dann für alles gilt, kann immer nur etwas Gleichgültiges <lb n="pst_008.009"/> sein. Außerdem verliert es seine Geltung in dem <lb n="pst_008.010"/> Augenblick, da ein neuer Lyriker auftritt und ein noch <lb n="pst_008.011"/> unbekanntes Muster vorlegt. Die Möglichkeit einer Poetik <lb n="pst_008.012"/> ist deshalb nicht selten bestritten worden. Man <lb n="pst_008.013"/> weiß sich etwas damit, dem historischen Wandel «vorurteilslos» <lb n="pst_008.014"/> zu folgen, und lehnt jede Art von Systematik <lb n="pst_008.015"/> als ungehöriges Dogma ab.</p> <lb n="pst_008.016"/> <p> Dieser Verzicht ist wohl zu verstehen, solang die Poetik <lb n="pst_008.017"/> den Anspruch erhebt, alle je geschaffenen Gedichte, <lb n="pst_008.018"/> Epen und Dramen in bereitgestellten Fächern <lb n="pst_008.019"/> unterzubringen. Da kein Gedicht wie das andere ist, <lb n="pst_008.020"/> sind grundsätzlich so viele Fächer nötig, als es Gedichte <lb n="pst_008.021"/> gibt – womit sich die Ordnung selbst aufhebt.</p> <lb n="pst_008.022"/> <p> Wenn es aber kaum möglich ist, das Wesen des lyrischen <lb n="pst_008.023"/> Gedichts, des Epos, des Dramas zu bestimmen, <lb n="pst_008.024"/> ist eine Bestimmung des Lyrischen, Epischen und Dramatischen <lb n="pst_008.025"/> allerdings denkbar. Wir brauchen den Ausdruck <lb n="pst_008.026"/> «lyrisches Drama». «Drama» bedeutet hier eine <lb n="pst_008.027"/> Dichtung, die für die Bühne bestimmt ist, «lyrisch» bedeutet <lb n="pst_008.028"/> ihre Tonart; und diese wird als entscheidender für <lb n="pst_008.029"/> ihr Wesen angesehen als die «Äußerlichkeit der dramatischen <lb n="pst_008.030"/> Form». Wonach wird hier die Gattung bestimmt?</p> <lb n="pst_008.031"/> <p> Wenn ich ein Drama als lyrisch oder ein Epos – wie </p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0012]
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Schwierigkeiten, die kaum zu lösen sind und deren Lösung pst_008.002
wenig Ersprießliches mehr verspricht. Sie muß – pst_008.003
um bei der Lyrik zu bleiben – Balladen, Lieder, Hymnen, pst_008.004
Oden, Sonette, Epigramme miteinander vergleichen, pst_008.005
jede dieser Arten durch ein bis zwei Jahrtausende pst_008.006
verfolgen und etwas Gemeinsames als den Gattungsbegriff pst_008.007
der Lyrik ausfindig machen. Dies aber, was pst_008.008
dann für alles gilt, kann immer nur etwas Gleichgültiges pst_008.009
sein. Außerdem verliert es seine Geltung in dem pst_008.010
Augenblick, da ein neuer Lyriker auftritt und ein noch pst_008.011
unbekanntes Muster vorlegt. Die Möglichkeit einer Poetik pst_008.012
ist deshalb nicht selten bestritten worden. Man pst_008.013
weiß sich etwas damit, dem historischen Wandel «vorurteilslos» pst_008.014
zu folgen, und lehnt jede Art von Systematik pst_008.015
als ungehöriges Dogma ab.
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Dieser Verzicht ist wohl zu verstehen, solang die Poetik pst_008.017
den Anspruch erhebt, alle je geschaffenen Gedichte, pst_008.018
Epen und Dramen in bereitgestellten Fächern pst_008.019
unterzubringen. Da kein Gedicht wie das andere ist, pst_008.020
sind grundsätzlich so viele Fächer nötig, als es Gedichte pst_008.021
gibt – womit sich die Ordnung selbst aufhebt.
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Wenn es aber kaum möglich ist, das Wesen des lyrischen pst_008.023
Gedichts, des Epos, des Dramas zu bestimmen, pst_008.024
ist eine Bestimmung des Lyrischen, Epischen und Dramatischen pst_008.025
allerdings denkbar. Wir brauchen den Ausdruck pst_008.026
«lyrisches Drama». «Drama» bedeutet hier eine pst_008.027
Dichtung, die für die Bühne bestimmt ist, «lyrisch» bedeutet pst_008.028
ihre Tonart; und diese wird als entscheidender für pst_008.029
ihr Wesen angesehen als die «Äußerlichkeit der dramatischen pst_008.030
Form». Wonach wird hier die Gattung bestimmt?
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Wenn ich ein Drama als lyrisch oder ein Epos – wie
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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