Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.pst_103.001 "Aber der Worte, welche die Freier im Zwerchfell bebrütet, pst_103.002 pst_103.004pst_103.003 War nicht lange Zeit unkundig Penelopeia." (Od. IV, 675-6) pst_103.005"Aber wohlan, so lasset uns gehn und schweigend vollenden pst_103.006 pst_103.008pst_103.007 Jenes Wort, das uns im Zwerchfell allen beschlossen." (Od. IV, 776-7) pst_103.009Die Unmöglichkeit einer solchen wörtlichen Übersetzung pst_103.010 Ein Dichter jedoch, der alles anschaut und sich vorstellt, pst_103.016 pst_103.001 «Aber der Worte, welche die Freier im Zwerchfell bebrütet, pst_103.002 pst_103.004pst_103.003 War nicht lange Zeit unkundig Penelopeia.» (Od. IV, 675–6) pst_103.005«Aber wohlan, so lasset uns gehn und schweigend vollenden pst_103.006 pst_103.008pst_103.007 Jenes Wort, das uns im Zwerchfell allen beschlossen.» (Od. IV, 776–7) pst_103.009Die Unmöglichkeit einer solchen wörtlichen Übersetzung pst_103.010 Ein Dichter jedoch, der alles anschaut und sich vorstellt, pst_103.016 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0107" n="103"/> <lb n="pst_103.001"/> <lg> <l>«Aber der Worte, welche die Freier im Zwerchfell be<hi rendition="#et">brütet,</hi></l> <lb n="pst_103.002"/> <lb n="pst_103.003"/> <l>War nicht lange Zeit unkundig Penelopeia.»</l> </lg> <lb n="pst_103.004"/> <p> <hi rendition="#right">(Od. IV, 675–6)</hi> </p> <lb n="pst_103.005"/> <lg> <l>«Aber wohlan, so lasset uns gehn und schweigend voll<hi rendition="#et">enden</hi></l> <lb n="pst_103.006"/> <lb n="pst_103.007"/> <l>Jenes Wort, das uns im Zwerchfell allen beschlossen.»</l> </lg> <lb n="pst_103.008"/> <p> <hi rendition="#right">(Od. IV, 776–7)</hi> </p> <lb n="pst_103.009"/> <p>Die Unmöglichkeit einer solchen wörtlichen Übersetzung <lb n="pst_103.010"/> leuchtet ein. Es lohnt sich aber, im Anschluß an <lb n="pst_103.011"/> den griechischen Text zu zeigen, daß selbst der Gedanke <lb n="pst_103.012"/> hier noch ein Körperding ist, das irgendwo im <lb n="pst_103.013"/> Innern bewahrt wird und dann gelegentlich durch das <lb n="pst_103.014"/> bekannte «Gehege der Zähne» zum Vorschein kommt.</p> <lb n="pst_103.015"/> <p> Ein Dichter jedoch, der alles anschaut und sich vorstellt, <lb n="pst_103.016"/> wird nicht lange in solchen Bereichen verweilen, <lb n="pst_103.017"/> die als Gegenstände darzustellen, immerhin einige <lb n="pst_103.018"/> Mühe bereitet. Er wendet lieber den Blick nach außen – <lb n="pst_103.019"/> denn eine Außenwelt gibt es hier, so wie es jetzt auch <lb n="pst_103.020"/> eine Innenwelt gibt – und betrachtet, was sich dem Auge <lb n="pst_103.021"/> an unermeßlichem Reichtum des Lebens darstellt: <lb n="pst_103.022"/> Waffen, Krieger, Schlachtengetümmel, wunderbare <lb n="pst_103.023"/> Länder und Menschen, das Meer, den Strand, die Tiere <lb n="pst_103.024"/> und Pflanzen, den Hausrat und die Gebilde der Kunst. <lb n="pst_103.025"/> Das bloße Nennen schon und zu sagen: So sieht es aus! <lb n="pst_103.026"/> bereitet ihm Lust. Das Erz ist glänzend, das Meer weinfarben, <lb n="pst_103.027"/> die Trauben sind dunkel, der Schwan ist langhalsig; <lb n="pst_103.028"/> die Rinder sind aufrecht gehörnt, die Schiffe <lb n="pst_103.029"/> hochgeschnäbelt, die Hunde hurtig; die Mädchen sind <lb n="pst_103.030"/> schön gelockt, Hektor ist helmumflattert, Chryseis ist </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0107]
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«Aber der Worte, welche die Freier im Zwerchfell bebrütet, pst_103.002
pst_103.003
War nicht lange Zeit unkundig Penelopeia.»
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(Od. IV, 675–6)
pst_103.005
«Aber wohlan, so lasset uns gehn und schweigend vollenden pst_103.006
pst_103.007
Jenes Wort, das uns im Zwerchfell allen beschlossen.»
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(Od. IV, 776–7)
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Die Unmöglichkeit einer solchen wörtlichen Übersetzung pst_103.010
leuchtet ein. Es lohnt sich aber, im Anschluß an pst_103.011
den griechischen Text zu zeigen, daß selbst der Gedanke pst_103.012
hier noch ein Körperding ist, das irgendwo im pst_103.013
Innern bewahrt wird und dann gelegentlich durch das pst_103.014
bekannte «Gehege der Zähne» zum Vorschein kommt.
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Ein Dichter jedoch, der alles anschaut und sich vorstellt, pst_103.016
wird nicht lange in solchen Bereichen verweilen, pst_103.017
die als Gegenstände darzustellen, immerhin einige pst_103.018
Mühe bereitet. Er wendet lieber den Blick nach außen – pst_103.019
denn eine Außenwelt gibt es hier, so wie es jetzt auch pst_103.020
eine Innenwelt gibt – und betrachtet, was sich dem Auge pst_103.021
an unermeßlichem Reichtum des Lebens darstellt: pst_103.022
Waffen, Krieger, Schlachtengetümmel, wunderbare pst_103.023
Länder und Menschen, das Meer, den Strand, die Tiere pst_103.024
und Pflanzen, den Hausrat und die Gebilde der Kunst. pst_103.025
Das bloße Nennen schon und zu sagen: So sieht es aus! pst_103.026
bereitet ihm Lust. Das Erz ist glänzend, das Meer weinfarben, pst_103.027
die Trauben sind dunkel, der Schwan ist langhalsig; pst_103.028
die Rinder sind aufrecht gehörnt, die Schiffe pst_103.029
hochgeschnäbelt, die Hunde hurtig; die Mädchen sind pst_103.030
schön gelockt, Hektor ist helmumflattert, Chryseis ist
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