Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

sung sahen wir einsmals einen Mann --
gleich einen Engel Gottes -- zu uns kom-
men: der sich -- unsers grosen Elendes ganz
kundig -- liebevoll entschlosse, Eines aus
uns loszukaufen; welch seliges Glük die
Prinzessin Carolina, eine spanische Fürstinn
betroffen hatte. Sie kam in ihrem 16. Jahr
in diese Sklaverey, und mußte 8 Jahr in
derselben leben. -- Sie bat uns vor der
Zeit ihrer Loskaufung, daß, wer am ersten
dieser leiblichen Gefangenschaft befreyt wer-
den sollte, nicht unterlassen wolle, Gott inn-
brünstig um die Erlösung seiner noch unter
dieser Plage seufzenden Mitskaven anzufle-
hen. Nun Sie auf diese christliche Ermah-
nung die erste war, ein Jahr vor uns der
Freyheit zu genießen, wird Sie gewiß in
Jhrem Gebet zu Gott unserer auch gedacht
haben. Bey dieser frohen Ereigniß wurde
unser Glaube und unsre Hofnung aufs neue
belebt und gestärkt, so daß wir voll Zuver-
sicht Gott täglich und stündlich anriefen, uns
nach seinem heiligen Willen auch bald zu be-
freyen.

Endlich wnrde unser Gebet erhöret, und
die Güte des Allerhöchsten erwekte das Herz
unsers Erretters, Herrn Heltenstein, eines
Juwelenhändlers von Amsterdam. Dieser
gieng drey Tage nach einander in der Gegend
spazieren, wo wir arme Sklaven des Tages
Last und Hitze und eine Menge Schläge tru-

gen.

ſung ſahen wir einsmals einen Mann —
gleich einen Engel Gottes — zu uns kom-
men: der ſich — unſers groſen Elendes ganz
kundig — liebevoll entſchloſſe, Eines aus
uns loszukaufen; welch ſeliges Gluͤk die
Prinzeſſin Carolina, eine ſpaniſche Fuͤrſtinn
betroffen hatte. Sie kam in ihrem 16. Jahr
in dieſe Sklaverey, und mußte 8 Jahr in
derſelben leben. — Sie bat uns vor der
Zeit ihrer Loskaufung, daß, wer am erſten
dieſer leiblichen Gefangenſchaft befreyt wer-
den ſollte, nicht unterlaſſen wolle, Gott inn-
bruͤnſtig um die Erloͤſung ſeiner noch unter
dieſer Plage ſeufzenden Mitſkaven anzufle-
hen. Nun Sie auf dieſe chriſtliche Ermah-
nung die erſte war, ein Jahr vor uns der
Freyheit zu genießen, wird Sie gewiß in
Jhrem Gebet zu Gott unſerer auch gedacht
haben. Bey dieſer frohen Ereigniß wurde
unſer Glaube und unſre Hofnung aufs neue
belebt und geſtaͤrkt, ſo daß wir voll Zuver-
ſicht Gott taͤglich und ſtuͤndlich anriefen, uns
nach ſeinem heiligen Willen auch bald zu be-
freyen.

Endlich wnrde unſer Gebet erhoͤret, und
die Guͤte des Allerhoͤchſten erwekte das Herz
unſers Erretters, Herrn Heltenſtein, eines
Juwelenhaͤndlers von Amſterdam. Dieſer
gieng drey Tage nach einander in der Gegend
ſpazieren, wo wir arme Sklaven des Tages
Laſt und Hitze und eine Menge Schlaͤge tru-

gen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="11"/>
&#x017F;ung &#x017F;ahen wir einsmals einen Mann &#x2014;<lb/>
gleich einen Engel Gottes &#x2014; zu uns kom-<lb/>
men: der &#x017F;ich &#x2014; un&#x017F;ers gro&#x017F;en Elendes ganz<lb/>
kundig &#x2014; liebevoll ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e, Eines aus<lb/>
uns loszukaufen; welch &#x017F;eliges Glu&#x0364;k die<lb/>
Prinze&#x017F;&#x017F;in Carolina, eine &#x017F;pani&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;tinn<lb/>
betroffen hatte. Sie kam in ihrem 16. Jahr<lb/>
in die&#x017F;e Sklaverey, und mußte 8 Jahr in<lb/>
der&#x017F;elben leben. &#x2014; Sie bat uns vor der<lb/>
Zeit ihrer Loskaufung, daß, wer am er&#x017F;ten<lb/>
die&#x017F;er leiblichen Gefangen&#x017F;chaft befreyt wer-<lb/>
den &#x017F;ollte, nicht unterla&#x017F;&#x017F;en wolle, Gott inn-<lb/>
bru&#x0364;n&#x017F;tig um die Erlo&#x0364;&#x017F;ung &#x017F;einer noch unter<lb/>
die&#x017F;er Plage &#x017F;eufzenden Mit&#x017F;kaven anzufle-<lb/>
hen. Nun Sie auf die&#x017F;e chri&#x017F;tliche Ermah-<lb/>
nung die er&#x017F;te war, ein Jahr vor uns der<lb/>
Freyheit zu genießen, wird Sie gewiß in<lb/>
Jhrem Gebet zu Gott un&#x017F;erer auch gedacht<lb/>
haben. Bey die&#x017F;er frohen Ereigniß wurde<lb/>
un&#x017F;er Glaube und un&#x017F;re Hofnung aufs neue<lb/>
belebt und ge&#x017F;ta&#x0364;rkt, &#x017F;o daß wir voll Zuver-<lb/>
&#x017F;icht Gott ta&#x0364;glich und &#x017F;tu&#x0364;ndlich anriefen, uns<lb/>
nach &#x017F;einem heiligen Willen auch bald zu be-<lb/>
freyen.</p><lb/>
        <p>Endlich wnrde un&#x017F;er Gebet erho&#x0364;ret, und<lb/>
die Gu&#x0364;te des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten erwekte das Herz<lb/>
un&#x017F;ers Erretters, Herrn <hi rendition="#fr">Helten&#x017F;tein,</hi> eines<lb/>
Juwelenha&#x0364;ndlers von Am&#x017F;terdam. Die&#x017F;er<lb/>
gieng drey Tage nach einander in der Gegend<lb/>
&#x017F;pazieren, wo wir arme Sklaven des Tages<lb/>
La&#x017F;t und Hitze und eine Menge Schla&#x0364;ge tru-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0013] ſung ſahen wir einsmals einen Mann — gleich einen Engel Gottes — zu uns kom- men: der ſich — unſers groſen Elendes ganz kundig — liebevoll entſchloſſe, Eines aus uns loszukaufen; welch ſeliges Gluͤk die Prinzeſſin Carolina, eine ſpaniſche Fuͤrſtinn betroffen hatte. Sie kam in ihrem 16. Jahr in dieſe Sklaverey, und mußte 8 Jahr in derſelben leben. — Sie bat uns vor der Zeit ihrer Loskaufung, daß, wer am erſten dieſer leiblichen Gefangenſchaft befreyt wer- den ſollte, nicht unterlaſſen wolle, Gott inn- bruͤnſtig um die Erloͤſung ſeiner noch unter dieſer Plage ſeufzenden Mitſkaven anzufle- hen. Nun Sie auf dieſe chriſtliche Ermah- nung die erſte war, ein Jahr vor uns der Freyheit zu genießen, wird Sie gewiß in Jhrem Gebet zu Gott unſerer auch gedacht haben. Bey dieſer frohen Ereigniß wurde unſer Glaube und unſre Hofnung aufs neue belebt und geſtaͤrkt, ſo daß wir voll Zuver- ſicht Gott taͤglich und ſtuͤndlich anriefen, uns nach ſeinem heiligen Willen auch bald zu be- freyen. Endlich wnrde unſer Gebet erhoͤret, und die Guͤte des Allerhoͤchſten erwekte das Herz unſers Erretters, Herrn Heltenſtein, eines Juwelenhaͤndlers von Amſterdam. Dieſer gieng drey Tage nach einander in der Gegend ſpazieren, wo wir arme Sklaven des Tages Laſt und Hitze und eine Menge Schlaͤge tru- gen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/staehlein_schneidergesell_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/staehlein_schneidergesell_1783/13
Zitationshilfe: Stählein, Johann Michael: Der reisende Schneidergesell. Erfurt, 1783, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staehlein_schneidergesell_1783/13>, abgerufen am 21.11.2024.