und blitzte mit seinen schwarzen Augen die Base wenig freundlich an.
"Er wird schon wieder gut, komm' jetzt", drängte die Base, "wo sind deine Kleider?"
"Ich komme nicht", sagte Heidi.
"Was sagst du?" fuhr die Base auf; dann änderte sie den Ton ein wenig und fuhr halb freundlich, halb ärger¬ lich weiter: "Komm', komm', du verstehst's nicht besser, du wirst es so gut haben, wie du gar nicht weißt." Dann ging sie an den Schrank, nahm Heidi's Sachen hervor und packte sie zusammen: "So, komm' jetzt, nimm dort dein Hütchen, es sieht nicht schön aus, aber es ist gleich für ein¬ mal, setz' es auf und mach', daß wir fortkommen."
"Ich komme nicht", wiederholte Heidi.
"Sei doch nicht so dumm und störrig, wie eine Gaiß, denen hast du's abgesehen. Begreif' doch nur, jetzt ist der Großvater bös, du hast's ja gehört, daß er gesagt hat, wir sollen ihm nicht mehr vor Augen kommen, er will es nun haben, daß du mit mir gehst, und jetzt mußt du ihn nicht noch böser machen. Du weißt gar nicht, wie schön es ist in Frankfurt und was du Alles sehen wirst, und gefällt es dir dann nicht, so kannst du wieder heimgehen; bis dahin ist der Großvater dann wieder gut."
"Kann ich grad' wieder umkehren und heimkommen heut' Abend?" fragte Heidi.
"Ach was, komm' jetzt! Ich sag' dir's ja, du kannst
und blitzte mit ſeinen ſchwarzen Augen die Baſe wenig freundlich an.
„Er wird ſchon wieder gut, komm' jetzt“, drängte die Baſe, „wo ſind deine Kleider?“
„Ich komme nicht“, ſagte Heidi.
„Was ſagſt du?“ fuhr die Baſe auf; dann änderte ſie den Ton ein wenig und fuhr halb freundlich, halb ärger¬ lich weiter: „Komm', komm', du verſtehſt's nicht beſſer, du wirſt es ſo gut haben, wie du gar nicht weißt.“ Dann ging ſie an den Schrank, nahm Heidi's Sachen hervor und packte ſie zuſammen: „So, komm' jetzt, nimm dort dein Hütchen, es ſieht nicht ſchön aus, aber es iſt gleich für ein¬ mal, ſetz' es auf und mach', daß wir fortkommen.“
„Ich komme nicht“, wiederholte Heidi.
„Sei doch nicht ſo dumm und ſtörrig, wie eine Gaiß, denen haſt du's abgeſehen. Begreif' doch nur, jetzt iſt der Großvater bös, du haſt's ja gehört, daß er geſagt hat, wir ſollen ihm nicht mehr vor Augen kommen, er will es nun haben, daß du mit mir gehſt, und jetzt mußt du ihn nicht noch böſer machen. Du weißt gar nicht, wie ſchön es iſt in Frankfurt und was du Alles ſehen wirſt, und gefällt es dir dann nicht, ſo kannſt du wieder heimgehen; bis dahin iſt der Großvater dann wieder gut.“
„Kann ich grad' wieder umkehren und heimkommen heut' Abend?“ fragte Heidi.
„Ach was, komm' jetzt! Ich ſag' dir's ja, du kannſt
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und blitzte mit ſeinen ſchwarzen Augen die Baſe wenig
freundlich an.
„Er wird ſchon wieder gut, komm' jetzt“, drängte die
Baſe, „wo ſind deine Kleider?“
„Ich komme nicht“, ſagte Heidi.
„Was ſagſt du?“ fuhr die Baſe auf; dann änderte
ſie den Ton ein wenig und fuhr halb freundlich, halb ärger¬
lich weiter: „Komm', komm', du verſtehſt's nicht beſſer, du
wirſt es ſo gut haben, wie du gar nicht weißt.“ Dann
ging ſie an den Schrank, nahm Heidi's Sachen hervor und
packte ſie zuſammen: „So, komm' jetzt, nimm dort dein
Hütchen, es ſieht nicht ſchön aus, aber es iſt gleich für ein¬
mal, ſetz' es auf und mach', daß wir fortkommen.“
„Ich komme nicht“, wiederholte Heidi.
„Sei doch nicht ſo dumm und ſtörrig, wie eine Gaiß,
denen haſt du's abgeſehen. Begreif' doch nur, jetzt iſt der
Großvater bös, du haſt's ja gehört, daß er geſagt hat, wir
ſollen ihm nicht mehr vor Augen kommen, er will es nun
haben, daß du mit mir gehſt, und jetzt mußt du ihn nicht
noch böſer machen. Du weißt gar nicht, wie ſchön es iſt
in Frankfurt und was du Alles ſehen wirſt, und gefällt es
dir dann nicht, ſo kannſt du wieder heimgehen; bis dahin
iſt der Großvater dann wieder gut.“
„Kann ich grad' wieder umkehren und heimkommen heut'
Abend?“ fragte Heidi.
„Ach was, komm' jetzt! Ich ſag' dir's ja, du kannſt
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/92>, abgerufen am 17.02.2025.
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