hier aus zur Schule zu schicken; aber ich kann sehen, das Kind ist Euch lieb, thut um seinetwillen Etwas, das Ihr schon lange hättet thun sollen, kommt wieder in's Dörfli herunter und lebt wieder mit den Menschen. Was ist das für ein Leben hier oben, allein und verbittert gegen Gott und Menschen! Wenn Euch einmal Etwas zustoßen würde hier oben, wer würde Euch beistehen? Ich kann auch gar nicht begreifen, daß Ihr den Winter durch nicht halb er¬ friert in Eurer Hütte und wie das zarte Kind es nur aus¬ halten kann!"
"Das Kind hat junges Blut und eine gute Decke, das möchte ich dem Herrn Pfarrer sagen, und dann noch Eins: ich weiß, wo es Holz gibt, und auch wann die gute Zeit ist, es zu holen, der Herr Pfarrer darf in meinen Schopf hineinsehen, es ist Etwas drinn, in meiner Hütte geht das Feuer nie aus den Winter durch. Was der Herr Pfarrer mit dem Herunterkommen meint, ist nicht für mich; die Menschen da unten verachten mich und ich sie auch, wir bleiben von einander, so ist's Beiden wohl."
"Nein, nein, es ist Euch nicht wohl; ich weiß, was Euch fehlt", sagte der Herr Pfarrer mit herzlichem Ton. "Mit der Verachtung der Menschen dort unten ist es so schlimm nicht. Glaubt mir, Nachbar, sucht Frieden mit Euerm Gott zu machen, bittet um Seine Verzeihung, wo Ihr sie nöthig habt, und dann kommt und seht, wie anders Euch die Men¬ schen ansehen und wie wohl es Euch noch werden kann."
hier aus zur Schule zu ſchicken; aber ich kann ſehen, das Kind iſt Euch lieb, thut um ſeinetwillen Etwas, das Ihr ſchon lange hättet thun ſollen, kommt wieder in's Dörfli herunter und lebt wieder mit den Menſchen. Was iſt das für ein Leben hier oben, allein und verbittert gegen Gott und Menſchen! Wenn Euch einmal Etwas zuſtoßen würde hier oben, wer würde Euch beiſtehen? Ich kann auch gar nicht begreifen, daß Ihr den Winter durch nicht halb er¬ friert in Eurer Hütte und wie das zarte Kind es nur aus¬ halten kann!“
„Das Kind hat junges Blut und eine gute Decke, das möchte ich dem Herrn Pfarrer ſagen, und dann noch Eins: ich weiß, wo es Holz gibt, und auch wann die gute Zeit iſt, es zu holen, der Herr Pfarrer darf in meinen Schopf hineinſehen, es iſt Etwas drinn, in meiner Hütte geht das Feuer nie aus den Winter durch. Was der Herr Pfarrer mit dem Herunterkommen meint, iſt nicht für mich; die Menſchen da unten verachten mich und ich ſie auch, wir bleiben von einander, ſo iſt's Beiden wohl.“
„Nein, nein, es iſt Euch nicht wohl; ich weiß, was Euch fehlt“, ſagte der Herr Pfarrer mit herzlichem Ton. „Mit der Verachtung der Menſchen dort unten iſt es ſo ſchlimm nicht. Glaubt mir, Nachbar, ſucht Frieden mit Euerm Gott zu machen, bittet um Seine Verzeihung, wo Ihr ſie nöthig habt, und dann kommt und ſeht, wie anders Euch die Men¬ ſchen anſehen und wie wohl es Euch noch werden kann.“
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hier aus zur Schule zu ſchicken; aber ich kann ſehen, das
Kind iſt Euch lieb, thut um ſeinetwillen Etwas, das Ihr
ſchon lange hättet thun ſollen, kommt wieder in's Dörfli
herunter und lebt wieder mit den Menſchen. Was iſt das
für ein Leben hier oben, allein und verbittert gegen Gott
und Menſchen! Wenn Euch einmal Etwas zuſtoßen würde
hier oben, wer würde Euch beiſtehen? Ich kann auch gar
nicht begreifen, daß Ihr den Winter durch nicht halb er¬
friert in Eurer Hütte und wie das zarte Kind es nur aus¬
halten kann!“
„Das Kind hat junges Blut und eine gute Decke, das
möchte ich dem Herrn Pfarrer ſagen, und dann noch Eins:
ich weiß, wo es Holz gibt, und auch wann die gute Zeit
iſt, es zu holen, der Herr Pfarrer darf in meinen Schopf
hineinſehen, es iſt Etwas drinn, in meiner Hütte geht das
Feuer nie aus den Winter durch. Was der Herr Pfarrer
mit dem Herunterkommen meint, iſt nicht für mich; die
Menſchen da unten verachten mich und ich ſie auch, wir
bleiben von einander, ſo iſt's Beiden wohl.“
„Nein, nein, es iſt Euch nicht wohl; ich weiß, was Euch
fehlt“, ſagte der Herr Pfarrer mit herzlichem Ton. „Mit
der Verachtung der Menſchen dort unten iſt es ſo ſchlimm
nicht. Glaubt mir, Nachbar, ſucht Frieden mit Euerm Gott
zu machen, bittet um Seine Verzeihung, wo Ihr ſie nöthig
habt, und dann kommt und ſeht, wie anders Euch die Men¬
ſchen anſehen und wie wohl es Euch noch werden kann.“
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/87>, abgerufen am 22.07.2024.
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