hinauf, in dem es auch gleich nachher so fest und herrlich schlief, als nur Einer im schönsten Fürstenbett schlafen konnte. Nicht lange nachher, noch eh' es völlig dunkel war, legte auch der Großvater sich auf sein Lager, denn am Morgen war er immer schon mit der Sonne wieder draußen, und die kam sehr früh über die Berge hereingestiegen in dieser Sommerszeit. In der Nacht kam der Wind so gewaltig, daß bei seinen Stößen die ganze Hütte erzitterte und es in allen Balken krachte; durch den Schornstein heulte und ächzte es wie Jammerstimmen, und in den alten Tannen draußen tobte es mit solcher Wuth, daß hie und da ein Ast niederkrachte. Mitten in der Nacht stand der Gro߬ vater auf und sagte halblaut vor sich hin: "Es wird sich wohl fürchten." Er stieg die Leiter hinauf und trat an Heidi's Lager heran. Der Mond draußen stand einmal hell leuchtend am Himmel, dann fuhren wieder die jagenden Wolken darüber hin und Alles wurde dunkel. Jetzt kam der Mondschein eben leuchtend durch die runde Oeffnung herein und fiel gerade auf Heidi's Lager. Es hatte sich feuerrothe Backen erschlafen unter seiner schweren Decke, und ganz ruhig und friedlich lag es auf seinem runden Aermchen und träumte von etwas Erfreulichem, denn sein Gesichtchen sah ganz wohlgemuth aus. Der Großvater schaute so lange auf das friedlich schlafende Kind, bis der Mond wieder hinter die Wolken kam und es dunkel wurde, dann kehrte er auf sein Lager zurück.
hinauf, in dem es auch gleich nachher ſo feſt und herrlich ſchlief, als nur Einer im ſchönſten Fürſtenbett ſchlafen konnte. Nicht lange nachher, noch eh' es völlig dunkel war, legte auch der Großvater ſich auf ſein Lager, denn am Morgen war er immer ſchon mit der Sonne wieder draußen, und die kam ſehr früh über die Berge hereingeſtiegen in dieſer Sommerszeit. In der Nacht kam der Wind ſo gewaltig, daß bei ſeinen Stößen die ganze Hütte erzitterte und es in allen Balken krachte; durch den Schornſtein heulte und ächzte es wie Jammerſtimmen, und in den alten Tannen draußen tobte es mit ſolcher Wuth, daß hie und da ein Aſt niederkrachte. Mitten in der Nacht ſtand der Gro߬ vater auf und ſagte halblaut vor ſich hin: „Es wird ſich wohl fürchten.“ Er ſtieg die Leiter hinauf und trat an Heidi's Lager heran. Der Mond draußen ſtand einmal hell leuchtend am Himmel, dann fuhren wieder die jagenden Wolken darüber hin und Alles wurde dunkel. Jetzt kam der Mondſchein eben leuchtend durch die runde Oeffnung herein und fiel gerade auf Heidi's Lager. Es hatte ſich feuerrothe Backen erſchlafen unter ſeiner ſchweren Decke, und ganz ruhig und friedlich lag es auf ſeinem runden Aermchen und träumte von etwas Erfreulichem, denn ſein Geſichtchen ſah ganz wohlgemuth aus. Der Großvater ſchaute ſo lange auf das friedlich ſchlafende Kind, bis der Mond wieder hinter die Wolken kam und es dunkel wurde, dann kehrte er auf ſein Lager zurück.
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hinauf, in dem es auch gleich nachher ſo feſt und herrlich
ſchlief, als nur Einer im ſchönſten Fürſtenbett ſchlafen konnte.
Nicht lange nachher, noch eh' es völlig dunkel war, legte
auch der Großvater ſich auf ſein Lager, denn am Morgen
war er immer ſchon mit der Sonne wieder draußen, und
die kam ſehr früh über die Berge hereingeſtiegen in dieſer
Sommerszeit. In der Nacht kam der Wind ſo gewaltig,
daß bei ſeinen Stößen die ganze Hütte erzitterte und es in
allen Balken krachte; durch den Schornſtein heulte und
ächzte es wie Jammerſtimmen, und in den alten Tannen
draußen tobte es mit ſolcher Wuth, daß hie und da ein
Aſt niederkrachte. Mitten in der Nacht ſtand der Gro߬
vater auf und ſagte halblaut vor ſich hin: „Es wird ſich
wohl fürchten.“ Er ſtieg die Leiter hinauf und trat an
Heidi's Lager heran. Der Mond draußen ſtand einmal
hell leuchtend am Himmel, dann fuhren wieder die jagenden
Wolken darüber hin und Alles wurde dunkel. Jetzt kam
der Mondſchein eben leuchtend durch die runde Oeffnung
herein und fiel gerade auf Heidi's Lager. Es hatte ſich
feuerrothe Backen erſchlafen unter ſeiner ſchweren Decke,
und ganz ruhig und friedlich lag es auf ſeinem runden
Aermchen und träumte von etwas Erfreulichem, denn ſein
Geſichtchen ſah ganz wohlgemuth aus. Der Großvater
ſchaute ſo lange auf das friedlich ſchlafende Kind, bis der
Mond wieder hinter die Wolken kam und es dunkel
wurde, dann kehrte er auf ſein Lager zurück.
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/40>, abgerufen am 02.03.2025.
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