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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Iris.
Flügeldecken traf ich unmittelbar vor dem Eingang auf dem Saft-
maal sitzend an. Sie schienen also zu wissen, was das Saftmaal
bedeute, waren aber zu schwach, um sich hineinarbeiten zu
können.

Daß Iris Pseudacorus von Hummeln besücht wird, davon
hatte ich mich auf folgende Art überzeugt. Ich hatte mir einige
Blumen vom Felde geholet, und traf unterweges auf dem Lamium
album
eine Hummel an. Ich näherte derselben meine Blumen,
und sie flog sogleich auf eine von denselben, und kroch in dieselbe
hinein. Weil ich nun hieraus den Schluß machte, daß auch Iris
Xiphium
von Hummeln besucht werde: so begab ich mich in den
jenigen Garten, in welchem dieselbe in ziemlicher Anzahl sich be-
fand. Ich wartete lange auf eine Hummel; es fand sich aber
keine ein. Die Blumen schienen auch noch von keiner Hummel
besucht worden zu seyn, denn das Stigma war in keiner mit
Staube versehen. Um nun meiner Sache gewiß zu werden, be-
gab ich mich mit Einer Blume auf das Feld, und zwar an einen
Ort, wo viel wilde Salbey wächst, welche damals blühete, weil
ich wußte, daß ich dort gewiß Hummeln antreffen würde. Hier
erreichte ich, zu meinem größten Vergnügen, meinen Zweck sehr
bald. Ich fand nemlich eine große Hummel auf der Salbey, ich
näherte derselben meine Iris, und sie setzte sich sogleich auf ein
Drittheil der Blume, und kroch in dasselbe hinein, und hielt sich
lange in demselben auf. Als sie aus demselben wieder herausge-
kommen war, so begab sie sich auf das zweyte Drittheil, und
kroch hinein. In das dritte Drittheil konnte sie anfänglich nicht
hineinkommen. Sie verließ also die Blume, und flog wieder auf
die Salbey. Ich wiederholte meinen Versuch, und nun arbeitete
sie sich auch in das dritte Drittheil hinein.

Die Blume ist eine Zwitterblume. Stellt man sich nun ein
jedes Drittheil derselben als eine besondere Blume vor, so ist
dieselbe auch eine Zwitterblume. Es erhellet aber aus dem Ge-
sagten, daß eine solche Partialblume nicht durch ihren eigenen
Staub, sondern durch den Staub einer andern befruchtet wird.
Hierin sind also diese Blumen den dichogamischen Blumen ähn-
lich. Denn auch diese werden nicht durch ihren eigenen Staub
befruchtet, sondern die älteren Blumen durch den Staub der jün-
geren, oder umgekehrt, die jüngeren durch den Staub der älteren.
Hieraus scheint sich zu ergeben, was ich in der Einleitung gesagt
habe, nemlich daß die Natur nicht will, daß irgend eine Zwitter-
blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werden solle. Ferner
ist die ganze Blume eine aufrechtstehende Blume, und daher re-
gulär. Denn daß ein Drittheil eine andere Struktur haben sollte,
als das andere, davon läßt sich kein Grund gedenken. Daß aber
ein jedes Drittheil, als eine besondere, und zwar zweylippichte,
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Iris.
Blume betrachtet, nicht regulär seyn kann, daß z. B. die untere
Lippe nicht der oberen gleich seyn, nicht diese, sondern jene mit
dem Saftmaal geziert seyn muß, wird man aus dem Gesagten
von selbst einsehen. Endlich siehet man, daß es der Hummel ziem-
lich schwer gemacht ist, zum Saft zu gelangen, so daß sie zuwel-
len wohl gar die Mühe scheuet, die sie beym Hineinkriechen sich
geben muß, und deswegen lieber gar nicht hineinkriecht; man be-
greift aber zugleich, daß dieses nothwendig so seyn mußte, wenn
der Endzweck der Natur, die Befruchtung, sollte erreicht werden
können. Ein ähnlicher Umstand wird bey der Nigella aruensis
vorkommen. Bey der Saluia pratensis haben wir schon gesehen,
daß die hineinkriechende Hummel jedesmal von den Staubgefäßen
gleichsam gepeitscht wird, und sich an dem Stigma stößt, welches
beides ihr eine kleine unangenehme Empfindung verursachen muß.
Bey der Ophrys ouata werden wir sehen, daß das Insekt, wel-
ches die Blume besucht, sich aus derselben einen Kopfschmuck (die
Staubkölbchen) holt, mit welchem ihm gar nicht gedienet ist, da-
her es sich, wiewohl vergebens, bemüht, denselben wieder los
zu werden. So oft nun ein solcher Umstand vorkömmt, so ist er,
wenn man auf denselben gehörig Achtung giebt, ein vortreffliches
Mittel, hinter das Geheimniß der Befruchtung zu kommen.
Sieht man also, daß ein Insekt, indem es in eine Blume hinein-
kriecht, um zum Saft zu gelangen, oder indem es den Saft ge-
nießt, von den Staubgefäßen oder dem Griffel auf allerley Art
gleichsam geneckt wird, daß es den Kopf und die Augen voller
Staub bekömmt, und daher mit den Vorderfüßen denselben wie-
der abstreift, weil es durch denselben verhindert wird, zu sehen,
daß es wohl gar von irgend einem Theil festgehalten wird, oder
an demselben kleben bleibt, so daß es entweder jämmerlich ster-
ben, oder mit Verlust eines Beins sich retten muß, oder daß es,
wie in der Osterluzey, in einer Blume, als in einem Gefängniß,
eingesperrt wird: so halte man dieses keinesweges für einen zweck-
losen Zufall, sondern vielmehr für einen wesentlichen Theil des
Plans, welchen die Natur bey der Einrichtung der Blumen vor
Augen hatte, und suche denselben zu erforschen, und man wird
die herrlichsten Entdeckungen machen.

Noch einen Umstand muß ich nicht unberührt lassen. Der
Eingang in die Blume, welchen die Natur der Hummel ange-
wiesen hat, und welchen diese auch wirklich wählet, ist nicht nur,
ungeachtet die Hummel sich Mühe geben muß, um hineinzukom-
men, der leichteste, sondern auch, wenn sie nicht, wie zuweilen
bey manchen Blumen geschieht, Gewalt gebrauchen, und sich
über dem Safthalter ein Loch in die Krone beißen will, der einzige
mögliche Eingang für dieselbe. Denn gesetzt, sie wollte sich an
das Saftmaal nicht kehren, fondern von der Seite zwischen das

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Iris.
Fluͤgeldecken traf ich unmittelbar vor dem Eingang auf dem Saft-
maal ſitzend an. Sie ſchienen alſo zu wiſſen, was das Saftmaal
bedeute, waren aber zu ſchwach, um ſich hineinarbeiten zu
koͤnnen.

Daß Iris Pſeudacorus von Hummeln beſuͤcht wird, davon
hatte ich mich auf folgende Art uͤberzeugt. Ich hatte mir einige
Blumen vom Felde geholet, und traf unterweges auf dem Lamium
album
eine Hummel an. Ich naͤherte derſelben meine Blumen,
und ſie flog ſogleich auf eine von denſelben, und kroch in dieſelbe
hinein. Weil ich nun hieraus den Schluß machte, daß auch Iris
Xiphium
von Hummeln beſucht werde: ſo begab ich mich in den
jenigen Garten, in welchem dieſelbe in ziemlicher Anzahl ſich be-
fand. Ich wartete lange auf eine Hummel; es fand ſich aber
keine ein. Die Blumen ſchienen auch noch von keiner Hummel
beſucht worden zu ſeyn, denn das Stigma war in keiner mit
Staube verſehen. Um nun meiner Sache gewiß zu werden, be-
gab ich mich mit Einer Blume auf das Feld, und zwar an einen
Ort, wo viel wilde Salbey waͤchſt, welche damals bluͤhete, weil
ich wußte, daß ich dort gewiß Hummeln antreffen wuͤrde. Hier
erreichte ich, zu meinem groͤßten Vergnuͤgen, meinen Zweck ſehr
bald. Ich fand nemlich eine große Hummel auf der Salbey, ich
naͤherte derſelben meine Iris, und ſie ſetzte ſich ſogleich auf ein
Drittheil der Blume, und kroch in daſſelbe hinein, und hielt ſich
lange in demſelben auf. Als ſie aus demſelben wieder herausge-
kommen war, ſo begab ſie ſich auf das zweyte Drittheil, und
kroch hinein. In das dritte Drittheil konnte ſie anfaͤnglich nicht
hineinkommen. Sie verließ alſo die Blume, und flog wieder auf
die Salbey. Ich wiederholte meinen Verſuch, und nun arbeitete
ſie ſich auch in das dritte Drittheil hinein.

Die Blume iſt eine Zwitterblume. Stellt man ſich nun ein
jedes Drittheil derſelben als eine beſondere Blume vor, ſo iſt
dieſelbe auch eine Zwitterblume. Es erhellet aber aus dem Ge-
ſagten, daß eine ſolche Partialblume nicht durch ihren eigenen
Staub, ſondern durch den Staub einer andern befruchtet wird.
Hierin ſind alſo dieſe Blumen den dichogamiſchen Blumen aͤhn-
lich. Denn auch dieſe werden nicht durch ihren eigenen Staub
befruchtet, ſondern die aͤlteren Blumen durch den Staub der juͤn-
geren, oder umgekehrt, die juͤngeren durch den Staub der aͤlteren.
Hieraus ſcheint ſich zu ergeben, was ich in der Einleitung geſagt
habe, nemlich daß die Natur nicht will, daß irgend eine Zwitter-
blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werden ſolle. Ferner
iſt die ganze Blume eine aufrechtſtehende Blume, und daher re-
gulaͤr. Denn daß ein Drittheil eine andere Struktur haben ſollte,
als das andere, davon laͤßt ſich kein Grund gedenken. Daß aber
ein jedes Drittheil, als eine beſondere, und zwar zweylippichte,
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Iris.
Blume betrachtet, nicht regulaͤr ſeyn kann, daß z. B. die untere
Lippe nicht der oberen gleich ſeyn, nicht dieſe, ſondern jene mit
dem Saftmaal geziert ſeyn muß, wird man aus dem Geſagten
von ſelbſt einſehen. Endlich ſiehet man, daß es der Hummel ziem-
lich ſchwer gemacht iſt, zum Saft zu gelangen, ſo daß ſie zuwel-
len wohl gar die Muͤhe ſcheuet, die ſie beym Hineinkriechen ſich
geben muß, und deswegen lieber gar nicht hineinkriecht; man be-
greift aber zugleich, daß dieſes nothwendig ſo ſeyn mußte, wenn
der Endzweck der Natur, die Befruchtung, ſollte erreicht werden
koͤnnen. Ein aͤhnlicher Umſtand wird bey der Nigella aruenſis
vorkommen. Bey der Saluia pratenſis haben wir ſchon geſehen,
daß die hineinkriechende Hummel jedesmal von den Staubgefaͤßen
gleichſam gepeitſcht wird, und ſich an dem Stigma ſtoͤßt, welches
beides ihr eine kleine unangenehme Empfindung verurſachen muß.
Bey der Ophrys ouata werden wir ſehen, daß das Inſekt, wel-
ches die Blume beſucht, ſich aus derſelben einen Kopfſchmuck (die
Staubkoͤlbchen) holt, mit welchem ihm gar nicht gedienet iſt, da-
her es ſich, wiewohl vergebens, bemuͤht, denſelben wieder los
zu werden. So oft nun ein ſolcher Umſtand vorkoͤmmt, ſo iſt er,
wenn man auf denſelben gehoͤrig Achtung giebt, ein vortreffliches
Mittel, hinter das Geheimniß der Befruchtung zu kommen.
Sieht man alſo, daß ein Inſekt, indem es in eine Blume hinein-
kriecht, um zum Saft zu gelangen, oder indem es den Saft ge-
nießt, von den Staubgefaͤßen oder dem Griffel auf allerley Art
gleichſam geneckt wird, daß es den Kopf und die Augen voller
Staub bekoͤmmt, und daher mit den Vorderfuͤßen denſelben wie-
der abſtreift, weil es durch denſelben verhindert wird, zu ſehen,
daß es wohl gar von irgend einem Theil feſtgehalten wird, oder
an demſelben kleben bleibt, ſo daß es entweder jaͤmmerlich ſter-
ben, oder mit Verluſt eines Beins ſich retten muß, oder daß es,
wie in der Oſterluzey, in einer Blume, als in einem Gefaͤngniß,
eingeſperrt wird: ſo halte man dieſes keinesweges fuͤr einen zweck-
loſen Zufall, ſondern vielmehr fuͤr einen weſentlichen Theil des
Plans, welchen die Natur bey der Einrichtung der Blumen vor
Augen hatte, und ſuche denſelben zu erforſchen, und man wird
die herrlichſten Entdeckungen machen.

Noch einen Umſtand muß ich nicht unberuͤhrt laſſen. Der
Eingang in die Blume, welchen die Natur der Hummel ange-
wieſen hat, und welchen dieſe auch wirklich waͤhlet, iſt nicht nur,
ungeachtet die Hummel ſich Muͤhe geben muß, um hineinzukom-
men, der leichteſte, ſondern auch, wenn ſie nicht, wie zuweilen
bey manchen Blumen geſchieht, Gewalt gebrauchen, und ſich
uͤber dem Safthalter ein Loch in die Krone beißen will, der einzige
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[[50]/0050] Iris. Iris. Fluͤgeldecken traf ich unmittelbar vor dem Eingang auf dem Saft- maal ſitzend an. Sie ſchienen alſo zu wiſſen, was das Saftmaal bedeute, waren aber zu ſchwach, um ſich hineinarbeiten zu koͤnnen. Daß Iris Pſeudacorus von Hummeln beſuͤcht wird, davon hatte ich mich auf folgende Art uͤberzeugt. Ich hatte mir einige Blumen vom Felde geholet, und traf unterweges auf dem Lamium album eine Hummel an. Ich naͤherte derſelben meine Blumen, und ſie flog ſogleich auf eine von denſelben, und kroch in dieſelbe hinein. Weil ich nun hieraus den Schluß machte, daß auch Iris Xiphium von Hummeln beſucht werde: ſo begab ich mich in den jenigen Garten, in welchem dieſelbe in ziemlicher Anzahl ſich be- fand. Ich wartete lange auf eine Hummel; es fand ſich aber keine ein. Die Blumen ſchienen auch noch von keiner Hummel beſucht worden zu ſeyn, denn das Stigma war in keiner mit Staube verſehen. 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Es erhellet aber aus dem Ge- ſagten, daß eine ſolche Partialblume nicht durch ihren eigenen Staub, ſondern durch den Staub einer andern befruchtet wird. Hierin ſind alſo dieſe Blumen den dichogamiſchen Blumen aͤhn- lich. Denn auch dieſe werden nicht durch ihren eigenen Staub befruchtet, ſondern die aͤlteren Blumen durch den Staub der juͤn- geren, oder umgekehrt, die juͤngeren durch den Staub der aͤlteren. Hieraus ſcheint ſich zu ergeben, was ich in der Einleitung geſagt habe, nemlich daß die Natur nicht will, daß irgend eine Zwitter- blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werden ſolle. Ferner iſt die ganze Blume eine aufrechtſtehende Blume, und daher re- gulaͤr. Denn daß ein Drittheil eine andere Struktur haben ſollte, als das andere, davon laͤßt ſich kein Grund gedenken. Daß aber ein jedes Drittheil, als eine beſondere, und zwar zweylippichte, Blume betrachtet, nicht regulaͤr ſeyn kann, daß z. 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Bey der Ophrys ouata werden wir ſehen, daß das Inſekt, wel- ches die Blume beſucht, ſich aus derſelben einen Kopfſchmuck (die Staubkoͤlbchen) holt, mit welchem ihm gar nicht gedienet iſt, da- her es ſich, wiewohl vergebens, bemuͤht, denſelben wieder los zu werden. So oft nun ein ſolcher Umſtand vorkoͤmmt, ſo iſt er, wenn man auf denſelben gehoͤrig Achtung giebt, ein vortreffliches Mittel, hinter das Geheimniß der Befruchtung zu kommen. 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Der Eingang in die Blume, welchen die Natur der Hummel ange- wieſen hat, und welchen dieſe auch wirklich waͤhlet, iſt nicht nur, ungeachtet die Hummel ſich Muͤhe geben muß, um hineinzukom- men, der leichteſte, ſondern auch, wenn ſie nicht, wie zuweilen bey manchen Blumen geſchieht, Gewalt gebrauchen, und ſich uͤber dem Safthalter ein Loch in die Krone beißen will, der einzige moͤgliche Eingang fuͤr dieſelbe. Denn geſetzt, ſie wollte ſich an das Saftmaal nicht kehren, fondern von der Seite zwiſchen das

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [50]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/50>, abgerufen am 27.11.2024.