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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Nigella.

5. Die Blume hat acht Reihen von Staubgesäßen, welche
zwischen den Saftmaschinen befindlich sind. Jede Reihe enthält
ihrer sechs, welche dicht hinter einander stehen. Wann die Blume
aufgebrochen ist, und ihre Krone aus einander gebreitet hat, so
stehen alle Staubgefäße aufrecht, und sind ganz gerade, und die
Antheren haben sich noch nicht geöffnet, wie in Fig. 4. in jeder
Reihe eines, in Fig. 22. aber in jeder Reihe viere. Am ersten
Tage krümmt sich hierauf das vorderste jeder Reihe, so daß der
unterste Theil desselben seine aufrechte Stellung behält, der oberste
aber eine horizontale bekömmt. Seine Anthere bekömmt auf der
unteren Seite der Länge nach zwey Ritzen, aus welchen der Staub
hervorquillt, und die untere Seite ganz bedeckt. Am folgenden
Tage hat sich dasselbe horizontal gestreckt, und das zweyte jeder
Reihe thut nun eben das, was das erste am vorhergehenden Tage
that. Fig. 22. stellt eine Blume vor, welche zwey Tage alt ist.
Man sieht sechs horizontal gestreckte Staubgefäße (die beiden hin-
tersten werden von der Blume verdeckt) und sieben gekrümmte
(das hinterste wird von der Blume verdeckt). Am dritten Tage
ist das zweyte Staubgefäß jeder Reihe auch gestreckt, und das
dritte gekrümmt mit staubvoller Anthere. In Fig. 4. sieht man
eine Blume, welche fünf Tage alt ist. Die vier vordersten
Staubgefäße jeder Reihe sind horizontal gestreckt, das fünfte ist
gekrümmt, das sechste steht noch aufrecht. Am siebenten Tage
findet man alle acht und vierzig Staubgefäße gestreckt.

Die fünf Griffel stehen anfangs aufrecht, und sind gerade.
Das Stigma hat das Ansehen einer Nath, welche auf der inne-
ren Seite derselben sich befindet, und sich von der Basis derselben
bis an ihr Ende erstreckt. Am folgenden Tage haben sich diesel-
ben theils ein wenig gekrümmt, theils ein wenig schneckenförmig
gedrehet, Fig. 22. Sie fahren fort sich zu krümmen und zu dre-
hen, so daß sie, wann die Staubgefäße beynahe verblühet sind,
ungefähr horizontal stehen, und der größte Theil ihres Stigma
auf der unteren Seite befindlich ist, Fig. 4. Fig. 11. stellt einen
Griffel der Blume Fig. 4., von oben gesehen, vor. Man sieht
hier den Theil des Stigma a b und c d, aber den grösseren mit-
telsten Theil desselben b c sieht man nicht, weil er sich auf der
unteren Seite des Griffels befindet. Nachdem die Staubgefäße
sich sämtlich gestreckt haben, so krümmen und drehen sich die Grif-
fel immer mehr, wie Tab. XXIV. Fig. 9. zeigt. Diese Gestalt
behalten sie ungefähr drey oder vier Tage. Hierauf strecken sie
sich wieder grade in die Höhe, und die Blume verliert alsdenn
die Kronenblätter, die Staubgefäße und die Saftmaschinen, und
hat die in Tab. XXIV. Fig. 5. abgebildete Gestalt.

Als ich im Sommer 1789 Bienen auf der Blume antraf, so
bemerkte ich, daß sie mit dem Rücken immer an die blühenden
[Spaltenumbruch]

Nigella.
oder staubvollen Antheren stießen. Ich bemerkte dies mit einem
kleinen Mißfallen. Warum, dachte ich, müssen denn diese Thier-
chen, indem sie ihrer Nahrung nachgehen, immer die Antheren
im Wege finden, und warum können sie nicht vielmehr ungehin-
dert unter denselben herumlaufen? Weil ich aber überzeugt war,
daß man auch den geringsten Umstand, den man in einer Blume
antrifft, nicht für unwichtig halten müsse, am wenigsten aber,
wenn sich derselbe auf die Insekten bezieht, welche die Blume be-
suchen: so dachte ich über diesen bemerkten Umstand nach, und
ich warf bey mir die Frage auf, ob derselbe nicht vielleicht eine
Veranstaltung der Natur seyn, und sich auf die Befruchtung
der Blume beziehen möchte. Ein anderer Umstand, daß nemlich
die Antheren den Staub auf der unteren, also der von den Stig-
maten abgewendeten Seite haben, brachte mich bald auf die
rechte Spur. Denn der Antherenstaub kann nicht auf die Stig-
mate fallen, da dieselben höher stehen, und wenu er vom Winde
auf dieselben gebracht werden sollte, so würde es zweckmäßiger
seyn, daß derselbe sich auf der oberen Seite der Antheren befände.
Sollten also wohl, dachte ich, die Bienen bloß deswegen an die
Antheren stoßen müssen, damit sie den Staub von denselben ab-
streifen, und dieser dadurch auf die Stigmate gebracht werde?
Aber wie wird er auf die Stigmate gebracht, da dieselben doch
ein wenig höher stehen, als die Antheren, folglich von dem be-
stäubten Rücken der Bienen nicht berührt werden? Ich nahm
also einen wollenen Lappen, rieb mit demselben die untere Seite
der Antheren, und sahe, weil meine Erwartung sehr gespannt
war, mit Erstaunen, daß einige Staubtheilchen sich mit der größ-
ten Schnelligkeit von allen Seiten, besonders aber in die Höhe,
verbreiteten. Sie glichen hierin völlig den Feuerfunken, welche
man mit einem Stahl aus einem Feuerstein schlägt. Wenn,
dachte ich also, eine Biene diesen Staub abstreift, so fährt ein
Theil desselben auf das Stigma, und bleibt auf demselben sitzen.

So schloß ich im Sommer 1789. Im folgenden Sommer
aber fand ich, daß ich mich dennoch zum Theil geirrt hatte, und
daß zwar die Bienen die Blume befruchten, aber auf eine ganz
andere Art, als ich mir vorgestellt hatte. Nachdem ich nemlich
die dichogamische Befruchtungsart des Epilobium angustifolium
entdeckt hatte, nachdem ich hierauf gefunden hatte, daß eben die-
selbe bey dem Delphinium Aiacis und dem Aconitum Napellus
Statt findet: so vermuthete ich, daß, weil Nigella mit den bei-
den letzteren zu Einer Klasse gehört, auch sie auf die nemliche Art
befruchtet werde. Der Augenschein überzeugte mich sogleich, daß
ich mich hierin nicht irrte. Denn ich fand, daß die Blume,
nachdem die Staubgefäße sich sämtlich gestreckt hatten, noch nicht
verblühet war, sondern noch drey oder vier Tage zu blühen fort-

[Spaltenumbruch]
Nigella.

5. Die Blume hat acht Reihen von Staubgeſaͤßen, welche
zwiſchen den Saftmaſchinen befindlich ſind. Jede Reihe enthaͤlt
ihrer ſechs, welche dicht hinter einander ſtehen. Wann die Blume
aufgebrochen iſt, und ihre Krone aus einander gebreitet hat, ſo
ſtehen alle Staubgefaͤße aufrecht, und ſind ganz gerade, und die
Antheren haben ſich noch nicht geoͤffnet, wie in Fig. 4. in jeder
Reihe eines, in Fig. 22. aber in jeder Reihe viere. Am erſten
Tage kruͤmmt ſich hierauf das vorderſte jeder Reihe, ſo daß der
unterſte Theil deſſelben ſeine aufrechte Stellung behaͤlt, der oberſte
aber eine horizontale bekoͤmmt. Seine Anthere bekoͤmmt auf der
unteren Seite der Laͤnge nach zwey Ritzen, aus welchen der Staub
hervorquillt, und die untere Seite ganz bedeckt. Am folgenden
Tage hat ſich daſſelbe horizontal geſtreckt, und das zweyte jeder
Reihe thut nun eben das, was das erſte am vorhergehenden Tage
that. Fig. 22. ſtellt eine Blume vor, welche zwey Tage alt iſt.
Man ſieht ſechs horizontal geſtreckte Staubgefaͤße (die beiden hin-
terſten werden von der Blume verdeckt) und ſieben gekruͤmmte
(das hinterſte wird von der Blume verdeckt). Am dritten Tage
iſt das zweyte Staubgefaͤß jeder Reihe auch geſtreckt, und das
dritte gekruͤmmt mit ſtaubvoller Anthere. In Fig. 4. ſieht man
eine Blume, welche fuͤnf Tage alt iſt. Die vier vorderſten
Staubgefaͤße jeder Reihe ſind horizontal geſtreckt, das fuͤnfte iſt
gekruͤmmt, das ſechste ſteht noch aufrecht. Am ſiebenten Tage
findet man alle acht und vierzig Staubgefaͤße geſtreckt.

Die fuͤnf Griffel ſtehen anfangs aufrecht, und ſind gerade.
Das Stigma hat das Anſehen einer Nath, welche auf der inne-
ren Seite derſelben ſich befindet, und ſich von der Baſis derſelben
bis an ihr Ende erſtreckt. Am folgenden Tage haben ſich dieſel-
ben theils ein wenig gekruͤmmt, theils ein wenig ſchneckenfoͤrmig
gedrehet, Fig. 22. Sie fahren fort ſich zu kruͤmmen und zu dre-
hen, ſo daß ſie, wann die Staubgefaͤße beynahe verbluͤhet ſind,
ungefaͤhr horizontal ſtehen, und der groͤßte Theil ihres Stigma
auf der unteren Seite befindlich iſt, Fig. 4. Fig. 11. ſtellt einen
Griffel der Blume Fig. 4., von oben geſehen, vor. Man ſieht
hier den Theil des Stigma a b und c d, aber den groͤſſeren mit-
telſten Theil deſſelben b c ſieht man nicht, weil er ſich auf der
unteren Seite des Griffels befindet. Nachdem die Staubgefaͤße
ſich ſaͤmtlich geſtreckt haben, ſo kruͤmmen und drehen ſich die Grif-
fel immer mehr, wie Tab. XXIV. Fig. 9. zeigt. Dieſe Geſtalt
behalten ſie ungefaͤhr drey oder vier Tage. Hierauf ſtrecken ſie
ſich wieder grade in die Hoͤhe, und die Blume verliert alsdenn
die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen, und
hat die in Tab. XXIV. Fig. 5. abgebildete Geſtalt.

Als ich im Sommer 1789 Bienen auf der Blume antraf, ſo
bemerkte ich, daß ſie mit dem Ruͤcken immer an die bluͤhenden
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Nigella.
oder ſtaubvollen Antheren ſtießen. Ich bemerkte dies mit einem
kleinen Mißfallen. Warum, dachte ich, muͤſſen denn dieſe Thier-
chen, indem ſie ihrer Nahrung nachgehen, immer die Antheren
im Wege finden, und warum koͤnnen ſie nicht vielmehr ungehin-
dert unter denſelben herumlaufen? Weil ich aber uͤberzeugt war,
daß man auch den geringſten Umſtand, den man in einer Blume
antrifft, nicht fuͤr unwichtig halten muͤſſe, am wenigſten aber,
wenn ſich derſelbe auf die Inſekten bezieht, welche die Blume be-
ſuchen: ſo dachte ich uͤber dieſen bemerkten Umſtand nach, und
ich warf bey mir die Frage auf, ob derſelbe nicht vielleicht eine
Veranſtaltung der Natur ſeyn, und ſich auf die Befruchtung
der Blume beziehen moͤchte. Ein anderer Umſtand, daß nemlich
die Antheren den Staub auf der unteren, alſo der von den Stig-
maten abgewendeten Seite haben, brachte mich bald auf die
rechte Spur. Denn der Antherenſtaub kann nicht auf die Stig-
mate fallen, da dieſelben hoͤher ſtehen, und wenu er vom Winde
auf dieſelben gebracht werden ſollte, ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger
ſeyn, daß derſelbe ſich auf der oberen Seite der Antheren befaͤnde.
Sollten alſo wohl, dachte ich, die Bienen bloß deswegen an die
Antheren ſtoßen muͤſſen, damit ſie den Staub von denſelben ab-
ſtreifen, und dieſer dadurch auf die Stigmate gebracht werde?
Aber wie wird er auf die Stigmate gebracht, da dieſelben doch
ein wenig hoͤher ſtehen, als die Antheren, folglich von dem be-
ſtaͤubten Ruͤcken der Bienen nicht beruͤhrt werden? Ich nahm
alſo einen wollenen Lappen, rieb mit demſelben die untere Seite
der Antheren, und ſahe, weil meine Erwartung ſehr geſpannt
war, mit Erſtaunen, daß einige Staubtheilchen ſich mit der groͤß-
ten Schnelligkeit von allen Seiten, beſonders aber in die Hoͤhe,
verbreiteten. Sie glichen hierin voͤllig den Feuerfunken, welche
man mit einem Stahl aus einem Feuerſtein ſchlaͤgt. Wenn,
dachte ich alſo, eine Biene dieſen Staub abſtreift, ſo faͤhrt ein
Theil deſſelben auf das Stigma, und bleibt auf demſelben ſitzen.

So ſchloß ich im Sommer 1789. Im folgenden Sommer
aber fand ich, daß ich mich dennoch zum Theil geirrt hatte, und
daß zwar die Bienen die Blume befruchten, aber auf eine ganz
andere Art, als ich mir vorgeſtellt hatte. Nachdem ich nemlich
die dichogamiſche Befruchtungsart des Epilobium anguſtifolium
entdeckt hatte, nachdem ich hierauf gefunden hatte, daß eben die-
ſelbe bey dem Delphinium Aiacis und dem Aconitum Napellus
Statt findet: ſo vermuthete ich, daß, weil Nigella mit den bei-
den letzteren zu Einer Klaſſe gehoͤrt, auch ſie auf die nemliche Art
befruchtet werde. Der Augenſchein uͤberzeugte mich ſogleich, daß
ich mich hierin nicht irrte. Denn ich fand, daß die Blume,
nachdem die Staubgefaͤße ſich ſaͤmtlich geſtreckt hatten, noch nicht
verbluͤhet war, ſondern noch drey oder vier Tage zu bluͤhen fort-

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[[154]/0154] Nigella. Nigella. 5. Die Blume hat acht Reihen von Staubgeſaͤßen, welche zwiſchen den Saftmaſchinen befindlich ſind. Jede Reihe enthaͤlt ihrer ſechs, welche dicht hinter einander ſtehen. Wann die Blume aufgebrochen iſt, und ihre Krone aus einander gebreitet hat, ſo ſtehen alle Staubgefaͤße aufrecht, und ſind ganz gerade, und die Antheren haben ſich noch nicht geoͤffnet, wie in Fig. 4. in jeder Reihe eines, in Fig. 22. aber in jeder Reihe viere. Am erſten Tage kruͤmmt ſich hierauf das vorderſte jeder Reihe, ſo daß der unterſte Theil deſſelben ſeine aufrechte Stellung behaͤlt, der oberſte aber eine horizontale bekoͤmmt. Seine Anthere bekoͤmmt auf der unteren Seite der Laͤnge nach zwey Ritzen, aus welchen der Staub hervorquillt, und die untere Seite ganz bedeckt. Am folgenden Tage hat ſich daſſelbe horizontal geſtreckt, und das zweyte jeder Reihe thut nun eben das, was das erſte am vorhergehenden Tage that. Fig. 22. ſtellt eine Blume vor, welche zwey Tage alt iſt. Man ſieht ſechs horizontal geſtreckte Staubgefaͤße (die beiden hin- terſten werden von der Blume verdeckt) und ſieben gekruͤmmte (das hinterſte wird von der Blume verdeckt). Am dritten Tage iſt das zweyte Staubgefaͤß jeder Reihe auch geſtreckt, und das dritte gekruͤmmt mit ſtaubvoller Anthere. In Fig. 4. ſieht man eine Blume, welche fuͤnf Tage alt iſt. Die vier vorderſten Staubgefaͤße jeder Reihe ſind horizontal geſtreckt, das fuͤnfte iſt gekruͤmmt, das ſechste ſteht noch aufrecht. Am ſiebenten Tage findet man alle acht und vierzig Staubgefaͤße geſtreckt. Die fuͤnf Griffel ſtehen anfangs aufrecht, und ſind gerade. Das Stigma hat das Anſehen einer Nath, welche auf der inne- ren Seite derſelben ſich befindet, und ſich von der Baſis derſelben bis an ihr Ende erſtreckt. Am folgenden Tage haben ſich dieſel- ben theils ein wenig gekruͤmmt, theils ein wenig ſchneckenfoͤrmig gedrehet, Fig. 22. Sie fahren fort ſich zu kruͤmmen und zu dre- hen, ſo daß ſie, wann die Staubgefaͤße beynahe verbluͤhet ſind, ungefaͤhr horizontal ſtehen, und der groͤßte Theil ihres Stigma auf der unteren Seite befindlich iſt, Fig. 4. Fig. 11. ſtellt einen Griffel der Blume Fig. 4., von oben geſehen, vor. Man ſieht hier den Theil des Stigma a b und c d, aber den groͤſſeren mit- telſten Theil deſſelben b c ſieht man nicht, weil er ſich auf der unteren Seite des Griffels befindet. Nachdem die Staubgefaͤße ſich ſaͤmtlich geſtreckt haben, ſo kruͤmmen und drehen ſich die Grif- fel immer mehr, wie Tab. XXIV. Fig. 9. zeigt. Dieſe Geſtalt behalten ſie ungefaͤhr drey oder vier Tage. Hierauf ſtrecken ſie ſich wieder grade in die Hoͤhe, und die Blume verliert alsdenn die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen, und hat die in Tab. XXIV. Fig. 5. abgebildete Geſtalt. Als ich im Sommer 1789 Bienen auf der Blume antraf, ſo bemerkte ich, daß ſie mit dem Ruͤcken immer an die bluͤhenden oder ſtaubvollen Antheren ſtießen. Ich bemerkte dies mit einem kleinen Mißfallen. Warum, dachte ich, muͤſſen denn dieſe Thier- chen, indem ſie ihrer Nahrung nachgehen, immer die Antheren im Wege finden, und warum koͤnnen ſie nicht vielmehr ungehin- dert unter denſelben herumlaufen? Weil ich aber uͤberzeugt war, daß man auch den geringſten Umſtand, den man in einer Blume antrifft, nicht fuͤr unwichtig halten muͤſſe, am wenigſten aber, wenn ſich derſelbe auf die Inſekten bezieht, welche die Blume be- ſuchen: ſo dachte ich uͤber dieſen bemerkten Umſtand nach, und ich warf bey mir die Frage auf, ob derſelbe nicht vielleicht eine Veranſtaltung der Natur ſeyn, und ſich auf die Befruchtung der Blume beziehen moͤchte. Ein anderer Umſtand, daß nemlich die Antheren den Staub auf der unteren, alſo der von den Stig- maten abgewendeten Seite haben, brachte mich bald auf die rechte Spur. Denn der Antherenſtaub kann nicht auf die Stig- mate fallen, da dieſelben hoͤher ſtehen, und wenu er vom Winde auf dieſelben gebracht werden ſollte, ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger ſeyn, daß derſelbe ſich auf der oberen Seite der Antheren befaͤnde. Sollten alſo wohl, dachte ich, die Bienen bloß deswegen an die Antheren ſtoßen muͤſſen, damit ſie den Staub von denſelben ab- ſtreifen, und dieſer dadurch auf die Stigmate gebracht werde? Aber wie wird er auf die Stigmate gebracht, da dieſelben doch ein wenig hoͤher ſtehen, als die Antheren, folglich von dem be- ſtaͤubten Ruͤcken der Bienen nicht beruͤhrt werden? Ich nahm alſo einen wollenen Lappen, rieb mit demſelben die untere Seite der Antheren, und ſahe, weil meine Erwartung ſehr geſpannt war, mit Erſtaunen, daß einige Staubtheilchen ſich mit der groͤß- ten Schnelligkeit von allen Seiten, beſonders aber in die Hoͤhe, verbreiteten. Sie glichen hierin voͤllig den Feuerfunken, welche man mit einem Stahl aus einem Feuerſtein ſchlaͤgt. Wenn, dachte ich alſo, eine Biene dieſen Staub abſtreift, ſo faͤhrt ein Theil deſſelben auf das Stigma, und bleibt auf demſelben ſitzen. So ſchloß ich im Sommer 1789. Im folgenden Sommer aber fand ich, daß ich mich dennoch zum Theil geirrt hatte, und daß zwar die Bienen die Blume befruchten, aber auf eine ganz andere Art, als ich mir vorgeſtellt hatte. Nachdem ich nemlich die dichogamiſche Befruchtungsart des Epilobium anguſtifolium entdeckt hatte, nachdem ich hierauf gefunden hatte, daß eben die- ſelbe bey dem Delphinium Aiacis und dem Aconitum Napellus Statt findet: ſo vermuthete ich, daß, weil Nigella mit den bei- den letzteren zu Einer Klaſſe gehoͤrt, auch ſie auf die nemliche Art befruchtet werde. Der Augenſchein uͤberzeugte mich ſogleich, daß ich mich hierin nicht irrte. Denn ich fand, daß die Blume, nachdem die Staubgefaͤße ſich ſaͤmtlich geſtreckt hatten, noch nicht verbluͤhet war, ſondern noch drey oder vier Tage zu bluͤhen fort-

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [154]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/154>, abgerufen am 21.11.2024.