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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Oenothera.
die Pflanzen aber einige Wochen lang geblühet hatten, fand ich
in allen Blumen Saft.

3. Ob man gleich glauben sollte, daß der Safttropfen gegen
den Regen nicht gesichert sey, so bemerkte ich doch am 20. July
1789 Vormittags das Gegentheil. Es regnete anhaltend und
stark. Dennoch fand ich in der Oeffnung der Kelchröhre keinen
Regentropfen. Zwischen den Staubgefäßen und den Kronenblät-
tern, und zwischen dem Stigma und den Kronenblättern saßen
Regentropfen genug. Sobald ich aber die Pflanzen erschütterte,
so fielen dieselben sogleich aus den Blumen heraus. Die Kronen-
blätter haben also wenig Anziehungskraft, als wenn sie mit Oel
überzogen wären, wie die Kronenblätter des Ranunculus. Folg-
lich können die auf die Blumen gefallenen Regentropfen, wenn
es aufgehört hat zu regnen, nicht lange haften, sondern werden
vom Winde bald wieder herausgeworfen.

4. Zu den mancherley Absichten, welche die Natur bey Her-
vorbringung dieser Pflanze vor Augen gehabt haben mag, gehö-
ren auch die zwey folgenden. Erstens sollten die Samenkörner
aus den Kapseln nicht herausfallen, sondern durch den Wind,
und zwar durch einen starken Wind herausgeworfen, und weit
und breit ausgestreuet werden, weil sie nicht mit einem Flügel,
oder einer Haarkrone versehen sind, daß sie auch ein schwacher
Wind weit fortführen könnte. Zweytens sollen die Blumen von
einem Nachtinsekt befruchtet werden. Aus diesen beiden Absich-
ten läßt sich Vieles, was die Struktur der Pflanze und der Blu-
men betrifft, erklären. Der Stengel und seine Zweige mußten
aufrecht stehen, und eine ansehnliche Höhe erreichen, weil die
Samenkörner vom Winde desto weiter fortgeworfen werden kön-
nen, je weiter die Samenkapseln von der Oberfläche der Erde ent-
fernt sind. Auch mußten sie stark und steif seyn, weil ein schwa-
cher Stengel auch von einem schwachen Winde erschüttert und hin
und her bewegt werden kann. Ferner mußten die Samenkapseln
an den Stengel und die Zweige unmittelbar befestigt seyn, und
eben so, wie diese, eine aufrechte Stellung haben. Denn wenn
sie auf Stielen säßen, so würden sie dieselben, wenn diese gleich
aufrecht ständen, durch ihr Gewicht leicht umbiegen, und auch
von einem schwachen Winde leicht hin und her bewegt werden.
Je weniger sie aber aufrecht stünden, desto leichter würden auch
die Samenkörner herausfallen, und durch einen schwachen Wind
herausgeworfen werden, desto näher würden sie also um die Mut-
terpflanze herum auf den Erdboden fallen. Daß es kein Zufall
sey, daß die Kapseln aufrecht stehen, sieht man an Stengeln,
welche der Wind auf die Erde niedergeworfen hat. Denn die
Kapseln schmiegen sich nicht dicht an dieselben, wie an die aufrecht-
stehenden, sondern machen mit denselben einen grössern oder klei-
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Oenothera.
nern Winkel, weil sie sich insgesamt bemühen, eine aufrechte
Stellung zu erhalten. Nun sollte der aufrechtstehende, und mit
dem Stengel oder Zweige einen sehr spitzen Winkel machende
Fruchtknoten eine Nachtblume tragen, welche von einem Nacht-
insekt befruchtet werden sollte. Diese mußte also eine Saftblume
seyn. Ferner mußte die Krone derselben von ansehnlicher Grösse
seyn, weil sie sonst in der Dunkelheit der Nacht dem Insekt we-
niger in die Augen fallen würde. Sie konnte also nicht unmit-
telbar auf dem Fruchtknoten sitzen, sondern der Kelch mußte eine
lange Röhre haben, deren oberstes Ende, weil der Fruchtknoten
mit dem Stengel oder Zweige einen, obgleich sehr spitzen, Winkel
macht, von demselben weiter absteht, als ihre Basis. Und da-
mit die Krone noch grösser seyn könnte, so mußte sie nicht völlig
aufrecht, sondern ein wenig horizontal stehen. Wegen dieser
Stellung ist die Blume ein wenig irregulär. Denn die Fila-
mente krümmen sich nicht auf eine reguläre Art gegen den Grif-
fel, als ihre gemeinschaftliche Axe, sondern gegen die untere
Seite der Krone, und die beiden obersten stehen am meisten von
einander ab, wahrscheinlich, damit das Insekt desto bequemer
zum Saft gelangen könne. Die Krone mußte ferner hell gefärbt
seyn; denn dunkelgefärbt würde sie dem Insekt nicht in die Augen
fallen. Sie ist also blaßgelb. Ein Saftmal endlich konnte die
Blume nicht haben, weil dasselbe in der Dunkelheit der Nacht
entweder, wenn es von heller Farbe wäre, gegen die Farbe der
Krone nicht abstechen, oder, wenn es von dunkler Farbe wäre,
nicht bemerkt werden würde.

5. Medikus will an der Oenothera diejenige Erscheinung
bemerkt haben, welche er das Wandern des Pistills zu den Staub-
gefäßen nennt. Wann es mit dieser Bemerkung seine Nichtigkeit
hat, so wird die Blume auf eine mechanische Art befruchtet. Daß
er sich aber hier eben so, als bey der Passiflora, geirrt habe, und
daß hier an keine mechanische Befruchtungsart zu denken sey, folgt
daraus, daß auch bey dieser Blume die männlich-weibliche Dicho-
gamie Statt findet. Sie bricht des Abends um 6 oder 7 Uhr
auf, und blühet zwey Nächte. Sobald sie aufgebrochen ist, sind
die Antheren schon voller Staub; die vier Theile aber, aus wel-
chen das Stigma besteht, liegen noch dicht an einander. Da
nun die innere Seite derselben das eigentliche Stigma ist, so ist
noch kein Stigma vorhanden. Diese Gestalt behält dasselbe die
ganze erste Nacht hindurch, und noch am folgenden Morgen.
Hierauf fängt es an sich nach und nach von einander zu begeben,
so daß es in der zweyten Nacht völlig offen steht. Die Antheren
aber sind alsdenn welk und unansehnlich. Die mechanische Be-
fruchtung kann also allenfalls in der zweyten Nacht, wenn die
Antheren alsdenn noch Staub haben, keinesweges aber in der

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Oenothera.
die Pflanzen aber einige Wochen lang gebluͤhet hatten, fand ich
in allen Blumen Saft.

3. Ob man gleich glauben ſollte, daß der Safttropfen gegen
den Regen nicht geſichert ſey, ſo bemerkte ich doch am 20. July
1789 Vormittags das Gegentheil. Es regnete anhaltend und
ſtark. Dennoch fand ich in der Oeffnung der Kelchroͤhre keinen
Regentropfen. Zwiſchen den Staubgefaͤßen und den Kronenblaͤt-
tern, und zwiſchen dem Stigma und den Kronenblaͤttern ſaßen
Regentropfen genug. Sobald ich aber die Pflanzen erſchuͤtterte,
ſo fielen dieſelben ſogleich aus den Blumen heraus. Die Kronen-
blaͤtter haben alſo wenig Anziehungskraft, als wenn ſie mit Oel
uͤberzogen waͤren, wie die Kronenblaͤtter des Ranunculus. Folg-
lich koͤnnen die auf die Blumen gefallenen Regentropfen, wenn
es aufgehoͤrt hat zu regnen, nicht lange haften, ſondern werden
vom Winde bald wieder herausgeworfen.

4. Zu den mancherley Abſichten, welche die Natur bey Her-
vorbringung dieſer Pflanze vor Augen gehabt haben mag, gehoͤ-
ren auch die zwey folgenden. Erſtens ſollten die Samenkoͤrner
aus den Kapſeln nicht herausfallen, ſondern durch den Wind,
und zwar durch einen ſtarken Wind herausgeworfen, und weit
und breit ausgeſtreuet werden, weil ſie nicht mit einem Fluͤgel,
oder einer Haarkrone verſehen ſind, daß ſie auch ein ſchwacher
Wind weit fortfuͤhren koͤnnte. Zweytens ſollen die Blumen von
einem Nachtinſekt befruchtet werden. Aus dieſen beiden Abſich-
ten laͤßt ſich Vieles, was die Struktur der Pflanze und der Blu-
men betrifft, erklaͤren. Der Stengel und ſeine Zweige mußten
aufrecht ſtehen, und eine anſehnliche Hoͤhe erreichen, weil die
Samenkoͤrner vom Winde deſto weiter fortgeworfen werden koͤn-
nen, je weiter die Samenkapſeln von der Oberflaͤche der Erde ent-
fernt ſind. Auch mußten ſie ſtark und ſteif ſeyn, weil ein ſchwa-
cher Stengel auch von einem ſchwachen Winde erſchuͤttert und hin
und her bewegt werden kann. Ferner mußten die Samenkapſeln
an den Stengel und die Zweige unmittelbar befeſtigt ſeyn, und
eben ſo, wie dieſe, eine aufrechte Stellung haben. Denn wenn
ſie auf Stielen ſaͤßen, ſo wuͤrden ſie dieſelben, wenn dieſe gleich
aufrecht ſtaͤnden, durch ihr Gewicht leicht umbiegen, und auch
von einem ſchwachen Winde leicht hin und her bewegt werden.
Je weniger ſie aber aufrecht ſtuͤnden, deſto leichter wuͤrden auch
die Samenkoͤrner herausfallen, und durch einen ſchwachen Wind
herausgeworfen werden, deſto naͤher wuͤrden ſie alſo um die Mut-
terpflanze herum auf den Erdboden fallen. Daß es kein Zufall
ſey, daß die Kapſeln aufrecht ſtehen, ſieht man an Stengeln,
welche der Wind auf die Erde niedergeworfen hat. Denn die
Kapſeln ſchmiegen ſich nicht dicht an dieſelben, wie an die aufrecht-
ſtehenden, ſondern machen mit denſelben einen groͤſſern oder klei-
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Oenothera.
nern Winkel, weil ſie ſich insgeſamt bemuͤhen, eine aufrechte
Stellung zu erhalten. Nun ſollte der aufrechtſtehende, und mit
dem Stengel oder Zweige einen ſehr ſpitzen Winkel machende
Fruchtknoten eine Nachtblume tragen, welche von einem Nacht-
inſekt befruchtet werden ſollte. Dieſe mußte alſo eine Saftblume
ſeyn. Ferner mußte die Krone derſelben von anſehnlicher Groͤſſe
ſeyn, weil ſie ſonſt in der Dunkelheit der Nacht dem Inſekt we-
niger in die Augen fallen wuͤrde. Sie konnte alſo nicht unmit-
telbar auf dem Fruchtknoten ſitzen, ſondern der Kelch mußte eine
lange Roͤhre haben, deren oberſtes Ende, weil der Fruchtknoten
mit dem Stengel oder Zweige einen, obgleich ſehr ſpitzen, Winkel
macht, von demſelben weiter abſteht, als ihre Baſis. Und da-
mit die Krone noch groͤſſer ſeyn koͤnnte, ſo mußte ſie nicht voͤllig
aufrecht, ſondern ein wenig horizontal ſtehen. Wegen dieſer
Stellung iſt die Blume ein wenig irregulaͤr. Denn die Fila-
mente kruͤmmen ſich nicht auf eine regulaͤre Art gegen den Grif-
fel, als ihre gemeinſchaftliche Axe, ſondern gegen die untere
Seite der Krone, und die beiden oberſten ſtehen am meiſten von
einander ab, wahrſcheinlich, damit das Inſekt deſto bequemer
zum Saft gelangen koͤnne. Die Krone mußte ferner hell gefaͤrbt
ſeyn; denn dunkelgefaͤrbt wuͤrde ſie dem Inſekt nicht in die Augen
fallen. Sie iſt alſo blaßgelb. Ein Saftmal endlich konnte die
Blume nicht haben, weil daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht
entweder, wenn es von heller Farbe waͤre, gegen die Farbe der
Krone nicht abſtechen, oder, wenn es von dunkler Farbe waͤre,
nicht bemerkt werden wuͤrde.

5. Medikus will an der Oenothera diejenige Erſcheinung
bemerkt haben, welche er das Wandern des Piſtills zu den Staub-
gefaͤßen nennt. Wann es mit dieſer Bemerkung ſeine Nichtigkeit
hat, ſo wird die Blume auf eine mechaniſche Art befruchtet. Daß
er ſich aber hier eben ſo, als bey der Paſſiflora, geirrt habe, und
daß hier an keine mechaniſche Befruchtungsart zu denken ſey, folgt
daraus, daß auch bey dieſer Blume die maͤnnlich-weibliche Dicho-
gamie Statt findet. Sie bricht des Abends um 6 oder 7 Uhr
auf, und bluͤhet zwey Naͤchte. Sobald ſie aufgebrochen iſt, ſind
die Antheren ſchon voller Staub; die vier Theile aber, aus wel-
chen das Stigma beſteht, liegen noch dicht an einander. Da
nun die innere Seite derſelben das eigentliche Stigma iſt, ſo iſt
noch kein Stigma vorhanden. Dieſe Geſtalt behaͤlt daſſelbe die
ganze erſte Nacht hindurch, und noch am folgenden Morgen.
Hierauf faͤngt es an ſich nach und nach von einander zu begeben,
ſo daß es in der zweyten Nacht voͤllig offen ſteht. Die Antheren
aber ſind alsdenn welk und unanſehnlich. Die mechaniſche Be-
fruchtung kann alſo allenfalls in der zweyten Nacht, wenn die
Antheren alsdenn noch Staub haben, keinesweges aber in der

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[[122]/0122] Oenothera. Oenothera. die Pflanzen aber einige Wochen lang gebluͤhet hatten, fand ich in allen Blumen Saft. 3. Ob man gleich glauben ſollte, daß der Safttropfen gegen den Regen nicht geſichert ſey, ſo bemerkte ich doch am 20. July 1789 Vormittags das Gegentheil. Es regnete anhaltend und ſtark. Dennoch fand ich in der Oeffnung der Kelchroͤhre keinen Regentropfen. Zwiſchen den Staubgefaͤßen und den Kronenblaͤt- tern, und zwiſchen dem Stigma und den Kronenblaͤttern ſaßen Regentropfen genug. Sobald ich aber die Pflanzen erſchuͤtterte, ſo fielen dieſelben ſogleich aus den Blumen heraus. Die Kronen- blaͤtter haben alſo wenig Anziehungskraft, als wenn ſie mit Oel uͤberzogen waͤren, wie die Kronenblaͤtter des Ranunculus. Folg- lich koͤnnen die auf die Blumen gefallenen Regentropfen, wenn es aufgehoͤrt hat zu regnen, nicht lange haften, ſondern werden vom Winde bald wieder herausgeworfen. 4. 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Auch mußten ſie ſtark und ſteif ſeyn, weil ein ſchwa- cher Stengel auch von einem ſchwachen Winde erſchuͤttert und hin und her bewegt werden kann. Ferner mußten die Samenkapſeln an den Stengel und die Zweige unmittelbar befeſtigt ſeyn, und eben ſo, wie dieſe, eine aufrechte Stellung haben. Denn wenn ſie auf Stielen ſaͤßen, ſo wuͤrden ſie dieſelben, wenn dieſe gleich aufrecht ſtaͤnden, durch ihr Gewicht leicht umbiegen, und auch von einem ſchwachen Winde leicht hin und her bewegt werden. Je weniger ſie aber aufrecht ſtuͤnden, deſto leichter wuͤrden auch die Samenkoͤrner herausfallen, und durch einen ſchwachen Wind herausgeworfen werden, deſto naͤher wuͤrden ſie alſo um die Mut- terpflanze herum auf den Erdboden fallen. Daß es kein Zufall ſey, daß die Kapſeln aufrecht ſtehen, ſieht man an Stengeln, welche der Wind auf die Erde niedergeworfen hat. Denn die Kapſeln ſchmiegen ſich nicht dicht an dieſelben, wie an die aufrecht- ſtehenden, ſondern machen mit denſelben einen groͤſſern oder klei- nern Winkel, weil ſie ſich insgeſamt bemuͤhen, eine aufrechte Stellung zu erhalten. Nun ſollte der aufrechtſtehende, und mit dem Stengel oder Zweige einen ſehr ſpitzen Winkel machende Fruchtknoten eine Nachtblume tragen, welche von einem Nacht- inſekt befruchtet werden ſollte. Dieſe mußte alſo eine Saftblume ſeyn. Ferner mußte die Krone derſelben von anſehnlicher Groͤſſe ſeyn, weil ſie ſonſt in der Dunkelheit der Nacht dem Inſekt we- niger in die Augen fallen wuͤrde. Sie konnte alſo nicht unmit- telbar auf dem Fruchtknoten ſitzen, ſondern der Kelch mußte eine lange Roͤhre haben, deren oberſtes Ende, weil der Fruchtknoten mit dem Stengel oder Zweige einen, obgleich ſehr ſpitzen, Winkel macht, von demſelben weiter abſteht, als ihre Baſis. Und da- mit die Krone noch groͤſſer ſeyn koͤnnte, ſo mußte ſie nicht voͤllig aufrecht, ſondern ein wenig horizontal ſtehen. Wegen dieſer Stellung iſt die Blume ein wenig irregulaͤr. Denn die Fila- mente kruͤmmen ſich nicht auf eine regulaͤre Art gegen den Grif- fel, als ihre gemeinſchaftliche Axe, ſondern gegen die untere Seite der Krone, und die beiden oberſten ſtehen am meiſten von einander ab, wahrſcheinlich, damit das Inſekt deſto bequemer zum Saft gelangen koͤnne. Die Krone mußte ferner hell gefaͤrbt ſeyn; denn dunkelgefaͤrbt wuͤrde ſie dem Inſekt nicht in die Augen fallen. Sie iſt alſo blaßgelb. Ein Saftmal endlich konnte die Blume nicht haben, weil daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht entweder, wenn es von heller Farbe waͤre, gegen die Farbe der Krone nicht abſtechen, oder, wenn es von dunkler Farbe waͤre, nicht bemerkt werden wuͤrde. 5. Medikus will an der Oenothera diejenige Erſcheinung bemerkt haben, welche er das Wandern des Piſtills zu den Staub- gefaͤßen nennt. Wann es mit dieſer Bemerkung ſeine Nichtigkeit hat, ſo wird die Blume auf eine mechaniſche Art befruchtet. Daß er ſich aber hier eben ſo, als bey der Paſſiflora, geirrt habe, und daß hier an keine mechaniſche Befruchtungsart zu denken ſey, folgt daraus, daß auch bey dieſer Blume die maͤnnlich-weibliche Dicho- gamie Statt findet. Sie bricht des Abends um 6 oder 7 Uhr auf, und bluͤhet zwey Naͤchte. Sobald ſie aufgebrochen iſt, ſind die Antheren ſchon voller Staub; die vier Theile aber, aus wel- chen das Stigma beſteht, liegen noch dicht an einander. Da nun die innere Seite derſelben das eigentliche Stigma iſt, ſo iſt noch kein Stigma vorhanden. Dieſe Geſtalt behaͤlt daſſelbe die ganze erſte Nacht hindurch, und noch am folgenden Morgen. Hierauf faͤngt es an ſich nach und nach von einander zu begeben, ſo daß es in der zweyten Nacht voͤllig offen ſteht. Die Antheren aber ſind alsdenn welk und unanſehnlich. Die mechaniſche Be- fruchtung kann alſo allenfalls in der zweyten Nacht, wenn die Antheren alsdenn noch Staub haben, keinesweges aber in der

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [122]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/122>, abgerufen am 27.11.2024.