Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Hand nahm, fand ich auf meinen Wangen die rosigste Gesundheit blühen und aus meinen Augen glänzte die Lebenslust. Nur mein schwarzer Schnurbart hatte seinen früheren Schimmer verloren, aber bloss, weil er staubig geworden war. Die Natur, die keine lyrischen Gedichte macht, hat es nämlich so eingerichtet, dass man auf Reisen einen höchst unpoetischen, colossalen Appetit bekommt, und so lange dieser gesunde Hausknecht uns zur Seite steht, hat der romantische Schleicher Liebesgram keine Gewalt über unseren Leib. Ich stürzte mich in den Strudel der diplomatischen Geschäfte, ich versiegelte die wichtigsten Depeschen und übernahm von dem Portier die geheimsten diplomatischen Noten. Schon nach einer Woche verrieth ich eine solche diplomatische Gewandtheit, dass mir der Gesandte bei einem Diner, das er gab, neben dem einflussreichen Bischof Lambrini einen Platz anwies und mich mit der geheimen Mission betraute diesen bei guter Laune zu erhalten und darüber zu wachen, dass er immer ein volles Glas vor sich habe. Ich erfüllte meinen Auftrag aufs Beste, ja es gelang mir

zur Hand nahm, fand ich auf meinen Wangen die rosigste Gesundheit blühen und aus meinen Augen glänzte die Lebenslust. Nur mein schwarzer Schnurbart hatte seinen früheren Schimmer verloren, aber bloss, weil er staubig geworden war. Die Natur, die keine lyrischen Gedichte macht, hat es nämlich so eingerichtet, dass man auf Reisen einen höchst unpoetischen, colossalen Appetit bekommt, und so lange dieser gesunde Hausknecht uns zur Seite steht, hat der romantische Schleicher Liebesgram keine Gewalt über unseren Leib. Ich stürzte mich in den Strudel der diplomatischen Geschäfte, ich versiegelte die wichtigsten Depeschen und übernahm von dem Portier die geheimsten diplomatischen Noten. Schon nach einer Woche verrieth ich eine solche diplomatische Gewandtheit, dass mir der Gesandte bei einem Diner, das er gab, neben dem einflussreichen Bischof Lambrini einen Platz anwies und mich mit der geheimen Mission betraute diesen bei guter Laune zu erhalten und darüber zu wachen, dass er immer ein volles Glas vor sich habe. Ich erfüllte meinen Auftrag aufs Beste, ja es gelang mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0070" n="68"/>
zur Hand nahm, fand ich auf meinen Wangen die rosigste Gesundheit blühen und aus meinen Augen glänzte die Lebenslust. Nur mein schwarzer Schnurbart hatte seinen früheren Schimmer verloren, aber bloss, weil er staubig geworden war. Die Natur, die keine lyrischen Gedichte macht, hat es nämlich so eingerichtet, dass man auf Reisen einen höchst unpoetischen, colossalen Appetit bekommt, und so lange dieser gesunde Hausknecht uns zur Seite steht, hat der romantische Schleicher Liebesgram keine Gewalt über unseren Leib. Ich stürzte mich in den Strudel der diplomatischen Geschäfte, ich versiegelte die wichtigsten Depeschen und übernahm von dem Portier die geheimsten diplomatischen Noten. Schon nach einer Woche verrieth ich eine solche diplomatische Gewandtheit, dass mir der Gesandte bei einem Diner, das er gab, neben dem einflussreichen Bischof Lambrini einen Platz anwies und mich mit der geheimen Mission betraute diesen bei guter Laune zu erhalten und darüber zu wachen, dass er immer ein volles Glas vor sich habe. Ich erfüllte meinen Auftrag aufs Beste, ja es gelang mir
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0070] zur Hand nahm, fand ich auf meinen Wangen die rosigste Gesundheit blühen und aus meinen Augen glänzte die Lebenslust. Nur mein schwarzer Schnurbart hatte seinen früheren Schimmer verloren, aber bloss, weil er staubig geworden war. Die Natur, die keine lyrischen Gedichte macht, hat es nämlich so eingerichtet, dass man auf Reisen einen höchst unpoetischen, colossalen Appetit bekommt, und so lange dieser gesunde Hausknecht uns zur Seite steht, hat der romantische Schleicher Liebesgram keine Gewalt über unseren Leib. Ich stürzte mich in den Strudel der diplomatischen Geschäfte, ich versiegelte die wichtigsten Depeschen und übernahm von dem Portier die geheimsten diplomatischen Noten. Schon nach einer Woche verrieth ich eine solche diplomatische Gewandtheit, dass mir der Gesandte bei einem Diner, das er gab, neben dem einflussreichen Bischof Lambrini einen Platz anwies und mich mit der geheimen Mission betraute diesen bei guter Laune zu erhalten und darüber zu wachen, dass er immer ein volles Glas vor sich habe. Ich erfüllte meinen Auftrag aufs Beste, ja es gelang mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/70
Zitationshilfe: Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/70>, abgerufen am 22.12.2024.