Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.Ich liebe ihn so, wie eine fromme Christin den Mann liebt, mit dem sie den heiligen Bund der Ehe schliessen soll. Die Liebe kann man nicht aus dem Katechismus lernen. Ich glaube zwar selbst, dass Severin ein sehr unbeschwerlicher Ehemann sein wird, aber - Genug Herr Graf, unterbrach sie mich, sonst ist es besser, wir trennen uns. Um Gotteswillen, nein, wenn ich Sie verletzt habe, so konnte es nur geschehen, weil ich fühle, dass Sie Niemand so lieben kann, wie ich. Meine Liebe aber ist bescheiden, ich will mich zufrieden geben, wenn ich Sie sehen, sprechen und Ihnen manchmal die Hand drücken darf. Dabei fasste ich diese und zog sie an meine Lippen. Sie liess mich diesmal gewähren und wir gingen eine Weile schweigend neben einander, ohne dass sie daran gedacht hätte, ihre Hand, die ich noch immer in der meinigen hielt, mir zu entziehen. Sie brach zuerst das Schweigen: Mein Adoptivvater, der mich als Kind zu sich genommen und erziehen liess, will auch, dass ich Severin Ich liebe ihn so, wie eine fromme Christin den Mann liebt, mit dem sie den heiligen Bund der Ehe schliessen soll. Die Liebe kann man nicht aus dem Katechismus lernen. Ich glaube zwar selbst, dass Severin ein sehr unbeschwerlicher Ehemann sein wird, aber – Genug Herr Graf, unterbrach sie mich, sonst ist es besser, wir trennen uns. Um Gotteswillen, nein, wenn ich Sie verletzt habe, so konnte es nur geschehen, weil ich fühle, dass Sie Niemand so lieben kann, wie ich. Meine Liebe aber ist bescheiden, ich will mich zufrieden geben, wenn ich Sie sehen, sprechen und Ihnen manchmal die Hand drücken darf. Dabei fasste ich diese und zog sie an meine Lippen. Sie liess mich diesmal gewähren und wir gingen eine Weile schweigend neben einander, ohne dass sie daran gedacht hätte, ihre Hand, die ich noch immer in der meinigen hielt, mir zu entziehen. Sie brach zuerst das Schweigen: Mein Adoptivvater, der mich als Kind zu sich genommen und erziehen liess, will auch, dass ich Severin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0046" n="44"/> <p>Ich liebe ihn so, wie eine fromme Christin den Mann liebt, mit dem sie den heiligen Bund der Ehe schliessen soll.</p> <p>Die Liebe kann man nicht aus dem Katechismus lernen. Ich glaube zwar selbst, dass Severin ein sehr unbeschwerlicher Ehemann sein wird, aber –</p> <p>Genug Herr Graf, unterbrach sie mich, sonst ist es besser, wir trennen uns.</p> <p>Um Gotteswillen, nein, wenn ich Sie verletzt habe, so konnte es nur geschehen, weil ich fühle, dass Sie Niemand so lieben kann, wie ich. Meine Liebe aber ist bescheiden, ich will mich zufrieden geben, wenn ich Sie sehen, sprechen und Ihnen manchmal die Hand drücken darf.</p> <p>Dabei fasste ich diese und zog sie an meine Lippen. Sie liess mich diesmal gewähren und wir gingen eine Weile schweigend neben einander, ohne dass sie daran gedacht hätte, ihre Hand, die ich noch immer in der meinigen hielt, mir zu entziehen. Sie brach zuerst das Schweigen: Mein Adoptivvater, der mich als Kind zu sich genommen und erziehen liess, will auch, dass ich Severin </p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0046]
Ich liebe ihn so, wie eine fromme Christin den Mann liebt, mit dem sie den heiligen Bund der Ehe schliessen soll.
Die Liebe kann man nicht aus dem Katechismus lernen. Ich glaube zwar selbst, dass Severin ein sehr unbeschwerlicher Ehemann sein wird, aber –
Genug Herr Graf, unterbrach sie mich, sonst ist es besser, wir trennen uns.
Um Gotteswillen, nein, wenn ich Sie verletzt habe, so konnte es nur geschehen, weil ich fühle, dass Sie Niemand so lieben kann, wie ich. Meine Liebe aber ist bescheiden, ich will mich zufrieden geben, wenn ich Sie sehen, sprechen und Ihnen manchmal die Hand drücken darf.
Dabei fasste ich diese und zog sie an meine Lippen. Sie liess mich diesmal gewähren und wir gingen eine Weile schweigend neben einander, ohne dass sie daran gedacht hätte, ihre Hand, die ich noch immer in der meinigen hielt, mir zu entziehen. Sie brach zuerst das Schweigen: Mein Adoptivvater, der mich als Kind zu sich genommen und erziehen liess, will auch, dass ich Severin
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Zitationshilfe: | Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/46>, abgerufen am 16.07.2024. |