Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Severin, dass ich Sie so schnell schon aus den Armen Ihrer Braut reisse. Seien Sie mir nicht böse, mein Fräulein, fuhr ich zu Monica mich wendend fort, aber auch die Kirche hat einen Anspruch auf Ihren Bräutigam, er verzögert, wenn er länger verweilt, die Arbeit, die er zu deren Verherrlichung unternommen, und damit auch seine Heirat. Der Wagen war bereit, Severin drückte seine Lippen, wahrscheinlich in Folge langer Uebung auf dieselbe Stelle des Scheitels seiner Braut, die er bei seiner Ankunft geküsst hatte, und ich reichte ihr die Hand, in die sie diesmal ohne mich anzublicken, nur zwei Finger legte.

Als ich nach Hause kam, liess mich der Oheim rufen, um mir mitzutheilen, dass er für mich um die Stelle eines Attaches bei unserer Botschaft in Rom angesucht habe, und hielt hierauf eine feierliche Ansprache an mich, aus der ich entnahm, dass es die Hauptaufgabe eines Diplomaten sei, an Freitagen kein Fleisch zu essen, und dass die Sprache nicht dazu da sei, um, wie Talleyrand glaubte, unsere Gedanken zu verbergen, sondern um so viel als möglich zu beten, so

Severin, dass ich Sie so schnell schon aus den Armen Ihrer Braut reisse. Seien Sie mir nicht böse, mein Fräulein, fuhr ich zu Monica mich wendend fort, aber auch die Kirche hat einen Anspruch auf Ihren Bräutigam, er verzögert, wenn er länger verweilt, die Arbeit, die er zu deren Verherrlichung unternommen, und damit auch seine Heirat. Der Wagen war bereit, Severin drückte seine Lippen, wahrscheinlich in Folge langer Uebung auf dieselbe Stelle des Scheitels seiner Braut, die er bei seiner Ankunft geküsst hatte, und ich reichte ihr die Hand, in die sie diesmal ohne mich anzublicken, nur zwei Finger legte.

Als ich nach Hause kam, liess mich der Oheim rufen, um mir mitzutheilen, dass er für mich um die Stelle eines Attachés bei unserer Botschaft in Rom angesucht habe, und hielt hierauf eine feierliche Ansprache an mich, aus der ich entnahm, dass es die Hauptaufgabe eines Diplomaten sei, an Freitagen kein Fleisch zu essen, und dass die Sprache nicht dazu da sei, um, wie Talleyrand glaubte, unsere Gedanken zu verbergen, sondern um so viel als möglich zu beten, so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="36"/>
Severin, dass ich Sie so schnell schon aus den Armen Ihrer Braut reisse. Seien Sie mir nicht böse, mein Fräulein, fuhr ich zu Monica mich wendend fort, aber auch die Kirche hat einen Anspruch auf Ihren Bräutigam, er verzögert, wenn er länger verweilt, die Arbeit, die er zu deren Verherrlichung unternommen, und damit auch seine Heirat. Der Wagen war bereit, Severin drückte seine Lippen, wahrscheinlich in Folge langer Uebung auf dieselbe Stelle des Scheitels seiner Braut, die er bei seiner Ankunft geküsst hatte, und ich reichte ihr die Hand, in die sie diesmal ohne mich anzublicken, nur zwei Finger legte.</p>
        <p>Als ich nach Hause kam, liess mich der Oheim rufen, um mir mitzutheilen, dass er für mich um die Stelle eines Attachés bei unserer Botschaft in Rom angesucht habe, und hielt hierauf eine feierliche Ansprache an mich, aus der ich entnahm, dass es die Hauptaufgabe eines Diplomaten sei, an Freitagen kein Fleisch zu essen, und dass die Sprache nicht dazu da sei, um, wie Talleyrand glaubte, unsere Gedanken zu verbergen, sondern um so viel als möglich zu beten, so
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0038] Severin, dass ich Sie so schnell schon aus den Armen Ihrer Braut reisse. Seien Sie mir nicht böse, mein Fräulein, fuhr ich zu Monica mich wendend fort, aber auch die Kirche hat einen Anspruch auf Ihren Bräutigam, er verzögert, wenn er länger verweilt, die Arbeit, die er zu deren Verherrlichung unternommen, und damit auch seine Heirat. Der Wagen war bereit, Severin drückte seine Lippen, wahrscheinlich in Folge langer Uebung auf dieselbe Stelle des Scheitels seiner Braut, die er bei seiner Ankunft geküsst hatte, und ich reichte ihr die Hand, in die sie diesmal ohne mich anzublicken, nur zwei Finger legte. Als ich nach Hause kam, liess mich der Oheim rufen, um mir mitzutheilen, dass er für mich um die Stelle eines Attachés bei unserer Botschaft in Rom angesucht habe, und hielt hierauf eine feierliche Ansprache an mich, aus der ich entnahm, dass es die Hauptaufgabe eines Diplomaten sei, an Freitagen kein Fleisch zu essen, und dass die Sprache nicht dazu da sei, um, wie Talleyrand glaubte, unsere Gedanken zu verbergen, sondern um so viel als möglich zu beten, so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/38
Zitationshilfe: Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/38>, abgerufen am 22.12.2024.