Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.aussieht. Er scheint zwischen dreissig und fünfzig Jahre alt zu sein, es ist ungewiss, ob sein Backenbart blond ist oder grau, und ob er eine Perrücke trägt, oder sich zum Frisiren seines eigenen Haares bedient. Glücklicher Weise ist nicht die Nase der Spiegel der Seele, sonst müßte man annehmen, daß die letztere sehr unrein sei. Ich glaube, dass er auch Augen hat, aber ich wage nicht, es mit Bestimmtheit zu behaupten, da ich bis jetzt nur das Weisse seines Augapfels gesehen habe. Ich halte seine Stirne für niedrig, nur bleibt es dann ein Räthsel, wie so viele Runzeln auf derselben Platz haben. Vermuthlich ist er ziemlich lang, doch weiss er dann dieses Gebrechen geschickt zu verbergen, indem er die Schultern über den Kopf zieht und dabei einen Buckel macht und die Knie so eingebogen hält, als wenn er sich für einen schwierigen Fussfall vorbereitete. Der Himmel verhüte nur, dass es ihm jemals in den Sinn komme, unser schweres Silberzeug zu stehlen, denn ich wüsste nicht, wie man es anfangen sollte, ihn in einem Steckbriefe aussieht. Er scheint zwischen dreissig und fünfzig Jahre alt zu sein, es ist ungewiss, ob sein Backenbart blond ist oder grau, und ob er eine Perrücke trägt, oder sich zum Frisiren seines eigenen Haares bedient. Glücklicher Weise ist nicht die Nase der Spiegel der Seele, sonst müßte man annehmen, daß die letztere sehr unrein sei. Ich glaube, dass er auch Augen hat, aber ich wage nicht, es mit Bestimmtheit zu behaupten, da ich bis jetzt nur das Weisse seines Augapfels gesehen habe. Ich halte seine Stirne für niedrig, nur bleibt es dann ein Räthsel, wie so viele Runzeln auf derselben Platz haben. Vermuthlich ist er ziemlich lang, doch weiss er dann dieses Gebrechen geschickt zu verbergen, indem er die Schultern über den Kopf zieht und dabei einen Buckel macht und die Knie so eingebogen hält, als wenn er sich für einen schwierigen Fussfall vorbereitete. Der Himmel verhüte nur, dass es ihm jemals in den Sinn komme, unser schweres Silberzeug zu stehlen, denn ich wüsste nicht, wie man es anfangen sollte, ihn in einem Steckbriefe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="14"/> aussieht. Er scheint zwischen dreissig und fünfzig Jahre alt zu sein, es ist ungewiss, ob sein Backenbart blond ist oder grau, und ob er eine Perrücke trägt, oder sich zum Frisiren seines eigenen Haares bedient. Glücklicher Weise ist nicht die Nase der Spiegel der Seele, sonst müßte man annehmen, daß die letztere sehr unrein sei. Ich glaube, dass er auch Augen hat, aber ich wage nicht, es mit Bestimmtheit zu behaupten, da ich bis jetzt nur das Weisse seines Augapfels gesehen habe. Ich halte seine Stirne für niedrig, nur bleibt es dann ein Räthsel, wie so viele Runzeln auf derselben Platz haben. Vermuthlich ist er ziemlich lang, doch weiss er dann dieses Gebrechen geschickt zu verbergen, indem er die Schultern über den Kopf zieht und dabei einen Buckel macht und die Knie so eingebogen hält, als wenn er sich für einen schwierigen Fussfall vorbereitete. Der Himmel verhüte nur, dass es ihm jemals in den Sinn komme, unser schweres Silberzeug zu stehlen, denn ich wüsste nicht, wie man es anfangen sollte, ihn in einem Steckbriefe </p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0016]
aussieht. Er scheint zwischen dreissig und fünfzig Jahre alt zu sein, es ist ungewiss, ob sein Backenbart blond ist oder grau, und ob er eine Perrücke trägt, oder sich zum Frisiren seines eigenen Haares bedient. Glücklicher Weise ist nicht die Nase der Spiegel der Seele, sonst müßte man annehmen, daß die letztere sehr unrein sei. Ich glaube, dass er auch Augen hat, aber ich wage nicht, es mit Bestimmtheit zu behaupten, da ich bis jetzt nur das Weisse seines Augapfels gesehen habe. Ich halte seine Stirne für niedrig, nur bleibt es dann ein Räthsel, wie so viele Runzeln auf derselben Platz haben. Vermuthlich ist er ziemlich lang, doch weiss er dann dieses Gebrechen geschickt zu verbergen, indem er die Schultern über den Kopf zieht und dabei einen Buckel macht und die Knie so eingebogen hält, als wenn er sich für einen schwierigen Fussfall vorbereitete. Der Himmel verhüte nur, dass es ihm jemals in den Sinn komme, unser schweres Silberzeug zu stehlen, denn ich wüsste nicht, wie man es anfangen sollte, ihn in einem Steckbriefe
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Zitationshilfe: | Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/16>, abgerufen am 16.07.2024. |