Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

der Hand. Ich ging betrübt in die Kirche zurück, um sie dort zu suchen, denn vielleicht wohnte sie auf einem Altare. Sie war nicht da. Allein jetzt erst sah ich, dass die Kirche noch einen zweiten Ausgang hatte, und durch diesen musste sie verschwunden sein. So, mein lieber Paul, straft der Himmel Diejenigen, die niemals in die Kirche gehen; sie wissen in ihrer Gottlosigkeit nicht einmal, wie viele Thüren die Kirche hat, und während sie bei der einen warten, geht die Geliebte bei der anderen hinaus. Ich habe sie nicht wiedergesehen.

Als ich an demselben unglückseligen Sonntag nach Hause kam, fand ich die Mumienausstellung im Schlosse um ein neues seltenes Exemplar bereichert. Der Gast, der sich bei uns einquartirt hat, scheint in die Familie der Marder zu gehören, denn er ist ein fleischfressender Zehengänger, der mit Vorliebe Geflügel frißt und St. Julien dazu trinkt. Obwohl ich jeden Tag mit ihm an derselben Mittagstafel sitze, habe ich doch noch nicht genauer, als ich es eben angegeben, feststellen können, wie er eigentlich

der Hand. Ich ging betrübt in die Kirche zurück, um sie dort zu suchen, denn vielleicht wohnte sie auf einem Altare. Sie war nicht da. Allein jetzt erst sah ich, dass die Kirche noch einen zweiten Ausgang hatte, und durch diesen musste sie verschwunden sein. So, mein lieber Paul, straft der Himmel Diejenigen, die niemals in die Kirche gehen; sie wissen in ihrer Gottlosigkeit nicht einmal, wie viele Thüren die Kirche hat, und während sie bei der einen warten, geht die Geliebte bei der anderen hinaus. Ich habe sie nicht wiedergesehen.

Als ich an demselben unglückseligen Sonntag nach Hause kam, fand ich die Mumienausstellung im Schlosse um ein neues seltenes Exemplar bereichert. Der Gast, der sich bei uns einquartirt hat, scheint in die Familie der Marder zu gehören, denn er ist ein fleischfressender Zehengänger, der mit Vorliebe Geflügel frißt und St. Julien dazu trinkt. Obwohl ich jeden Tag mit ihm an derselben Mittagstafel sitze, habe ich doch noch nicht genauer, als ich es eben angegeben, feststellen können, wie er eigentlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="13"/>
der Hand. Ich ging betrübt in die Kirche zurück, um sie dort zu suchen, denn vielleicht wohnte sie auf einem Altare. Sie war nicht da. Allein jetzt erst sah ich, dass die Kirche noch einen zweiten Ausgang hatte, und durch diesen musste sie verschwunden sein. So, mein lieber Paul, straft der Himmel Diejenigen, die niemals in die Kirche gehen; sie wissen in ihrer Gottlosigkeit nicht einmal, wie viele Thüren die Kirche hat, und während sie bei der einen warten, geht die Geliebte bei der anderen hinaus. Ich habe sie nicht wiedergesehen.</p>
        <p>Als ich an demselben unglückseligen Sonntag nach Hause kam, fand ich die Mumienausstellung im Schlosse um ein neues seltenes Exemplar bereichert. Der Gast, der sich bei uns einquartirt hat, scheint in die Familie der Marder zu gehören, denn er ist ein fleischfressender Zehengänger, der mit Vorliebe Geflügel frißt und St. Julien dazu trinkt. Obwohl ich jeden Tag mit ihm an derselben Mittagstafel sitze, habe ich doch noch nicht genauer, als ich es eben angegeben, feststellen können, wie er eigentlich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0015] der Hand. Ich ging betrübt in die Kirche zurück, um sie dort zu suchen, denn vielleicht wohnte sie auf einem Altare. Sie war nicht da. Allein jetzt erst sah ich, dass die Kirche noch einen zweiten Ausgang hatte, und durch diesen musste sie verschwunden sein. So, mein lieber Paul, straft der Himmel Diejenigen, die niemals in die Kirche gehen; sie wissen in ihrer Gottlosigkeit nicht einmal, wie viele Thüren die Kirche hat, und während sie bei der einen warten, geht die Geliebte bei der anderen hinaus. Ich habe sie nicht wiedergesehen. Als ich an demselben unglückseligen Sonntag nach Hause kam, fand ich die Mumienausstellung im Schlosse um ein neues seltenes Exemplar bereichert. Der Gast, der sich bei uns einquartirt hat, scheint in die Familie der Marder zu gehören, denn er ist ein fleischfressender Zehengänger, der mit Vorliebe Geflügel frißt und St. Julien dazu trinkt. Obwohl ich jeden Tag mit ihm an derselben Mittagstafel sitze, habe ich doch noch nicht genauer, als ich es eben angegeben, feststellen können, wie er eigentlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/15
Zitationshilfe: Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/15>, abgerufen am 22.12.2024.