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Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.

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Vermischte Send-Schreiben.
Es ist sonst diesem Volck die Kälte zwar nicht fremde,
Daß fie auch offtermahls in einem blossen Hemde,
So sehr es sonst gefriert, doch auf der Strasse gehn;
Doch itzt vermochten sie den Frost nicht aus zustehn.
Das harte Männer-Volck blieb in den Löchern
liegen',
Kein Guckguck konte nicht von der Stelle kriegen.
Allein das Weibes-Volck, das stets der Vorwitz
plagt,
Hat bey der Morgen-Lufft doch einen Streich gewagt.
Drey Tage mocht es seyn, seit dem sie sich verkro-
chen,
Seit eine Nachbarin die andre nicht gesprochen,
Das war vor sie zu lang; so sehr es immer fror,
So kamen hier und da die Weibergen empor.
Sie fingen sämtlich an auf diese Lufft zu schmählen,
Sie könten, sagten sie, einander nicht erzehlen,
Was die und jene macht, was sonsten neues wär,
Und schnatterten etwas, als wie die Endten, her.
Was itzo diese sprach, das wuste jene besser,
Bald klang es klar, bald grob, wie rauschendes Ge-
wässer,
Was einer fehlete, das halff die andre ein,
Es war, als solte hier die Juden-Schule seyn.
Doch höret was geschicht; indem sie sich bemühen,
Und über groß und klein den Dolch der Zunge ziehen,
So stieg die Kälte hoch; da sie in bester Ruh,
Gefroren allerseits die Mäuler ihnen zu.
Die Männer mochten hier die Weiber wenig lieben,
Denn sie bezeugeten hierüber kein Betrüben,
Vielmehr traf aller Wunsch hierinnen überein,
Die Kälte möchte doch von steter Dauer seyn.
Man
K
Vermiſchte Send-Schreiben.
Es iſt ſonſt dieſem Volck die Kaͤlte zwar nicht fremde,
Daß fie auch offtermahls in einem bloſſen Hemde,
So ſehr es ſonſt gefriert, doch auf der Straſſe gehn;
Doch itzt vermochten ſie den Froſt nicht aus zuſtehn.
Das harte Maͤnner-Volck blieb in den Loͤchern
liegen’,
Kein Guckguck konte nicht von der Stelle kriegen.
Allein das Weibes-Volck, das ſtets der Vorwitz
plagt,
Hat bey der Morgen-Lufft doch einẽ Streich gewagt.
Drey Tage mocht es ſeyn, ſeit dem ſie ſich verkro-
chen,
Seit eine Nachbarin die andre nicht geſprochen,
Das war vor ſie zu lang; ſo ſehr es immer fror,
So kamen hier und da die Weibergen empor.
Sie fingen ſaͤmtlich an auf dieſe Lufft zu ſchmaͤhlen,
Sie koͤnten, ſagten ſie, einander nicht erzehlen,
Was die und jene macht, was ſonſten neues waͤr,
Und ſchnatterten etwas, als wie die Endten, her.
Was itzo dieſe ſprach, das wuſte jene beſſer,
Bald klang es klar, bald grob, wie rauſchendes Ge-
waͤſſer,
Was einer fehlete, das halff die andre ein,
Es war, als ſolte hier die Juden-Schule ſeyn.
Doch hoͤret was geſchicht; indem ſie ſich bemuͤhen,
Und uͤber groß und klein den Dolch der Zunge ziehen,
So ſtieg die Kaͤlte hoch; da ſie in beſter Ruh,
Gefroren allerſeits die Maͤuler ihnen zu.
Die Maͤnner mochten hier die Weiber wenig lieben,
Denn ſie bezeugeten hieruͤber kein Betruͤben,
Vielmehr traf aller Wunſch hierinnen uͤberein,
Die Kaͤlte moͤchte doch von ſteter Dauer ſeyn.
Man
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[145/0167] Vermiſchte Send-Schreiben. Es iſt ſonſt dieſem Volck die Kaͤlte zwar nicht fremde, Daß fie auch offtermahls in einem bloſſen Hemde, So ſehr es ſonſt gefriert, doch auf der Straſſe gehn; Doch itzt vermochten ſie den Froſt nicht aus zuſtehn. Das harte Maͤnner-Volck blieb in den Loͤchern liegen’, Kein Guckguck konte nicht von der Stelle kriegen. Allein das Weibes-Volck, das ſtets der Vorwitz plagt, Hat bey der Morgen-Lufft doch einẽ Streich gewagt. Drey Tage mocht es ſeyn, ſeit dem ſie ſich verkro- chen, Seit eine Nachbarin die andre nicht geſprochen, Das war vor ſie zu lang; ſo ſehr es immer fror, So kamen hier und da die Weibergen empor. Sie fingen ſaͤmtlich an auf dieſe Lufft zu ſchmaͤhlen, Sie koͤnten, ſagten ſie, einander nicht erzehlen, Was die und jene macht, was ſonſten neues waͤr, Und ſchnatterten etwas, als wie die Endten, her. Was itzo dieſe ſprach, das wuſte jene beſſer, Bald klang es klar, bald grob, wie rauſchendes Ge- waͤſſer, Was einer fehlete, das halff die andre ein, Es war, als ſolte hier die Juden-Schule ſeyn. Doch hoͤret was geſchicht; indem ſie ſich bemuͤhen, Und uͤber groß und klein den Dolch der Zunge ziehen, So ſtieg die Kaͤlte hoch; da ſie in beſter Ruh, Gefroren allerſeits die Maͤuler ihnen zu. Die Maͤnner mochten hier die Weiber wenig lieben, Denn ſie bezeugeten hieruͤber kein Betruͤben, Vielmehr traf aller Wunſch hierinnen uͤberein, Die Kaͤlte moͤchte doch von ſteter Dauer ſeyn. Man K

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Zitationshilfe: Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/167>, abgerufen am 23.11.2024.