Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Vermischte Send-Schreiben. 20) Schreiben an einen Freund, Freund! da ich itzt mit Schrifft und Brief be-dem er einen Brief der Valiere übersendet. schäfftigt bin, So nimm, wie du verlangst, auch diese Zeilen hin, Wie ehmahls Valiere verzweiffelnd voll geschrieben, Die letzt der Sünden-Last zur Busse angetrieben. Jch habe dieses Stück von Wort zu Wort gesetzt, Weil das Bewegliche dich offtermahls ergötzt. Der Jnhalt wird dir schon den alten Jnhalt geben, Jndessen wünsch ich dir vergnügt und wohl zu leben. Brief. Verführer meiner Zucht, so schreibet Valiere,Nimm, Falscher, diesen Brief mit Furcht und Zittern hin. Wohl mir, wofern ich stets ein Nichts geblieben wäre, Weh mir, daß ich zur Zeit ein Etwas worden bin. Jch bin von GOtt verflucht, drum muß auch ich verfluchen Des Vaters Meisterstück, der Mutter Fruchtbar- keit. GOtt hat ein Himmelreich, da hab ich nichts zu suchen, GOtt hat ein Höllenreich, das ist vor mich bereit. Natur, du hast ja sonst manch Monstrum ausge- brütet, Weswegen hast du mich nicht auch darzu gemacht, Denn, hätt ich als ein Löw und Tyger-Thier ge- wütet, So hätte mich kein Mensch in diese Schmach ge- bracht, Ver- J 4
Vermiſchte Send-Schreiben. 20) Schreiben an einen Freund, Freund! da ich itzt mit Schrifft und Brief be-dem er einen Brief der Valiere uͤberſendet. ſchaͤfftigt bin, So nimm, wie du verlangſt, auch dieſe Zeilen hin, Wie ehmahls Valiere verzweiffelnd voll geſchrieben, Die letzt der Suͤnden-Laſt zur Buſſe angetrieben. Jch habe dieſes Stuͤck von Wort zu Wort geſetzt, Weil das Bewegliche dich offtermahls ergoͤtzt. Der Jnhalt wird dir ſchon den alten Jnhalt geben, Jndeſſen wuͤnſch ich dir vergnuͤgt und wohl zu leben. Brief. Verfuͤhrer meiner Zucht, ſo ſchreibet Valiere,Nimm, Falſcher, dieſen Brief mit Furcht und Zittern hin. Wohl mir, wofern ich ſtets ein Nichts geblieben waͤre, Weh mir, daß ich zur Zeit ein Etwas worden bin. Jch bin von GOtt verflucht, drum muß auch ich verfluchen Des Vaters Meiſterſtuͤck, der Mutter Fruchtbar- keit. GOtt hat ein Him̃elreich, da hab ich nichts zu ſuchen, GOtt hat ein Hoͤllenreich, das iſt vor mich bereit. Natur, du haſt ja ſonſt manch Monſtrum ausge- bruͤtet, Weswegen haſt du mich nicht auch darzu gemacht, Denn, haͤtt ich als ein Loͤw und Tyger-Thier ge- wuͤtet, So haͤtte mich kein Menſch in dieſe Schmach ge- bracht, Ver- J 4
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Vermiſchte Send-Schreiben.
20) Schreiben an einen Freund,
dem er einen Brief der Valiere uͤberſendet.
Freund! da ich itzt mit Schrifft und Brief be-
ſchaͤfftigt bin,
So nimm, wie du verlangſt, auch dieſe Zeilen hin,
Wie ehmahls Valiere verzweiffelnd voll geſchrieben,
Die letzt der Suͤnden-Laſt zur Buſſe angetrieben.
Jch habe dieſes Stuͤck von Wort zu Wort geſetzt,
Weil das Bewegliche dich offtermahls ergoͤtzt.
Der Jnhalt wird dir ſchon den alten Jnhalt geben,
Jndeſſen wuͤnſch ich dir vergnuͤgt und wohl zu leben.
Brief.
Verfuͤhrer meiner Zucht, ſo ſchreibet Valiere,
Nimm, Falſcher, dieſen Brief mit Furcht und
Zittern hin.
Wohl mir, wofern ich ſtets ein Nichts geblieben
waͤre,
Weh mir, daß ich zur Zeit ein Etwas worden bin.
Jch bin von GOtt verflucht, drum muß auch ich
verfluchen
Des Vaters Meiſterſtuͤck, der Mutter Fruchtbar-
keit.
GOtt hat ein Him̃elreich, da hab ich nichts zu ſuchen,
GOtt hat ein Hoͤllenreich, das iſt vor mich bereit.
Natur, du haſt ja ſonſt manch Monſtrum ausge-
bruͤtet,
Weswegen haſt du mich nicht auch darzu gemacht,
Denn, haͤtt ich als ein Loͤw und Tyger-Thier ge-
wuͤtet,
So haͤtte mich kein Menſch in dieſe Schmach ge-
bracht,
Ver-
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