Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.Bedaurungs- und tröstende Briefe Mit Freudigkeit suchst du sein Wort,Du fährst mit gröster Sehnsucht fort. Nun kamst du in den stillen Hayn, Bey schön und angenehmen Wetter, Ein Zephyr regt die sanfften Blätter, Was konte wohl vergnügters seyn? Die Schwester sasse dir zur Seiten, Die wolte dich dahin begleiten, Jhr fuhrt in stiller Einsamkeit Bey annoch früher Morgen-Zeit. Doch wie? welch Schicksal reget sich! Die Pferde fangen an zu springen, Durch Berg und Fels mit Macht zu dringen. Sie schäumen beyde fürchterlich; Der Wagen hänget im Moraste, Er fänget sich an einem Aste, Er fält; das muntre Gaul entweicht, Und euch hat Fall und Stürtz gebeugt. Gerechter GOtt! o welch ein Schmertz! Hier lagen zwey zerquetschte Leiber, Zwey Gottesfürchtig fromme Weiber, Und Freundin, ach! dein Schwester-Hertz Muß, da man sie sucht aufzuheben, Den redlich frommen Geist aufgeben, Du lagest noch in deinem Blut, Man bringt dich in das nechste Gut. Man
Bedaurungs- und troͤſtende Briefe Mit Freudigkeit ſuchſt du ſein Wort,Du faͤhrſt mit groͤſter Sehnſucht fort. Nun kamſt du in den ſtillen Hayn, Bey ſchoͤn und angenehmen Wetter, Ein Zephyr regt die ſanfften Blaͤtter, Was konte wohl vergnuͤgters ſeyn? Die Schweſter ſaſſe dir zur Seiten, Die wolte dich dahin begleiten, Jhr fuhrt in ſtiller Einſamkeit Bey annoch fruͤher Morgen-Zeit. Doch wie? welch Schickſal reget ſich! Die Pferde fangen an zu ſpringen, Durch Berg und Fels mit Macht zu dringen. Sie ſchaͤumen beyde fuͤrchterlich; Der Wagen haͤnget im Moraſte, Er faͤnget ſich an einem Aſte, Er faͤlt; das muntre Gaul entweicht, Und euch hat Fall und Stuͤrtz gebeugt. Gerechter GOtt! o welch ein Schmertz! Hier lagen zwey zerquetſchte Leiber, Zwey Gottesfuͤrchtig fromme Weiber, Und Freundin, ach! dein Schweſter-Hertz Muß, da man ſie ſucht aufzuheben, Den redlich frommen Geiſt aufgeben, Du lageſt noch in deinem Blut, Man bringt dich in das nechſte Gut. Man
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Bedaurungs- und troͤſtende Briefe
Mit Freudigkeit ſuchſt du ſein Wort,
Du faͤhrſt mit groͤſter Sehnſucht fort.
Nun kamſt du in den ſtillen Hayn,
Bey ſchoͤn und angenehmen Wetter,
Ein Zephyr regt die ſanfften Blaͤtter,
Was konte wohl vergnuͤgters ſeyn?
Die Schweſter ſaſſe dir zur Seiten,
Die wolte dich dahin begleiten,
Jhr fuhrt in ſtiller Einſamkeit
Bey annoch fruͤher Morgen-Zeit.
Doch wie? welch Schickſal reget ſich!
Die Pferde fangen an zu ſpringen,
Durch Berg und Fels mit Macht zu dringen.
Sie ſchaͤumen beyde fuͤrchterlich;
Der Wagen haͤnget im Moraſte,
Er faͤnget ſich an einem Aſte,
Er faͤlt; das muntre Gaul entweicht,
Und euch hat Fall und Stuͤrtz gebeugt.
Gerechter GOtt! o welch ein Schmertz!
Hier lagen zwey zerquetſchte Leiber,
Zwey Gottesfuͤrchtig fromme Weiber,
Und Freundin, ach! dein Schweſter-Hertz
Muß, da man ſie ſucht aufzuheben,
Den redlich frommen Geiſt aufgeben,
Du lageſt noch in deinem Blut,
Man bringt dich in das nechſte Gut.
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