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Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745.

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Bedaurungs- und tröstende Briefe
Freund! sey bey dem Verlust gelassen,
Freund! suche dich dabey zu fassen.
Verliehrst du gleich dein halbes Gut,
Behalte deinen frohen Muth,
Du wirst mit innigsten Vergnügen
Noch alles doppelt wieder kriegen.
Wir wollen nur gelassen seyn.
Kommt bald ein solcher Räuber ein,
Denn wird er seine Schuld zu büssen,
Herr Hamans Kirchhof leiden müssen,
Und diß nach wohlverdienter Schuld.
Freund! aber deiner fernern Huld
Wünscht sich, da Zeil und Schrifft zu Ende,
Ein treu und redlicher Studente.
An einen/ der sein eigen Kind unverse-
hens erschossen hat.
Gehet nur, bethränte Zeilen,
Bringt das bange Mitleid an;
Man wird euch Gehör ertheilen,
Gehet zu dem frommen Mann,
Zu den Jacob jener Stadt,
Der sein Kind erschossen hat,
Der durch unvermuthet Schüssen
Seinen Sohn ertödten müssen.
Armes Schaaf von seinem Hauffen,
Nun erstarrter Benjamin!
Must du denn entgegen lauffen?
Reißt dich eine Kugel hin!
Wird der höchst verhaßte Ort
Unschulds- voll zum Vater-Mord?
Must
Bedaurungs- und troͤſtende Briefe
Freund! ſey bey dem Verluſt gelaſſen,
Freund! ſuche dich dabey zu faſſen.
Verliehrſt du gleich dein halbes Gut,
Behalte deinen frohen Muth,
Du wirſt mit innigſten Vergnuͤgen
Noch alles doppelt wieder kriegen.
Wir wollen nur gelaſſen ſeyn.
Kommt bald ein ſolcher Raͤuber ein,
Denn wird er ſeine Schuld zu buͤſſen,
Herr Hamans Kirchhof leiden muͤſſen,
Und diß nach wohlverdienter Schuld.
Freund! aber deiner fernern Huld
Wuͤnſcht ſich, da Zeil und Schrifft zu Ende,
Ein treu und redlicher Studente.
An einen/ der ſein eigen Kind unverſe-
hens erſchoſſen hat.
Gehet nur, bethraͤnte Zeilen,
Bringt das bange Mitleid an;
Man wird euch Gehoͤr ertheilen,
Gehet zu dem frommen Mann,
Zu den Jacob jener Stadt,
Der ſein Kind erſchoſſen hat,
Der durch unvermuthet Schuͤſſen
Seinen Sohn ertoͤdten muͤſſen.
Armes Schaaf von ſeinem Hauffen,
Nun erſtarrter Benjamin!
Muſt du denn entgegen lauffen?
Reißt dich eine Kugel hin!
Wird der hoͤchſt verhaßte Ort
Unſchulds- voll zum Vater-Mord?
Muſt
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[96/0116] Bedaurungs- und troͤſtende Briefe Freund! ſey bey dem Verluſt gelaſſen, Freund! ſuche dich dabey zu faſſen. Verliehrſt du gleich dein halbes Gut, Behalte deinen frohen Muth, Du wirſt mit innigſten Vergnuͤgen Noch alles doppelt wieder kriegen. Wir wollen nur gelaſſen ſeyn. Kommt bald ein ſolcher Raͤuber ein, Denn wird er ſeine Schuld zu buͤſſen, Herr Hamans Kirchhof leiden muͤſſen, Und diß nach wohlverdienter Schuld. Freund! aber deiner fernern Huld Wuͤnſcht ſich, da Zeil und Schrifft zu Ende, Ein treu und redlicher Studente. An einen/ der ſein eigen Kind unverſe- hens erſchoſſen hat. Gehet nur, bethraͤnte Zeilen, Bringt das bange Mitleid an; Man wird euch Gehoͤr ertheilen, Gehet zu dem frommen Mann, Zu den Jacob jener Stadt, Der ſein Kind erſchoſſen hat, Der durch unvermuthet Schuͤſſen Seinen Sohn ertoͤdten muͤſſen. Armes Schaaf von ſeinem Hauffen, Nun erſtarrter Benjamin! Muſt du denn entgegen lauffen? Reißt dich eine Kugel hin! Wird der hoͤchſt verhaßte Ort Unſchulds- voll zum Vater-Mord? Muſt

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Zitationshilfe: Spindler, Christian Gotthold: Unschuldige Jugend-Früchte. Leipzig, 1745, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_jugendfruechte_1745/116>, abgerufen am 24.11.2024.