Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.den: Schlaf wohl, Georg! ihre Thüre verriegelt hatte, mußte die aufpassende Trümpy den Rückzug antreten, und zwar immer unbefriedigt, um bald wieder desto neugieriger auf ihren Posten zurückzukehren. Eines Abends jedoch -- eine gewisse kribbelnde Unlust und Reizbarkeit ließ die gute Nachbarin nicht einschlafen -- sprang sie aus dem Bette, kleidete sich nothdürftig an, wie's die Sommernacht erlaubte, und schlüpfte in ihren kleinen Horchwinkel, da noch heller Lichtschimmer durch die sauber ausgeschnittenen Herzen des Landenberger'schen Fensterladens strahlte. Mit unruhig pochender Brust, auf die Zehen sich streckend, vernahm die Trümpy zu ihrer innigsten Genugthuung, daß ein ungewöhnlich lebhafter Zwiesprach von den Ehegatten geführt wurde. Ihre Neugierde ahnte Wunderdinge. Georg war so eben von einer Reise zurückgekommen und sprach, heftig auf und ab gehend, mit dem Ton der Selbstanklage: Ich wollte, ich wär' im Himmel; mir wäre wohl. Das Fegfeuer ist aber schon von dieser Welt! -- Freilich, antwortete Verena mit Ruhe und Stolz, 's geht nicht anders, wenn man den bösen Gelüsten nachgiebt. Du hast da etwas Schlimmes von der Reise mitgebracht, Görg. -- Lieb Vreneli, der Satan hat mich hinters Licht geführt. Wär' ich doch lieber in die Hölle, als zu den Schwestern ins Haus gegangen! Wie ich dir sage, um etwas Anders, als um den Enzian, den sie zu verkaufen hatten, ist mir's nicht gewesen; aber die Jüngere war den: Schlaf wohl, Georg! ihre Thüre verriegelt hatte, mußte die aufpassende Trümpy den Rückzug antreten, und zwar immer unbefriedigt, um bald wieder desto neugieriger auf ihren Posten zurückzukehren. Eines Abends jedoch — eine gewisse kribbelnde Unlust und Reizbarkeit ließ die gute Nachbarin nicht einschlafen — sprang sie aus dem Bette, kleidete sich nothdürftig an, wie's die Sommernacht erlaubte, und schlüpfte in ihren kleinen Horchwinkel, da noch heller Lichtschimmer durch die sauber ausgeschnittenen Herzen des Landenberger'schen Fensterladens strahlte. Mit unruhig pochender Brust, auf die Zehen sich streckend, vernahm die Trümpy zu ihrer innigsten Genugthuung, daß ein ungewöhnlich lebhafter Zwiesprach von den Ehegatten geführt wurde. Ihre Neugierde ahnte Wunderdinge. Georg war so eben von einer Reise zurückgekommen und sprach, heftig auf und ab gehend, mit dem Ton der Selbstanklage: Ich wollte, ich wär' im Himmel; mir wäre wohl. Das Fegfeuer ist aber schon von dieser Welt! — Freilich, antwortete Verena mit Ruhe und Stolz, 's geht nicht anders, wenn man den bösen Gelüsten nachgiebt. Du hast da etwas Schlimmes von der Reise mitgebracht, Görg. — Lieb Vreneli, der Satan hat mich hinters Licht geführt. Wär' ich doch lieber in die Hölle, als zu den Schwestern ins Haus gegangen! Wie ich dir sage, um etwas Anders, als um den Enzian, den sie zu verkaufen hatten, ist mir's nicht gewesen; aber die Jüngere war <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0058"/> den: Schlaf wohl, Georg! ihre Thüre verriegelt hatte, mußte die aufpassende Trümpy den Rückzug antreten, und zwar immer unbefriedigt, um bald wieder desto neugieriger auf ihren Posten zurückzukehren. Eines Abends jedoch — eine gewisse kribbelnde Unlust und Reizbarkeit ließ die gute Nachbarin nicht einschlafen — sprang sie aus dem Bette, kleidete sich nothdürftig an, wie's die Sommernacht erlaubte, und schlüpfte in ihren kleinen Horchwinkel, da noch heller Lichtschimmer durch die sauber ausgeschnittenen Herzen des Landenberger'schen Fensterladens strahlte. Mit unruhig pochender Brust, auf die Zehen sich streckend, vernahm die Trümpy zu ihrer innigsten Genugthuung, daß ein ungewöhnlich lebhafter Zwiesprach von den Ehegatten geführt wurde. Ihre Neugierde ahnte Wunderdinge.</p><lb/> <p>Georg war so eben von einer Reise zurückgekommen und sprach, heftig auf und ab gehend, mit dem Ton der Selbstanklage: Ich wollte, ich wär' im Himmel; mir wäre wohl. Das Fegfeuer ist aber schon von dieser Welt! — Freilich, antwortete Verena mit Ruhe und Stolz, 's geht nicht anders, wenn man den bösen Gelüsten nachgiebt. Du hast da etwas Schlimmes von der Reise mitgebracht, Görg. — Lieb Vreneli, der Satan hat mich hinters Licht geführt. Wär' ich doch lieber in die Hölle, als zu den Schwestern ins Haus gegangen! Wie ich dir sage, um etwas Anders, als um den Enzian, den sie zu verkaufen hatten, ist mir's nicht gewesen; aber die Jüngere war<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
den: Schlaf wohl, Georg! ihre Thüre verriegelt hatte, mußte die aufpassende Trümpy den Rückzug antreten, und zwar immer unbefriedigt, um bald wieder desto neugieriger auf ihren Posten zurückzukehren. Eines Abends jedoch — eine gewisse kribbelnde Unlust und Reizbarkeit ließ die gute Nachbarin nicht einschlafen — sprang sie aus dem Bette, kleidete sich nothdürftig an, wie's die Sommernacht erlaubte, und schlüpfte in ihren kleinen Horchwinkel, da noch heller Lichtschimmer durch die sauber ausgeschnittenen Herzen des Landenberger'schen Fensterladens strahlte. Mit unruhig pochender Brust, auf die Zehen sich streckend, vernahm die Trümpy zu ihrer innigsten Genugthuung, daß ein ungewöhnlich lebhafter Zwiesprach von den Ehegatten geführt wurde. Ihre Neugierde ahnte Wunderdinge.
Georg war so eben von einer Reise zurückgekommen und sprach, heftig auf und ab gehend, mit dem Ton der Selbstanklage: Ich wollte, ich wär' im Himmel; mir wäre wohl. Das Fegfeuer ist aber schon von dieser Welt! — Freilich, antwortete Verena mit Ruhe und Stolz, 's geht nicht anders, wenn man den bösen Gelüsten nachgiebt. Du hast da etwas Schlimmes von der Reise mitgebracht, Görg. — Lieb Vreneli, der Satan hat mich hinters Licht geführt. Wär' ich doch lieber in die Hölle, als zu den Schwestern ins Haus gegangen! Wie ich dir sage, um etwas Anders, als um den Enzian, den sie zu verkaufen hatten, ist mir's nicht gewesen; aber die Jüngere war
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Zitationshilfe: | Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/58>, abgerufen am 17.07.2024. |