Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

beide wirklich sehr arm wären, nur von der
Hofnung des neuen, unsichern Prozesses lebten.
Man spürte eifrig der Quelle des so unerwar-
teten Aufwands nach, und eilte, als man sie
entdeckt zu haben glaubte, mit größter Be-
gierde zur anscheinenden Favoritin, um theils
aus ihrer Bekantschaft künftigen Nutzen zu zie-
hen, theils aber auch Gelegenheit zu finden,
sich durch diesen so mächtigen Kanal an dem
Präsidenten und seiner Gattin nachdrücklich zu
rächen. Die fremde Dame schien ganz in das
Komplot einzustimmen, weil sie auf der wei-
ten, grossen Erde bisher nichts auszeichnendes
und kein anderes Eigenthum als ihren ahnen-
reichen Adelsbrief besessen hatte, diesen einzigen
Reichthum daher über alles schätzte, und bei
jeder Gelegenheit von ihren glorreichen Vor-
fahren sprach.

Als die Fremde sich lange genug mit Be-
weisen erschöpft hatte, daß der Adel ihres

beide wirklich ſehr arm waͤren, nur von der
Hofnung des neuen, unſichern Prozeſſes lebten.
Man ſpuͤrte eifrig der Quelle des ſo unerwar-
teten Aufwands nach, und eilte, als man ſie
entdeckt zu haben glaubte, mit groͤßter Be-
gierde zur anſcheinenden Favoritin, um theils
aus ihrer Bekantſchaft kuͤnftigen Nutzen zu zie-
hen, theils aber auch Gelegenheit zu finden,
ſich durch dieſen ſo maͤchtigen Kanal an dem
Praͤſidenten und ſeiner Gattin nachdruͤcklich zu
raͤchen. Die fremde Dame ſchien ganz in das
Komplot einzuſtimmen, weil ſie auf der wei-
ten, groſſen Erde bisher nichts auszeichnendes
und kein anderes Eigenthum als ihren ahnen-
reichen Adelsbrief beſeſſen hatte, dieſen einzigen
Reichthum daher uͤber alles ſchaͤtzte, und bei
jeder Gelegenheit von ihren glorreichen Vor-
fahren ſprach.

Als die Fremde ſich lange genug mit Be-
weiſen erſchoͤpft hatte, daß der Adel ihres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="82"/>
beide wirklich &#x017F;ehr arm wa&#x0364;ren, nur von der<lb/>
Hofnung des neuen, un&#x017F;ichern Proze&#x017F;&#x017F;es lebten.<lb/>
Man &#x017F;pu&#x0364;rte eifrig der Quelle des &#x017F;o unerwar-<lb/>
teten Aufwands nach, und eilte, als man &#x017F;ie<lb/>
entdeckt zu haben glaubte, mit gro&#x0364;ßter Be-<lb/>
gierde zur an&#x017F;cheinenden Favoritin, um theils<lb/>
aus ihrer Bekant&#x017F;chaft ku&#x0364;nftigen Nutzen zu zie-<lb/>
hen, theils aber auch Gelegenheit zu finden,<lb/>
&#x017F;ich durch die&#x017F;en &#x017F;o ma&#x0364;chtigen Kanal an dem<lb/>
Pra&#x0364;&#x017F;identen und &#x017F;einer Gattin nachdru&#x0364;cklich zu<lb/>
ra&#x0364;chen. Die fremde Dame &#x017F;chien ganz in das<lb/>
Komplot einzu&#x017F;timmen, weil &#x017F;ie auf der wei-<lb/>
ten, gro&#x017F;&#x017F;en Erde bisher nichts auszeichnendes<lb/>
und kein anderes Eigenthum als ihren ahnen-<lb/>
reichen Adelsbrief be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte, die&#x017F;en einzigen<lb/>
Reichthum daher u&#x0364;ber alles &#x017F;cha&#x0364;tzte, und bei<lb/>
jeder Gelegenheit von ihren glorreichen Vor-<lb/>
fahren &#x017F;prach.</p><lb/>
        <p>Als die Fremde &#x017F;ich lange genug mit Be-<lb/>
wei&#x017F;en er&#x017F;cho&#x0364;pft hatte, daß der Adel ihres<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0092] beide wirklich ſehr arm waͤren, nur von der Hofnung des neuen, unſichern Prozeſſes lebten. Man ſpuͤrte eifrig der Quelle des ſo unerwar- teten Aufwands nach, und eilte, als man ſie entdeckt zu haben glaubte, mit groͤßter Be- gierde zur anſcheinenden Favoritin, um theils aus ihrer Bekantſchaft kuͤnftigen Nutzen zu zie- hen, theils aber auch Gelegenheit zu finden, ſich durch dieſen ſo maͤchtigen Kanal an dem Praͤſidenten und ſeiner Gattin nachdruͤcklich zu raͤchen. Die fremde Dame ſchien ganz in das Komplot einzuſtimmen, weil ſie auf der wei- ten, groſſen Erde bisher nichts auszeichnendes und kein anderes Eigenthum als ihren ahnen- reichen Adelsbrief beſeſſen hatte, dieſen einzigen Reichthum daher uͤber alles ſchaͤtzte, und bei jeder Gelegenheit von ihren glorreichen Vor- fahren ſprach. Als die Fremde ſich lange genug mit Be- weiſen erſchoͤpft hatte, daß der Adel ihres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/92
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/92>, abgerufen am 22.11.2024.