Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

freier blickten die ahnenreichen Fräulein umher,
und dankten ingeheim Gott, daß er sie in einem
Stande auf die Welt sezte, der appartement-
mäßige Tafeln geben, Heiducken halten, und
bei öffentlichen Aufzügen mit sechs Pferden fah-
ren konnte.

Gebt acht, riefen die alten Räthe aus;
welche unter dem Vorsitze des jungen Präsiden-
ten fleissiger im Rathe erscheinen, und thätiger
arbeiten mußten, er verliert nächster Tage sei-
ne Präsidentenstelle! Nichts gewissers als die-
ses, antworteten die Damen, da er seine vor-
nehmste Pflicht nicht erfüllen, nicht Tafel ge-
ben kann, bei welcher wir ohne Kränkung unse-
rer Ehre erscheinen können. Der arme, durch
die unseligen bürgerlichen Reize verführte
Graf wirds am Ende bereuen, wenn er verach-
tet und verlassen von allen aufs Land ziehen,
und dort in unerträglicher Langenweile, in Ge-
sellschaft roher Bauern seine jungen Tage ver-

freier blickten die ahnenreichen Fraͤulein umher,
und dankten ingeheim Gott, daß er ſie in einem
Stande auf die Welt ſezte, der appartement-
maͤßige Tafeln geben, Heiducken halten, und
bei oͤffentlichen Aufzuͤgen mit ſechs Pferden fah-
ren konnte.

Gebt acht, riefen die alten Raͤthe aus;
welche unter dem Vorſitze des jungen Praͤſiden-
ten fleiſſiger im Rathe erſcheinen, und thaͤtiger
arbeiten mußten, er verliert naͤchſter Tage ſei-
ne Praͤſidentenſtelle! Nichts gewiſſers als die-
ſes, antworteten die Damen, da er ſeine vor-
nehmſte Pflicht nicht erfuͤllen, nicht Tafel ge-
ben kann, bei welcher wir ohne Kraͤnkung unſe-
rer Ehre erſcheinen koͤnnen. Der arme, durch
die unſeligen buͤrgerlichen Reize verfuͤhrte
Graf wirds am Ende bereuen, wenn er verach-
tet und verlaſſen von allen aufs Land ziehen,
und dort in unertraͤglicher Langenweile, in Ge-
ſellſchaft roher Bauern ſeine jungen Tage ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
freier blickten die ahnenreichen Fra&#x0364;ulein umher,<lb/>
und dankten ingeheim Gott, daß er &#x017F;ie in einem<lb/>
Stande auf die Welt &#x017F;ezte, der appartement-<lb/>
ma&#x0364;ßige Tafeln geben, Heiducken halten, und<lb/>
bei o&#x0364;ffentlichen Aufzu&#x0364;gen mit &#x017F;echs Pferden fah-<lb/>
ren konnte.</p><lb/>
        <p>Gebt acht, riefen die alten Ra&#x0364;the aus;<lb/>
welche unter dem Vor&#x017F;itze des jungen Pra&#x0364;&#x017F;iden-<lb/>
ten flei&#x017F;&#x017F;iger im Rathe er&#x017F;cheinen, und tha&#x0364;tiger<lb/>
arbeiten mußten, er verliert na&#x0364;ch&#x017F;ter Tage &#x017F;ei-<lb/>
ne Pra&#x0364;&#x017F;identen&#x017F;telle! Nichts gewi&#x017F;&#x017F;ers als die-<lb/>
&#x017F;es, antworteten die Damen, da er &#x017F;eine vor-<lb/>
nehm&#x017F;te Pflicht nicht erfu&#x0364;llen, nicht Tafel ge-<lb/>
ben kann, bei welcher wir ohne Kra&#x0364;nkung un&#x017F;e-<lb/>
rer Ehre er&#x017F;cheinen ko&#x0364;nnen. Der arme, durch<lb/>
die un&#x017F;eligen bu&#x0364;rgerlichen Reize verfu&#x0364;hrte<lb/>
Graf wirds am Ende bereuen, wenn er verach-<lb/>
tet und verla&#x017F;&#x017F;en von allen aufs Land ziehen,<lb/>
und dort in unertra&#x0364;glicher Langenweile, in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft roher Bauern &#x017F;eine jungen Tage ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] freier blickten die ahnenreichen Fraͤulein umher, und dankten ingeheim Gott, daß er ſie in einem Stande auf die Welt ſezte, der appartement- maͤßige Tafeln geben, Heiducken halten, und bei oͤffentlichen Aufzuͤgen mit ſechs Pferden fah- ren konnte. Gebt acht, riefen die alten Raͤthe aus; welche unter dem Vorſitze des jungen Praͤſiden- ten fleiſſiger im Rathe erſcheinen, und thaͤtiger arbeiten mußten, er verliert naͤchſter Tage ſei- ne Praͤſidentenſtelle! Nichts gewiſſers als die- ſes, antworteten die Damen, da er ſeine vor- nehmſte Pflicht nicht erfuͤllen, nicht Tafel ge- ben kann, bei welcher wir ohne Kraͤnkung unſe- rer Ehre erſcheinen koͤnnen. Der arme, durch die unſeligen buͤrgerlichen Reize verfuͤhrte Graf wirds am Ende bereuen, wenn er verach- tet und verlaſſen von allen aufs Land ziehen, und dort in unertraͤglicher Langenweile, in Ge- ſellſchaft roher Bauern ſeine jungen Tage ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/82
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/82>, abgerufen am 24.11.2024.