geworden, konnte nun alle an Glanz und Pracht verdunkeln!
Man achtete damals noch streng auf Eti- kette und Ahnenprobe, der zanksüchtige Neid würkte noch stärker, als diese Achtung, alle Damen beschlossen daher, daß keine unter al- len, nach damaliger Sitte und Gewohnheit, die junge Gräfin in irgend einer Gesellschaft aufführen wolle, wenn ihr Gatte nicht vorher im Zirkel der Männer deutlich und klar erwie- sen hätte, daß sie vom ächten Adel abstamme, und apartementmässig sei. Sie kannten die Gesinnungen des Grafen aus Erfahrung, sie wußten, daß er sich oft schon über den Stolz des Adels lustig gemacht hatte, sie hoften, daß er aus dieser Ursache, wenn er es auch vermöge, die Probe nicht leisten würde, und wollten sich dann herrlich an ihm rächen.
Graf L-- war erst acht und zwanzig Jahr alt, als er sich vermählte, sein grosser Reich-
geworden, konnte nun alle an Glanz und Pracht verdunkeln!
Man achtete damals noch ſtreng auf Eti- kette und Ahnenprobe, der zankſuͤchtige Neid wuͤrkte noch ſtaͤrker, als dieſe Achtung, alle Damen beſchloſſen daher, daß keine unter al- len, nach damaliger Sitte und Gewohnheit, die junge Graͤfin in irgend einer Geſellſchaft auffuͤhren wolle, wenn ihr Gatte nicht vorher im Zirkel der Maͤnner deutlich und klar erwie- ſen haͤtte, daß ſie vom aͤchten Adel abſtamme, und apartementmaͤſſig ſei. Sie kannten die Geſinnungen des Grafen aus Erfahrung, ſie wußten, daß er ſich oft ſchon uͤber den Stolz des Adels luſtig gemacht hatte, ſie hoften, daß er aus dieſer Urſache, wenn er es auch vermoͤge, die Probe nicht leiſten wuͤrde, und wollten ſich dann herrlich an ihm raͤchen.
Graf L— war erſt acht und zwanzig Jahr alt, als er ſich vermaͤhlte, ſein groſſer Reich-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0073"n="63"/>
geworden, konnte nun alle an Glanz und<lb/>
Pracht verdunkeln!</p><lb/><p>Man achtete damals noch ſtreng auf Eti-<lb/>
kette und Ahnenprobe, der zankſuͤchtige Neid<lb/>
wuͤrkte noch ſtaͤrker, als dieſe Achtung, alle<lb/>
Damen beſchloſſen daher, daß keine unter al-<lb/>
len, nach damaliger Sitte und Gewohnheit,<lb/>
die junge Graͤfin in irgend einer Geſellſchaft<lb/>
auffuͤhren wolle, wenn ihr Gatte nicht vorher<lb/>
im Zirkel der Maͤnner deutlich und klar erwie-<lb/>ſen haͤtte, daß ſie vom aͤchten Adel abſtamme,<lb/>
und <hirendition="#g">apartementmaͤſſig</hi>ſei. Sie kannten<lb/>
die Geſinnungen des Grafen aus Erfahrung,<lb/>ſie wußten, daß er ſich oft ſchon uͤber den Stolz<lb/>
des Adels luſtig gemacht hatte, ſie hoften,<lb/>
daß er aus dieſer Urſache, wenn er es auch<lb/>
vermoͤge, die Probe nicht leiſten wuͤrde, und<lb/>
wollten ſich dann herrlich an ihm raͤchen.</p><lb/><p>Graf L— war erſt acht und zwanzig Jahr<lb/>
alt, als er ſich vermaͤhlte, ſein groſſer Reich-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0073]
geworden, konnte nun alle an Glanz und
Pracht verdunkeln!
Man achtete damals noch ſtreng auf Eti-
kette und Ahnenprobe, der zankſuͤchtige Neid
wuͤrkte noch ſtaͤrker, als dieſe Achtung, alle
Damen beſchloſſen daher, daß keine unter al-
len, nach damaliger Sitte und Gewohnheit,
die junge Graͤfin in irgend einer Geſellſchaft
auffuͤhren wolle, wenn ihr Gatte nicht vorher
im Zirkel der Maͤnner deutlich und klar erwie-
ſen haͤtte, daß ſie vom aͤchten Adel abſtamme,
und apartementmaͤſſig ſei. Sie kannten
die Geſinnungen des Grafen aus Erfahrung,
ſie wußten, daß er ſich oft ſchon uͤber den Stolz
des Adels luſtig gemacht hatte, ſie hoften,
daß er aus dieſer Urſache, wenn er es auch
vermoͤge, die Probe nicht leiſten wuͤrde, und
wollten ſich dann herrlich an ihm raͤchen.
Graf L— war erſt acht und zwanzig Jahr
alt, als er ſich vermaͤhlte, ſein groſſer Reich-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/73>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.