bette. Nur wenige Stunden hatte der Alte noch zu leben, sie waren ihm zu wichtig, um sie zur Untersuchung des Stammbaums der Braut zu verwenden, er segnete die Verlob- ten, und genoß in der lezten Stunde seines Lebens die Freude, seinen einzigen Sohn ver- heurathet zu sehen.
Der zahlreiche Adel der ganzen grossen Hauptstadt staunte über diese seltne und schnel- le Heurath. Viele Mütter hatten bisher Ur- sache, zu hoffen, daß der ahnen- und geld- reiche Graf eine ihrer Töchter zur Gemahlin wählen würde, viele Väter glaubten mit Zu- versicht, daß er den Glanz ihrer zahlreichen Ahnen erkennen, und die durch ihre Ver- schwendung arm gemachte Tochter wieder reich und glücklich machen würde. Aller Aussichten waren nun vernichtet und verschwunden, ein unbekanntes, armes Mädchen, das nie in einer Assemblee erschienen war, war Gräfin
bette. Nur wenige Stunden hatte der Alte noch zu leben, ſie waren ihm zu wichtig, um ſie zur Unterſuchung des Stammbaums der Braut zu verwenden, er ſegnete die Verlob- ten, und genoß in der lezten Stunde ſeines Lebens die Freude, ſeinen einzigen Sohn ver- heurathet zu ſehen.
Der zahlreiche Adel der ganzen groſſen Hauptſtadt ſtaunte uͤber dieſe ſeltne und ſchnel- le Heurath. Viele Muͤtter hatten bisher Ur- ſache, zu hoffen, daß der ahnen- und geld- reiche Graf eine ihrer Toͤchter zur Gemahlin waͤhlen wuͤrde, viele Vaͤter glaubten mit Zu- verſicht, daß er den Glanz ihrer zahlreichen Ahnen erkennen, und die durch ihre Ver- ſchwendung arm gemachte Tochter wieder reich und gluͤcklich machen wuͤrde. Aller Ausſichten waren nun vernichtet und verſchwunden, ein unbekanntes, armes Maͤdchen, das nie in einer Aſſemblee erſchienen war, war Graͤfin
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bette. Nur wenige Stunden hatte der Alte
noch zu leben, ſie waren ihm zu wichtig, um
ſie zur Unterſuchung des Stammbaums der
Braut zu verwenden, er ſegnete die Verlob-
ten, und genoß in der lezten Stunde ſeines
Lebens die Freude, ſeinen einzigen Sohn ver-
heurathet zu ſehen.
Der zahlreiche Adel der ganzen groſſen
Hauptſtadt ſtaunte uͤber dieſe ſeltne und ſchnel-
le Heurath. Viele Muͤtter hatten bisher Ur-
ſache, zu hoffen, daß der ahnen- und geld-
reiche Graf eine ihrer Toͤchter zur Gemahlin
waͤhlen wuͤrde, viele Vaͤter glaubten mit Zu-
verſicht, daß er den Glanz ihrer zahlreichen
Ahnen erkennen, und die durch ihre Ver-
ſchwendung arm gemachte Tochter wieder reich
und gluͤcklich machen wuͤrde. Aller Ausſichten
waren nun vernichtet und verſchwunden, ein
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/72>, abgerufen am 25.11.2024.
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