Mutter Fluch nicht geachtet hatte. Erfüllung des schrecklichen Gebots, rief sie laut aus, hät- te mich äusserst unglücklich, aber doch nicht nam- los elend gemacht!
Der Mönch, dessen Herz väterliches Ge- fühl füllte, wünschte zu helfen und zu retten. Es sah als gewiß voraus, daß Trennung ihm seinen wiedergefundnen Sohn rauben und töd- ten würde, und suchte daher sein Leben durch wahrscheinlichen, möglichen Trost zu fristen. Komm, mein Schmerzenssohn, sprach er, komm, und folge mir, ich will dich zu den Füssen des heiligsten Vaters nach Avignon füh- ren, er allein kann vergeben, und eure fernere Ehe, wenn er die Umstände erwägt, bestätigen und billigen. Ihm ward Gewalt, zu lösen und zu binden, er wird mich hören, deinen Jammer sehen, und das Verbrechen lösen, welches auf eurer Ehe ruht, das ihr nicht vor- sätzlich übtet, das ihr gerne vernichten wolltet, wenns in eurer Macht stünde.
Mutter Fluch nicht geachtet hatte. Erfuͤllung des ſchrecklichen Gebots, rief ſie laut aus, haͤt- te mich aͤuſſerſt ungluͤcklich, aber doch nicht nam- los elend gemacht!
Der Moͤnch, deſſen Herz vaͤterliches Ge- fuͤhl fuͤllte, wuͤnſchte zu helfen und zu retten. Es ſah als gewiß voraus, daß Trennung ihm ſeinen wiedergefundnen Sohn rauben und toͤd- ten wuͤrde, und ſuchte daher ſein Leben durch wahrſcheinlichen, moͤglichen Troſt zu friſten. Komm, mein Schmerzensſohn, ſprach er, komm, und folge mir, ich will dich zu den Fuͤſſen des heiligſten Vaters nach Avignon fuͤh- ren, er allein kann vergeben, und eure fernere Ehe, wenn er die Umſtaͤnde erwaͤgt, beſtaͤtigen und billigen. Ihm ward Gewalt, zu loͤſen und zu binden, er wird mich hoͤren, deinen Jammer ſehen, und das Verbrechen loͤſen, welches auf eurer Ehe ruht, das ihr nicht vor- ſaͤtzlich uͤbtet, das ihr gerne vernichten wolltet, wenns in eurer Macht ſtuͤnde.
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Mutter Fluch nicht geachtet hatte. Erfuͤllung
des ſchrecklichen Gebots, rief ſie laut aus, haͤt-
te mich aͤuſſerſt ungluͤcklich, aber doch nicht nam-
los elend gemacht!
Der Moͤnch, deſſen Herz vaͤterliches Ge-
fuͤhl fuͤllte, wuͤnſchte zu helfen und zu retten.
Es ſah als gewiß voraus, daß Trennung ihm
ſeinen wiedergefundnen Sohn rauben und toͤd-
ten wuͤrde, und ſuchte daher ſein Leben durch
wahrſcheinlichen, moͤglichen Troſt zu friſten.
Komm, mein Schmerzensſohn, ſprach er,
komm, und folge mir, ich will dich zu den
Fuͤſſen des heiligſten Vaters nach Avignon fuͤh-
ren, er allein kann vergeben, und eure fernere
Ehe, wenn er die Umſtaͤnde erwaͤgt, beſtaͤtigen
und billigen. Ihm ward Gewalt, zu loͤſen
und zu binden, er wird mich hoͤren, deinen
Jammer ſehen, und das Verbrechen loͤſen,
welches auf eurer Ehe ruht, das ihr nicht vor-
ſaͤtzlich uͤbtet, das ihr gerne vernichten wolltet,
wenns in eurer Macht ſtuͤnde.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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