daß ich durch vier Jahre unbeschreiblich glück- lich im Arme meines Gatten lebte, ich will da- her nicht mit ihm hadern, und nicht seine An- klägerin bei Gott werden. Rückerinnerung an den unglücklichen, unschuldigen Sohn, den ich mit ihm gebahr, quält noch immer mein müt- terliches Herz. Ich konnte es nie erforschen: Ob er noch, und wie er lebe? Dein sei izt die Pflicht, dies Nachforschen fortzusetzen, ihn reichlich zu unterstützen, der Mutter Haabe mit ihm zu theilen, wenn du ihn arm, ihn als Bruder zu lieben, wenn du ihn reich und wohlhabend findest.
Oft wollte ich mich dem Kaiser nahen, und ihm entdecken, daß ich die Leidende sei, welche sein ermordeter Liebling einst so glücklich mach- te, aber immer zitterte ich zurück, wenn ich diesen Schritt wagen wollte, der dann nur erst zur Nothwendigkeit wird, wenn man Zweifel wider deine edle Geburt erregen sollte. Voll- bringe du dies Vorhaben, wenn deine Mutter starb, ehe sies vollbrachte, nahe dich mit dei-
daß ich durch vier Jahre unbeſchreiblich gluͤck- lich im Arme meines Gatten lebte, ich will da- her nicht mit ihm hadern, und nicht ſeine An- klaͤgerin bei Gott werden. Ruͤckerinnerung an den ungluͤcklichen, unſchuldigen Sohn, den ich mit ihm gebahr, quaͤlt noch immer mein muͤt- terliches Herz. Ich konnte es nie erforſchen: Ob er noch, und wie er lebe? Dein ſei izt die Pflicht, dies Nachforſchen fortzuſetzen, ihn reichlich zu unterſtuͤtzen, der Mutter Haabe mit ihm zu theilen, wenn du ihn arm, ihn als Bruder zu lieben, wenn du ihn reich und wohlhabend findeſt.
Oft wollte ich mich dem Kaiſer nahen, und ihm entdecken, daß ich die Leidende ſei, welche ſein ermordeter Liebling einſt ſo gluͤcklich mach- te, aber immer zitterte ich zuruͤck, wenn ich dieſen Schritt wagen wollte, der dann nur erſt zur Nothwendigkeit wird, wenn man Zweifel wider deine edle Geburt erregen ſollte. Voll- bringe du dies Vorhaben, wenn deine Mutter ſtarb, ehe ſies vollbrachte, nahe dich mit dei-
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daß ich durch vier Jahre unbeſchreiblich gluͤck-
lich im Arme meines Gatten lebte, ich will da-
her nicht mit ihm hadern, und nicht ſeine An-
klaͤgerin bei Gott werden. Ruͤckerinnerung an
den ungluͤcklichen, unſchuldigen Sohn, den ich
mit ihm gebahr, quaͤlt noch immer mein muͤt-
terliches Herz. Ich konnte es nie erforſchen:
Ob er noch, und wie er lebe? Dein ſei izt die
Pflicht, dies Nachforſchen fortzuſetzen, ihn
reichlich zu unterſtuͤtzen, der Mutter Haabe
mit ihm zu theilen, wenn du ihn arm, ihn
als Bruder zu lieben, wenn du ihn reich und
wohlhabend findeſt.
Oft wollte ich mich dem Kaiſer nahen, und
ihm entdecken, daß ich die Leidende ſei, welche
ſein ermordeter Liebling einſt ſo gluͤcklich mach-
te, aber immer zitterte ich zuruͤck, wenn ich
dieſen Schritt wagen wollte, der dann nur erſt
zur Nothwendigkeit wird, wenn man Zweifel
wider deine edle Geburt erregen ſollte. Voll-
bringe du dies Vorhaben, wenn deine Mutter
ſtarb, ehe ſies vollbrachte, nahe dich mit dei-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/286>, abgerufen am 24.11.2024.
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