hielt, doppelt. Vier Jahre -- ach die glücklichsten meines Lebens! -- verflossen nun in stiller, genußreicher Ruhe. Wohl zehnmal zog er unter dieser Zeit aus der Ab- sicht nach seines Vaters Hofe, um ihm seine Heurath zu entdecken, aber immer verschwieg er sie, weil er den möglichen, bösen Ausgang fürchtete, und sich keine Freude, kein Leben ohne mich denken konnte.
Als sein Vater den Zug nach Italien be- schlossen hatte, und ihn mit sich nehmen woll- te, da zwang ihn äusserste Noth endlich zur Entdeckung. Anfangs zürnte der sonst so gnädige Vater heftig, wie er ihm aber alles erzählte, ihn mein ehemaliges Schicksal aufs lebhafteste schilderte, meine Schönheit, meine Geistesgaben allzu reichlich lobpreißte, und ihm sein grosses Glück mit den rührendsten Worten erzählte, da neigte sich sein Herz zur Verzeihung, er vergab ihm den voreiligen
hielt, doppelt. Vier Jahre — ach die gluͤcklichſten meines Lebens! — verfloſſen nun in ſtiller, genußreicher Ruhe. Wohl zehnmal zog er unter dieſer Zeit aus der Ab- ſicht nach ſeines Vaters Hofe, um ihm ſeine Heurath zu entdecken, aber immer verſchwieg er ſie, weil er den moͤglichen, boͤſen Ausgang fuͤrchtete, und ſich keine Freude, kein Leben ohne mich denken konnte.
Als ſein Vater den Zug nach Italien be- ſchloſſen hatte, und ihn mit ſich nehmen woll- te, da zwang ihn aͤuſſerſte Noth endlich zur Entdeckung. Anfangs zuͤrnte der ſonſt ſo gnaͤdige Vater heftig, wie er ihm aber alles erzaͤhlte, ihn mein ehemaliges Schickſal aufs lebhafteſte ſchilderte, meine Schoͤnheit, meine Geiſtesgaben allzu reichlich lobpreißte, und ihm ſein groſſes Gluͤck mit den ruͤhrendſten Worten erzaͤhlte, da neigte ſich ſein Herz zur Verzeihung, er vergab ihm den voreiligen
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hielt, doppelt. Vier Jahre — ach die
gluͤcklichſten meines Lebens! — verfloſſen
nun in ſtiller, genußreicher Ruhe. Wohl
zehnmal zog er unter dieſer Zeit aus der Ab-
ſicht nach ſeines Vaters Hofe, um ihm ſeine
Heurath zu entdecken, aber immer verſchwieg
er ſie, weil er den moͤglichen, boͤſen Ausgang
fuͤrchtete, und ſich keine Freude, kein Leben
ohne mich denken konnte.
Als ſein Vater den Zug nach Italien be-
ſchloſſen hatte, und ihn mit ſich nehmen woll-
te, da zwang ihn aͤuſſerſte Noth endlich zur
Entdeckung. Anfangs zuͤrnte der ſonſt ſo
gnaͤdige Vater heftig, wie er ihm aber alles
erzaͤhlte, ihn mein ehemaliges Schickſal aufs
lebhafteſte ſchilderte, meine Schoͤnheit, meine
Geiſtesgaben allzu reichlich lobpreißte, und
ihm ſein groſſes Gluͤck mit den ruͤhrendſten
Worten erzaͤhlte, da neigte ſich ſein Herz zur
Verzeihung, er vergab ihm den voreiligen
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/271>, abgerufen am 24.11.2024.
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