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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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Verbindung mit dem Räuberhauptmanne, die
freilich kein Priester gesegnet hatte, die ich
ihm aber doch zu entdecken wünschte. Ich
kämpfte anhaltend, Schaam und Gefühl wi-
dersprach dem Bekenntnisse, das ich ohnehin
nicht leisten konnte, ich liebte stark und hef-
tig, ich widerstand nicht länger, und reichte
ihm am dritten Tage in der Burgkapelle mei-
ne Hand.

Er liebte mich als Gatte immer zärt-
licher, stets inniger, und verließ mich nur,
wenn äusserste Nothwendigkeit ihn zwang, am
Hofe seines Vaters zu erscheinen. Mit ver-
mehrter Zärtlichkeit und größter Sehnsucht
kehrte er dann in meine Arme zurück, und
genoß in meinen Armen das schönste Glück
der reinen Liebe. Oft weinte ich, wenn
ich seine zärtlichen Worte nur durch stumme
Blicke erwiedern konnte, oft wünschte ich
sehnlich sie durch deutlichere Zeichen ausdrücken

Verbindung mit dem Raͤuberhauptmanne, die
freilich kein Prieſter geſegnet hatte, die ich
ihm aber doch zu entdecken wuͤnſchte. Ich
kaͤmpfte anhaltend, Schaam und Gefuͤhl wi-
derſprach dem Bekenntniſſe, das ich ohnehin
nicht leiſten konnte, ich liebte ſtark und hef-
tig, ich widerſtand nicht laͤnger, und reichte
ihm am dritten Tage in der Burgkapelle mei-
ne Hand.

Er liebte mich als Gatte immer zaͤrt-
licher, ſtets inniger, und verließ mich nur,
wenn aͤuſſerſte Nothwendigkeit ihn zwang, am
Hofe ſeines Vaters zu erſcheinen. Mit ver-
mehrter Zaͤrtlichkeit und groͤßter Sehnſucht
kehrte er dann in meine Arme zuruͤck, und
genoß in meinen Armen das ſchoͤnſte Gluͤck
der reinen Liebe. Oft weinte ich, wenn
ich ſeine zaͤrtlichen Worte nur durch ſtumme
Blicke erwiedern konnte, oft wuͤnſchte ich
ſehnlich ſie durch deutlichere Zeichen ausdruͤcken

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[258/0268] Verbindung mit dem Raͤuberhauptmanne, die freilich kein Prieſter geſegnet hatte, die ich ihm aber doch zu entdecken wuͤnſchte. Ich kaͤmpfte anhaltend, Schaam und Gefuͤhl wi- derſprach dem Bekenntniſſe, das ich ohnehin nicht leiſten konnte, ich liebte ſtark und hef- tig, ich widerſtand nicht laͤnger, und reichte ihm am dritten Tage in der Burgkapelle mei- ne Hand. Er liebte mich als Gatte immer zaͤrt- licher, ſtets inniger, und verließ mich nur, wenn aͤuſſerſte Nothwendigkeit ihn zwang, am Hofe ſeines Vaters zu erſcheinen. Mit ver- mehrter Zaͤrtlichkeit und groͤßter Sehnſucht kehrte er dann in meine Arme zuruͤck, und genoß in meinen Armen das ſchoͤnſte Gluͤck der reinen Liebe. Oft weinte ich, wenn ich ſeine zaͤrtlichen Worte nur durch ſtumme Blicke erwiedern konnte, oft wuͤnſchte ich ſehnlich ſie durch deutlichere Zeichen ausdruͤcken

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/268>, abgerufen am 22.11.2024.