auf meinem Lager umher, ich sah nur ihre Ge- stalt, innige Liebe zu ihr wallte durch mein heisses Blut, durchdrang jede meiner Nerven, und machte sie kraftlos, ich glich einem Trän- menden, einem Kinde, das emporstrebt und wieder zurücksinkt.
Die Räuber achteten mich für krank, und gönnten mir Ruhe, ich nüzte sie, und verbarg mich täglich nahe bei der Kapelle, um die holde Dirne noch einmal zu sehen. Sie kam oft dahin, und meine Liebe mehrte sich immer, sie heischte stürmisch Trost und Rettung, ich wallte verzweiflungsvoll umher, und würde untergelegen seyn, wenn einige Räuber nicht meinen Zustand geahndet, mir Aussichten ge- öfnet hätten, die ich vorher nie zu denken wagte.
Sie riethen mir einstimmig, daß ich die Dirne entführen, und zu meinem Weibe ma-
auf meinem Lager umher, ich ſah nur ihre Ge- ſtalt, innige Liebe zu ihr wallte durch mein heiſſes Blut, durchdrang jede meiner Nerven, und machte ſie kraftlos, ich glich einem Traͤn- menden, einem Kinde, das emporſtrebt und wieder zuruͤckſinkt.
Die Raͤuber achteten mich fuͤr krank, und goͤnnten mir Ruhe, ich nuͤzte ſie, und verbarg mich taͤglich nahe bei der Kapelle, um die holde Dirne noch einmal zu ſehen. Sie kam oft dahin, und meine Liebe mehrte ſich immer, ſie heiſchte ſtuͤrmiſch Troſt und Rettung, ich wallte verzweiflungsvoll umher, und wuͤrde untergelegen ſeyn, wenn einige Raͤuber nicht meinen Zuſtand geahndet, mir Ausſichten ge- oͤfnet haͤtten, die ich vorher nie zu denken wagte.
Sie riethen mir einſtimmig, daß ich die Dirne entfuͤhren, und zu meinem Weibe ma-
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auf meinem Lager umher, ich ſah nur ihre Ge-
ſtalt, innige Liebe zu ihr wallte durch mein
heiſſes Blut, durchdrang jede meiner Nerven,
und machte ſie kraftlos, ich glich einem Traͤn-
menden, einem Kinde, das emporſtrebt und
wieder zuruͤckſinkt.
Die Raͤuber achteten mich fuͤr krank, und
goͤnnten mir Ruhe, ich nuͤzte ſie, und verbarg
mich taͤglich nahe bei der Kapelle, um die
holde Dirne noch einmal zu ſehen. Sie kam
oft dahin, und meine Liebe mehrte ſich immer,
ſie heiſchte ſtuͤrmiſch Troſt und Rettung, ich
wallte verzweiflungsvoll umher, und wuͤrde
untergelegen ſeyn, wenn einige Raͤuber nicht
meinen Zuſtand geahndet, mir Ausſichten ge-
oͤfnet haͤtten, die ich vorher nie zu denken
wagte.
Sie riethen mir einſtimmig, daß ich die
Dirne entfuͤhren, und zu meinem Weibe ma-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/236>, abgerufen am 22.11.2024.
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