zu sterben. Ich bekenne es dir offen, daß ich in ihrer Gesellschaft raubte, und mir bald durch meine Tapferkeit Ansehen und Hochachtung erwarb.
Um ihren mächtigen Bund für Entdek- kung, und möglichem Verrath zu sichern, hatten sie manche grausame Gesetze unter sich errichtet. Eines der grausamsten war, daß zwar jedes Glied berechtigt war, sich unter den Töchtern des Landes eine Dirne zu rau- ben, und sie als sein Weib heimzuführen, aber er mußte vorher schwören, daß er es nicht hindern wolle, wenn man der Unglück- lichen die Zunge abschneide, damit sie bei möglicher Flucht oder Entdeckung nichts ver- rathen könne. Ich schauderte, als ich sehr viele solcher unglücklichen Geschöpfe in den Höhlen umherwandeln sah, ich staunte aber noch mehr, als ich mich überzeugte, daß viele dieser sprachlosen Dirnen ihren Gatten
offen
zu ſterben. Ich bekenne es dir offen, daß ich in ihrer Geſellſchaft raubte, und mir bald durch meine Tapferkeit Anſehen und Hochachtung erwarb.
Um ihren maͤchtigen Bund fuͤr Entdek- kung, und moͤglichem Verrath zu ſichern, hatten ſie manche grauſame Geſetze unter ſich errichtet. Eines der grauſamſten war, daß zwar jedes Glied berechtigt war, ſich unter den Toͤchtern des Landes eine Dirne zu rau- ben, und ſie als ſein Weib heimzufuͤhren, aber er mußte vorher ſchwoͤren, daß er es nicht hindern wolle, wenn man der Ungluͤck- lichen die Zunge abſchneide, damit ſie bei moͤglicher Flucht oder Entdeckung nichts ver- rathen koͤnne. Ich ſchauderte, als ich ſehr viele ſolcher ungluͤcklichen Geſchoͤpfe in den Hoͤhlen umherwandeln ſah, ich ſtaunte aber noch mehr, als ich mich uͤberzeugte, daß viele dieſer ſprachloſen Dirnen ihren Gatten
offen
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zu ſterben. Ich bekenne es dir offen, daß
ich in ihrer Geſellſchaft raubte, und mir
bald durch meine Tapferkeit Anſehen und
Hochachtung erwarb.
Um ihren maͤchtigen Bund fuͤr Entdek-
kung, und moͤglichem Verrath zu ſichern,
hatten ſie manche grauſame Geſetze unter ſich
errichtet. Eines der grauſamſten war, daß
zwar jedes Glied berechtigt war, ſich unter
den Toͤchtern des Landes eine Dirne zu rau-
ben, und ſie als ſein Weib heimzufuͤhren,
aber er mußte vorher ſchwoͤren, daß er es
nicht hindern wolle, wenn man der Ungluͤck-
lichen die Zunge abſchneide, damit ſie bei
moͤglicher Flucht oder Entdeckung nichts ver-
rathen koͤnne. Ich ſchauderte, als ich ſehr
viele ſolcher ungluͤcklichen Geſchoͤpfe in den
Hoͤhlen umherwandeln ſah, ich ſtaunte aber
noch mehr, als ich mich uͤberzeugte, daß
viele dieſer ſprachloſen Dirnen ihren Gatten
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/234>, abgerufen am 24.11.2024.
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