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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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er schwankende Brücken über die fürchterlich-
sten Abgründe, dort stellt er warnende Zei-
chen am Gräbchen aus, das der sechsjährige
Knabe ohne Gefahr überschreiten kann. Er
läßt seine Diener am schroffen Felsen umher-
klettern, und spottet des Klugen, der auf
der breiten, gebahnten Heerstrasse wandelt.
Er entreißt der weinenden Witwe den schir-
menden Schild, und deckt damit den Mörder
ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne
seine Hand, und stößt die tugendhafte Jung-
frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene
leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche
Hütte des Weisen, und baut der Dummheit
vergoldete Palläste. Er stiehlt dem hungrigen
Armen sein Brod, und mästet damit die
Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen
und Lumpen, und läßt sich solche gleich Dia-
manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig-
keit mit der Elle, und verkauft die Länge ei-
nes Jahrtausends für einen Pfennig! Er be-

O 2

er ſchwankende Bruͤcken uͤber die fuͤrchterlich-
ſten Abgruͤnde, dort ſtellt er warnende Zei-
chen am Graͤbchen aus, das der ſechsjaͤhrige
Knabe ohne Gefahr uͤberſchreiten kann. Er
laͤßt ſeine Diener am ſchroffen Felſen umher-
klettern, und ſpottet des Klugen, der auf
der breiten, gebahnten Heerſtraſſe wandelt.
Er entreißt der weinenden Witwe den ſchir-
menden Schild, und deckt damit den Moͤrder
ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne
ſeine Hand, und ſtoͤßt die tugendhafte Jung-
frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene
leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche
Huͤtte des Weiſen, und baut der Dummheit
vergoldete Pallaͤſte. Er ſtiehlt dem hungrigen
Armen ſein Brod, und maͤſtet damit die
Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen
und Lumpen, und laͤßt ſich ſolche gleich Dia-
manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig-
keit mit der Elle, und verkauft die Laͤnge ei-
nes Jahrtauſends fuͤr einen Pfennig! Er be-

O 2
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[211/0221] er ſchwankende Bruͤcken uͤber die fuͤrchterlich- ſten Abgruͤnde, dort ſtellt er warnende Zei- chen am Graͤbchen aus, das der ſechsjaͤhrige Knabe ohne Gefahr uͤberſchreiten kann. Er laͤßt ſeine Diener am ſchroffen Felſen umher- klettern, und ſpottet des Klugen, der auf der breiten, gebahnten Heerſtraſſe wandelt. Er entreißt der weinenden Witwe den ſchir- menden Schild, und deckt damit den Moͤrder ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne ſeine Hand, und ſtoͤßt die tugendhafte Jung- frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche Huͤtte des Weiſen, und baut der Dummheit vergoldete Pallaͤſte. Er ſtiehlt dem hungrigen Armen ſein Brod, und maͤſtet damit die Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen und Lumpen, und laͤßt ſich ſolche gleich Dia- manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig- keit mit der Elle, und verkauft die Laͤnge ei- nes Jahrtauſends fuͤr einen Pfennig! Er be- O 2

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/221>, abgerufen am 25.11.2024.