er schwankende Brücken über die fürchterlich- sten Abgründe, dort stellt er warnende Zei- chen am Gräbchen aus, das der sechsjährige Knabe ohne Gefahr überschreiten kann. Er läßt seine Diener am schroffen Felsen umher- klettern, und spottet des Klugen, der auf der breiten, gebahnten Heerstrasse wandelt. Er entreißt der weinenden Witwe den schir- menden Schild, und deckt damit den Mörder ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne seine Hand, und stößt die tugendhafte Jung- frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche Hütte des Weisen, und baut der Dummheit vergoldete Palläste. Er stiehlt dem hungrigen Armen sein Brod, und mästet damit die Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen und Lumpen, und läßt sich solche gleich Dia- manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig- keit mit der Elle, und verkauft die Länge ei- nes Jahrtausends für einen Pfennig! Er be-
O 2
er ſchwankende Bruͤcken uͤber die fuͤrchterlich- ſten Abgruͤnde, dort ſtellt er warnende Zei- chen am Graͤbchen aus, das der ſechsjaͤhrige Knabe ohne Gefahr uͤberſchreiten kann. Er laͤßt ſeine Diener am ſchroffen Felſen umher- klettern, und ſpottet des Klugen, der auf der breiten, gebahnten Heerſtraſſe wandelt. Er entreißt der weinenden Witwe den ſchir- menden Schild, und deckt damit den Moͤrder ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne ſeine Hand, und ſtoͤßt die tugendhafte Jung- frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche Huͤtte des Weiſen, und baut der Dummheit vergoldete Pallaͤſte. Er ſtiehlt dem hungrigen Armen ſein Brod, und maͤſtet damit die Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen und Lumpen, und laͤßt ſich ſolche gleich Dia- manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig- keit mit der Elle, und verkauft die Laͤnge ei- nes Jahrtauſends fuͤr einen Pfennig! Er be-
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0221"n="211"/>
er ſchwankende Bruͤcken uͤber die fuͤrchterlich-<lb/>ſten Abgruͤnde, dort ſtellt er warnende Zei-<lb/>
chen am Graͤbchen aus, das der ſechsjaͤhrige<lb/>
Knabe ohne Gefahr uͤberſchreiten kann. Er<lb/>
laͤßt ſeine Diener am ſchroffen Felſen umher-<lb/>
klettern, und ſpottet des Klugen, der auf<lb/>
der breiten, gebahnten Heerſtraſſe wandelt.<lb/>
Er entreißt der weinenden Witwe den ſchir-<lb/>
menden Schild, und deckt damit den Moͤrder<lb/>
ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne<lb/>ſeine Hand, und ſtoͤßt die tugendhafte Jung-<lb/>
frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene<lb/>
leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche<lb/>
Huͤtte des Weiſen, und baut der Dummheit<lb/>
vergoldete Pallaͤſte. Er ſtiehlt dem hungrigen<lb/>
Armen ſein Brod, und maͤſtet damit die<lb/>
Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen<lb/>
und Lumpen, und laͤßt ſich ſolche gleich Dia-<lb/>
manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig-<lb/>
keit mit der Elle, und verkauft die Laͤnge ei-<lb/>
nes Jahrtauſends fuͤr einen Pfennig! Er be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[211/0221]
er ſchwankende Bruͤcken uͤber die fuͤrchterlich-
ſten Abgruͤnde, dort ſtellt er warnende Zei-
chen am Graͤbchen aus, das der ſechsjaͤhrige
Knabe ohne Gefahr uͤberſchreiten kann. Er
laͤßt ſeine Diener am ſchroffen Felſen umher-
klettern, und ſpottet des Klugen, der auf
der breiten, gebahnten Heerſtraſſe wandelt.
Er entreißt der weinenden Witwe den ſchir-
menden Schild, und deckt damit den Moͤrder
ihres Gatten. Er reicht der frohen Buhldirne
ſeine Hand, und ſtoͤßt die tugendhafte Jung-
frau vom Pfade hinab, auf welchem er jene
leiten will. Er wirft Feuer in die friedliche
Huͤtte des Weiſen, und baut der Dummheit
vergoldete Pallaͤſte. Er ſtiehlt dem hungrigen
Armen ſein Brod, und maͤſtet damit die
Hunde der Reichen. Er handelt mit Fetzen
und Lumpen, und laͤßt ſich ſolche gleich Dia-
manten bezahlen. Er mißt die ewige Selig-
keit mit der Elle, und verkauft die Laͤnge ei-
nes Jahrtauſends fuͤr einen Pfennig! Er be-
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/221>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.