gung seiner bangen Sehnsucht nicht wählen, Müssiggang und Zeit zum Nachdenken ver- mehrte seine Marter um ein Grosses, sie ward ihm oft unausstehlich, er suchte -- wenn er stundenlang auf einen Blick seiner Geliebten gelauert hatte -- Zerstreuung, Erholung, und fand sie im Trink- oder Spielhause.
So lange es ihm vergönnt war, seine Sophie oft zu sehen, und zu sprechen, hatte er diese Häuser äusserst sparsam besucht, die mächtigste Leidenschaft des Menschen, die all- mächtige Liebe hatte jede andere Leidenschaft besiegt, itzt rächten diese den Sieg, und keimten durch listige Vorstellung, daß ihr Ver- gnügen die Qualen der Liebe mindere, wie- der mächtig empor, Wilhelm trank und spiel- te bald stärker als vorher. Um diesen Auf- wand zu bestreiten, langte seine Löhnung nicht zu, die Eltern gaben ihm freilich eine mo- nathliche Zulage, aber auch diese ward oft in
gung ſeiner bangen Sehnſucht nicht waͤhlen, Muͤſſiggang und Zeit zum Nachdenken ver- mehrte ſeine Marter um ein Groſſes, ſie ward ihm oft unausſtehlich, er ſuchte — wenn er ſtundenlang auf einen Blick ſeiner Geliebten gelauert hatte — Zerſtreuung, Erholung, und fand ſie im Trink- oder Spielhauſe.
So lange es ihm vergoͤnnt war, ſeine Sophie oft zu ſehen, und zu ſprechen, hatte er dieſe Haͤuſer aͤuſſerſt ſparſam beſucht, die maͤchtigſte Leidenſchaft des Menſchen, die all- maͤchtige Liebe hatte jede andere Leidenſchaft beſiegt, itzt raͤchten dieſe den Sieg, und keimten durch liſtige Vorſtellung, daß ihr Ver- gnuͤgen die Qualen der Liebe mindere, wie- der maͤchtig empor, Wilhelm trank und ſpiel- te bald ſtaͤrker als vorher. Um dieſen Auf- wand zu beſtreiten, langte ſeine Loͤhnung nicht zu, die Eltern gaben ihm freilich eine mo- nathliche Zulage, aber auch dieſe ward oft in
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gung ſeiner bangen Sehnſucht nicht waͤhlen,
Muͤſſiggang und Zeit zum Nachdenken ver-
mehrte ſeine Marter um ein Groſſes, ſie ward
ihm oft unausſtehlich, er ſuchte — wenn er
ſtundenlang auf einen Blick ſeiner Geliebten
gelauert hatte — Zerſtreuung, Erholung, und
fand ſie im Trink- oder Spielhauſe.
So lange es ihm vergoͤnnt war, ſeine
Sophie oft zu ſehen, und zu ſprechen, hatte
er dieſe Haͤuſer aͤuſſerſt ſparſam beſucht, die
maͤchtigſte Leidenſchaft des Menſchen, die all-
maͤchtige Liebe hatte jede andere Leidenſchaft
beſiegt, itzt raͤchten dieſe den Sieg, und
keimten durch liſtige Vorſtellung, daß ihr Ver-
gnuͤgen die Qualen der Liebe mindere, wie-
der maͤchtig empor, Wilhelm trank und ſpiel-
te bald ſtaͤrker als vorher. Um dieſen Auf-
wand zu beſtreiten, langte ſeine Loͤhnung nicht
zu, die Eltern gaben ihm freilich eine mo-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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