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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

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ne Kinder gesund lebten; aber traurig sank
sein hoffendes Auge zur Erde, wie sie ihm
erzählte, daß seine wohlthätige Fürstin den
Brief, welchen er ihr an seine Gattin hinter-
lassen hatte, noch nicht abgeschickt habe, auch
nicht abschicken könne, weil sie als gewiß er-
fahren habe, daß ein heimlicher Späher des
Fürsten die Gräfin genau beobachte, alle ihre
Korrespondenz ingeheim untersuche, und
durch die geringste Spur auf Entdeckung gelei-
tet werden könne. Der arme Verbannte
fühlte bei dieser Nachricht das Leiden der ver-
laßnen Gattin, er flehte aufs neue, daß man
ihr nur von seinem Leben, von seiner Gesund-
heit Nachricht geben solle, und ging izt trau-
riger, tief leidend hinter seiner Heerde,
weil ihn auch der einzige Trost, einige Zeilen
von der geliebten Gattin zu lesen, geraubt
wurde.

ne Kinder geſund lebten; aber traurig ſank
ſein hoffendes Auge zur Erde, wie ſie ihm
erzaͤhlte, daß ſeine wohlthaͤtige Fuͤrſtin den
Brief, welchen er ihr an ſeine Gattin hinter-
laſſen hatte, noch nicht abgeſchickt habe, auch
nicht abſchicken koͤnne, weil ſie als gewiß er-
fahren habe, daß ein heimlicher Spaͤher des
Fuͤrſten die Graͤfin genau beobachte, alle ihre
Korreſpondenz ingeheim unterſuche, und
durch die geringſte Spur auf Entdeckung gelei-
tet werden koͤnne. Der arme Verbannte
fuͤhlte bei dieſer Nachricht das Leiden der ver-
laßnen Gattin, er flehte aufs neue, daß man
ihr nur von ſeinem Leben, von ſeiner Geſund-
heit Nachricht geben ſolle, und ging izt trau-
riger, tief leidend hinter ſeiner Heerde,
weil ihn auch der einzige Troſt, einige Zeilen
von der geliebten Gattin zu leſen, geraubt
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[156/0166] ne Kinder geſund lebten; aber traurig ſank ſein hoffendes Auge zur Erde, wie ſie ihm erzaͤhlte, daß ſeine wohlthaͤtige Fuͤrſtin den Brief, welchen er ihr an ſeine Gattin hinter- laſſen hatte, noch nicht abgeſchickt habe, auch nicht abſchicken koͤnne, weil ſie als gewiß er- fahren habe, daß ein heimlicher Spaͤher des Fuͤrſten die Graͤfin genau beobachte, alle ihre Korreſpondenz ingeheim unterſuche, und durch die geringſte Spur auf Entdeckung gelei- tet werden koͤnne. Der arme Verbannte fuͤhlte bei dieſer Nachricht das Leiden der ver- laßnen Gattin, er flehte aufs neue, daß man ihr nur von ſeinem Leben, von ſeiner Geſund- heit Nachricht geben ſolle, und ging izt trau- riger, tief leidend hinter ſeiner Heerde, weil ihn auch der einzige Troſt, einige Zeilen von der geliebten Gattin zu leſen, geraubt wurde.

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/166>, abgerufen am 22.11.2024.