keit zu mehren, und durch reichliche Wohltha- ten die Thränen der Armuth zu trocknen. Sie ward bald in der ganzen Gegend als eine wohl- thätige Gottheit verehrt, weil sie reichlich gab, weil sie jedem zu helfen suchte, aber sie em- pfand die Wonne, glücklich zu machen, nie in seiner vollen Grösse, weil sie in jedem Bitten- den ihren nothleidenden Gatten erblickte, ihn eben so dürftig und hülflos dachte, und eben dadurch zu neuer Trauer gereizt wurde.
Drei lange Jahre verflossen auf diese Art -- -- Doch ehe ich weiter erzähle, muß ich zuvor das Schicksal des entflohnen Grafen enthüllen, und meinen Lesern kund machen: wie er entfloh? wie er entfliehen konnte? -- Schwer ruhte der Gedanke, daß der Fürst nicht edel, nur durch blinde Rache irre gelei- tet, handle, auf dem Herzen der menschen- freundlichen Fürstin. Sie kannte seinen Bieder- sinn, seinen Edelmuth, sie war überzeugt, daß
keit zu mehren, und durch reichliche Wohltha- ten die Thraͤnen der Armuth zu trocknen. Sie ward bald in der ganzen Gegend als eine wohl- thaͤtige Gottheit verehrt, weil ſie reichlich gab, weil ſie jedem zu helfen ſuchte, aber ſie em- pfand die Wonne, gluͤcklich zu machen, nie in ſeiner vollen Groͤſſe, weil ſie in jedem Bitten- den ihren nothleidenden Gatten erblickte, ihn eben ſo duͤrftig und huͤlflos dachte, und eben dadurch zu neuer Trauer gereizt wurde.
Drei lange Jahre verfloſſen auf dieſe Art — — Doch ehe ich weiter erzaͤhle, muß ich zuvor das Schickſal des entflohnen Grafen enthuͤllen, und meinen Leſern kund machen: wie er entfloh? wie er entfliehen konnte? — Schwer ruhte der Gedanke, daß der Fuͤrſt nicht edel, nur durch blinde Rache irre gelei- tet, handle, auf dem Herzen der menſchen- freundlichen Fuͤrſtin. Sie kannte ſeinen Bieder- ſinn, ſeinen Edelmuth, ſie war uͤberzeugt, daß
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keit zu mehren, und durch reichliche Wohltha-
ten die Thraͤnen der Armuth zu trocknen. Sie
ward bald in der ganzen Gegend als eine wohl-
thaͤtige Gottheit verehrt, weil ſie reichlich gab,
weil ſie jedem zu helfen ſuchte, aber ſie em-
pfand die Wonne, gluͤcklich zu machen, nie in
ſeiner vollen Groͤſſe, weil ſie in jedem Bitten-
den ihren nothleidenden Gatten erblickte, ihn
eben ſo duͤrftig und huͤlflos dachte, und eben
dadurch zu neuer Trauer gereizt wurde.
Drei lange Jahre verfloſſen auf dieſe
Art — — Doch ehe ich weiter erzaͤhle, muß
ich zuvor das Schickſal des entflohnen Grafen
enthuͤllen, und meinen Leſern kund machen:
wie er entfloh? wie er entfliehen konnte? —
Schwer ruhte der Gedanke, daß der Fuͤrſt
nicht edel, nur durch blinde Rache irre gelei-
tet, handle, auf dem Herzen der menſchen-
freundlichen Fuͤrſtin. Sie kannte ſeinen Bieder-
ſinn, ſeinen Edelmuth, ſie war uͤberzeugt, daß
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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