mit einmal nieder kniete, und abermals Gnade! Gnade! rief, aber er faßte sich schnell, winkte den Knienden mit der Hand, und eilte in sein Zimmer.
Viele nahmen diesen Wink als einen Be- weis der Erhörung, aber mehrere meinten, daß den Unglücklichen nur Gott retten könne, und bei dem Fürsten keine Gnade zu hoffen sey. Ihre Meinung ward durch die Folge be- stätigt; noch am nemlichen Tage wards all- gemein kund, daß der unglückliche Graf am folgenden Morgen unwiderruflich auf dem Ra- bensteine bluten müsse. Jeder, der es hörte, weihte ihm eine neue Thräne, und blickte dann betend zu Gott empor, damit sein To- deskampf kurz und standhaft seyn möge.
Es war eben hoch im Sommer, schon um vier Uhr früh ging die Sonne auf. Mit ihrem Aufgange versammelten sich auch die
mit einmal nieder kniete, und abermals Gnade! Gnade! rief, aber er faßte ſich ſchnell, winkte den Knienden mit der Hand, und eilte in ſein Zimmer.
Viele nahmen dieſen Wink als einen Be- weis der Erhoͤrung, aber mehrere meinten, daß den Ungluͤcklichen nur Gott retten koͤnne, und bei dem Fuͤrſten keine Gnade zu hoffen ſey. Ihre Meinung ward durch die Folge be- ſtaͤtigt; noch am nemlichen Tage wards all- gemein kund, daß der ungluͤckliche Graf am folgenden Morgen unwiderruflich auf dem Ra- benſteine bluten muͤſſe. Jeder, der es hoͤrte, weihte ihm eine neue Thraͤne, und blickte dann betend zu Gott empor, damit ſein To- deskampf kurz und ſtandhaft ſeyn moͤge.
Es war eben hoch im Sommer, ſchon um vier Uhr fruͤh ging die Sonne auf. Mit ihrem Aufgange verſammelten ſich auch die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0130"n="120"/>
mit einmal nieder kniete, und abermals<lb/>
Gnade! Gnade! rief, aber er faßte ſich<lb/>ſchnell, winkte den Knienden mit der Hand,<lb/>
und eilte in ſein Zimmer.</p><lb/><p>Viele nahmen dieſen Wink als einen Be-<lb/>
weis der Erhoͤrung, aber mehrere meinten,<lb/>
daß den Ungluͤcklichen nur Gott retten koͤnne,<lb/>
und bei dem Fuͤrſten keine Gnade zu hoffen<lb/>ſey. Ihre Meinung ward durch die Folge be-<lb/>ſtaͤtigt; noch am nemlichen Tage wards all-<lb/>
gemein kund, daß der ungluͤckliche Graf am<lb/>
folgenden Morgen unwiderruflich auf dem Ra-<lb/>
benſteine bluten muͤſſe. Jeder, der es hoͤrte,<lb/>
weihte ihm eine neue Thraͤne, und blickte<lb/>
dann betend zu Gott empor, damit ſein To-<lb/>
deskampf kurz und ſtandhaft ſeyn moͤge.</p><lb/><p>Es war eben hoch im Sommer, ſchon<lb/>
um vier Uhr fruͤh ging die Sonne auf. Mit<lb/>
ihrem Aufgange verſammelten ſich auch die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[120/0130]
mit einmal nieder kniete, und abermals
Gnade! Gnade! rief, aber er faßte ſich
ſchnell, winkte den Knienden mit der Hand,
und eilte in ſein Zimmer.
Viele nahmen dieſen Wink als einen Be-
weis der Erhoͤrung, aber mehrere meinten,
daß den Ungluͤcklichen nur Gott retten koͤnne,
und bei dem Fuͤrſten keine Gnade zu hoffen
ſey. Ihre Meinung ward durch die Folge be-
ſtaͤtigt; noch am nemlichen Tage wards all-
gemein kund, daß der ungluͤckliche Graf am
folgenden Morgen unwiderruflich auf dem Ra-
benſteine bluten muͤſſe. Jeder, der es hoͤrte,
weihte ihm eine neue Thraͤne, und blickte
dann betend zu Gott empor, damit ſein To-
deskampf kurz und ſtandhaft ſeyn moͤge.
Es war eben hoch im Sommer, ſchon
um vier Uhr fruͤh ging die Sonne auf. Mit
ihrem Aufgange verſammelten ſich auch die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/130>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.