lungsvollen Tone aus, und drang ins Ge- mach der Gräfin. Sie hatte im Gehen die Worte geordnet, mit welchen sie das Herz derselben erweichen wollte, izt hemmte die Grösse ihres Leidens die Organe der Sprache, sie stürzte wimmernd zu den Füßen der Grä- fin nieder, sie umklammerte ihre Knie, sie wollte sprechen, und vermochte es nicht. Die armen Kinder knieten hinter ihr, hoben ihre Hände in die Höhe, und weinten laut. Weg von mir, Schlange! Weg von mir! Nat- terbrut! schrie die Gräfin, entriß sich den Händen der Bittenden, und entschlüpfte in ihr Kabinet, das sie fest hinter sich verrie- gelte.
Einige Bedienten schleppten die Jam- mernde ins Vorgemach, und überließen sie dort der Verzweiflung zum Raube. Bald hernach wankte sie heim, schrieb einige zit- ternde Zeilen an die Fürstin, und wollte
lungsvollen Tone aus, und drang ins Ge- mach der Graͤfin. Sie hatte im Gehen die Worte geordnet, mit welchen ſie das Herz derſelben erweichen wollte, izt hemmte die Groͤſſe ihres Leidens die Organe der Sprache, ſie ſtuͤrzte wimmernd zu den Fuͤßen der Graͤ- fin nieder, ſie umklammerte ihre Knie, ſie wollte ſprechen, und vermochte es nicht. Die armen Kinder knieten hinter ihr, hoben ihre Haͤnde in die Hoͤhe, und weinten laut. Weg von mir, Schlange! Weg von mir! Nat- terbrut! ſchrie die Graͤfin, entriß ſich den Haͤnden der Bittenden, und entſchluͤpfte in ihr Kabinet, das ſie feſt hinter ſich verrie- gelte.
Einige Bedienten ſchleppten die Jam- mernde ins Vorgemach, und uͤberließen ſie dort der Verzweiflung zum Raube. Bald hernach wankte ſie heim, ſchrieb einige zit- ternde Zeilen an die Fuͤrſtin, und wollte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0126"n="116"/>
lungsvollen Tone aus, und drang ins Ge-<lb/>
mach der Graͤfin. Sie hatte im Gehen die<lb/>
Worte geordnet, mit welchen ſie das Herz<lb/>
derſelben erweichen wollte, izt hemmte die<lb/>
Groͤſſe ihres Leidens die Organe der Sprache,<lb/>ſie ſtuͤrzte wimmernd zu den Fuͤßen der Graͤ-<lb/>
fin nieder, ſie umklammerte ihre Knie, ſie<lb/>
wollte ſprechen, und vermochte es nicht. Die<lb/>
armen Kinder knieten hinter ihr, hoben ihre<lb/>
Haͤnde in die Hoͤhe, und weinten laut. Weg<lb/>
von mir, Schlange! Weg von mir! Nat-<lb/>
terbrut! ſchrie die Graͤfin, entriß ſich den<lb/>
Haͤnden der Bittenden, und entſchluͤpfte in<lb/>
ihr Kabinet, das ſie feſt hinter ſich verrie-<lb/>
gelte.</p><lb/><p>Einige Bedienten ſchleppten die Jam-<lb/>
mernde ins Vorgemach, und uͤberließen ſie<lb/>
dort der Verzweiflung zum Raube. Bald<lb/>
hernach wankte ſie heim, ſchrieb einige zit-<lb/>
ternde Zeilen an die Fuͤrſtin, und wollte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0126]
lungsvollen Tone aus, und drang ins Ge-
mach der Graͤfin. Sie hatte im Gehen die
Worte geordnet, mit welchen ſie das Herz
derſelben erweichen wollte, izt hemmte die
Groͤſſe ihres Leidens die Organe der Sprache,
ſie ſtuͤrzte wimmernd zu den Fuͤßen der Graͤ-
fin nieder, ſie umklammerte ihre Knie, ſie
wollte ſprechen, und vermochte es nicht. Die
armen Kinder knieten hinter ihr, hoben ihre
Haͤnde in die Hoͤhe, und weinten laut. Weg
von mir, Schlange! Weg von mir! Nat-
terbrut! ſchrie die Graͤfin, entriß ſich den
Haͤnden der Bittenden, und entſchluͤpfte in
ihr Kabinet, das ſie feſt hinter ſich verrie-
gelte.
Einige Bedienten ſchleppten die Jam-
mernde ins Vorgemach, und uͤberließen ſie
dort der Verzweiflung zum Raube. Bald
hernach wankte ſie heim, ſchrieb einige zit-
ternde Zeilen an die Fuͤrſtin, und wollte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/126>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.