Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihre Kräfte wichen, sie sank leblos zur
Erde, aber Angst und nahende Verzweiflung
riß sie wieder auf ihre Knie empor, sie streck-
te ihre Arme fürchterlich in die Höhe, und
flehte mit zitternden Lippen, mit stammeln-
den Worten Gottes Allmacht und Barmher-
zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie schiens
nicht zu achten, nicht zu fühlen, als man
auch noch das Wenige, was man anfangs für
ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg-
te, sie folgte willig, wie man ihr kund mach-
te, daß sie ein Haus, welches auf fürstlichen
Befehl konfiszirt sey, verlassen müsse.

Einer ihrer alten, aber auch treusten
Diener, leitete sie nach seiner elenden Woh-
nung, sie führte ihre Kinder am Arme, und
blickte mit starrem Auge zum Himmel empor.
Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit
thränendem Auge, mit gerührtem Herzen.
Schon wähnte der treue Diener, daß ihre

Ihre Kraͤfte wichen, ſie ſank leblos zur
Erde, aber Angſt und nahende Verzweiflung
riß ſie wieder auf ihre Knie empor, ſie ſtreck-
te ihre Arme fuͤrchterlich in die Hoͤhe, und
flehte mit zitternden Lippen, mit ſtammeln-
den Worten Gottes Allmacht und Barmher-
zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie ſchiens
nicht zu achten, nicht zu fuͤhlen, als man
auch noch das Wenige, was man anfangs fuͤr
ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg-
te, ſie folgte willig, wie man ihr kund mach-
te, daß ſie ein Haus, welches auf fuͤrſtlichen
Befehl konfiszirt ſey, verlaſſen muͤſſe.

Einer ihrer alten, aber auch treuſten
Diener, leitete ſie nach ſeiner elenden Woh-
nung, ſie fuͤhrte ihre Kinder am Arme, und
blickte mit ſtarrem Auge zum Himmel empor.
Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit
thraͤnendem Auge, mit geruͤhrtem Herzen.
Schon waͤhnte der treue Diener, daß ihre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0121" n="111"/>
        <p>Ihre Kra&#x0364;fte wichen, &#x017F;ie &#x017F;ank leblos zur<lb/>
Erde, aber Ang&#x017F;t und nahende Verzweiflung<lb/>
riß &#x017F;ie wieder auf ihre Knie empor, &#x017F;ie &#x017F;treck-<lb/>
te ihre Arme fu&#x0364;rchterlich in die Ho&#x0364;he, und<lb/>
flehte mit zitternden Lippen, mit &#x017F;tammeln-<lb/>
den Worten Gottes Allmacht und Barmher-<lb/>
zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie &#x017F;chiens<lb/>
nicht zu achten, nicht zu fu&#x0364;hlen, als man<lb/>
auch noch das Wenige, was man anfangs fu&#x0364;r<lb/>
ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg-<lb/>
te, &#x017F;ie folgte willig, wie man ihr kund mach-<lb/>
te, daß &#x017F;ie ein Haus, welches auf fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
Befehl konfiszirt &#x017F;ey, verla&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Einer ihrer alten, aber auch treu&#x017F;ten<lb/>
Diener, leitete &#x017F;ie nach &#x017F;einer elenden Woh-<lb/>
nung, &#x017F;ie fu&#x0364;hrte ihre Kinder am Arme, und<lb/>
blickte mit &#x017F;tarrem Auge zum Himmel empor.<lb/>
Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit<lb/>
thra&#x0364;nendem Auge, mit geru&#x0364;hrtem Herzen.<lb/>
Schon wa&#x0364;hnte der treue Diener, daß ihre<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0121] Ihre Kraͤfte wichen, ſie ſank leblos zur Erde, aber Angſt und nahende Verzweiflung riß ſie wieder auf ihre Knie empor, ſie ſtreck- te ihre Arme fuͤrchterlich in die Hoͤhe, und flehte mit zitternden Lippen, mit ſtammeln- den Worten Gottes Allmacht und Barmher- zigkeit zu ihrer Rettung herab. Sie ſchiens nicht zu achten, nicht zu fuͤhlen, als man auch noch das Wenige, was man anfangs fuͤr ihr Eigenthum erkannte, mit Siegeln beleg- te, ſie folgte willig, wie man ihr kund mach- te, daß ſie ein Haus, welches auf fuͤrſtlichen Befehl konfiszirt ſey, verlaſſen muͤſſe. Einer ihrer alten, aber auch treuſten Diener, leitete ſie nach ſeiner elenden Woh- nung, ſie fuͤhrte ihre Kinder am Arme, und blickte mit ſtarrem Auge zum Himmel empor. Eine Menge Volks folgte der Leidenden mit thraͤnendem Auge, mit geruͤhrtem Herzen. Schon waͤhnte der treue Diener, daß ihre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/121
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/121>, abgerufen am 28.11.2024.