Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

haftete nicht, mit ihr ward meine Freude,
mein Glück, meine Ruhe zu Grabe getragen.

Der Mutter Tod war nun würklich ein
ächtes Hinderniß meiner Verbindung gewor-
den. Die Verlobte konnte nicht länger in
unserm Schlosse weilen, sie schied ahndend
und äußerst traurig von mir, ich durfte sie
nicht begleiten, weil nach der Versicherung
meines Vaters kein Platz im Wagen sei,
und er sie selbst heimführte; ich durfte sie
nicht besuchen, weil es sich nach seinem Aus-
spruche, nicht zieme, daß der trauernde Sohn
geckenmäßig auf verliebten Spaziergängen um-
herirre. Ihre Briefe waren daher mein ein-
ziger Trost, ihr größtes Vergnügen, die mei-
nigen.

Schon hatte ich einen langen Monden,
ohne sie zu sehen und zu sprechen, durch-
schmachtet, als mein Vater mich in sein Ka-

E 2

haftete nicht, mit ihr ward meine Freude,
mein Gluͤck, meine Ruhe zu Grabe getragen.

Der Mutter Tod war nun wuͤrklich ein
aͤchtes Hinderniß meiner Verbindung gewor-
den. Die Verlobte konnte nicht laͤnger in
unſerm Schloſſe weilen, ſie ſchied ahndend
und aͤußerſt traurig von mir, ich durfte ſie
nicht begleiten, weil nach der Verſicherung
meines Vaters kein Platz im Wagen ſei,
und er ſie ſelbſt heimfuͤhrte; ich durfte ſie
nicht beſuchen, weil es ſich nach ſeinem Aus-
ſpruche, nicht zieme, daß der trauernde Sohn
geckenmaͤßig auf verliebten Spaziergaͤngen um-
herirre. Ihre Briefe waren daher mein ein-
ziger Troſt, ihr groͤßtes Vergnuͤgen, die mei-
nigen.

Schon hatte ich einen langen Monden,
ohne ſie zu ſehen und zu ſprechen, durch-
ſchmachtet, als mein Vater mich in ſein Ka-

E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="67"/>
haftete nicht, mit ihr ward meine Freude,<lb/>
mein Glu&#x0364;ck, meine Ruhe zu Grabe getragen.</p><lb/>
        <p>Der Mutter Tod war nun wu&#x0364;rklich ein<lb/>
a&#x0364;chtes Hinderniß meiner Verbindung gewor-<lb/>
den. Die Verlobte konnte nicht la&#x0364;nger in<lb/>
un&#x017F;erm Schlo&#x017F;&#x017F;e weilen, &#x017F;ie &#x017F;chied ahndend<lb/>
und a&#x0364;ußer&#x017F;t traurig von mir, ich durfte &#x017F;ie<lb/>
nicht begleiten, weil nach der Ver&#x017F;icherung<lb/>
meines Vaters kein Platz im Wagen &#x017F;ei,<lb/>
und er &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t heimfu&#x0364;hrte; ich durfte &#x017F;ie<lb/>
nicht be&#x017F;uchen, weil es &#x017F;ich nach &#x017F;einem Aus-<lb/>
&#x017F;pruche, nicht zieme, daß der trauernde Sohn<lb/>
geckenma&#x0364;ßig auf verliebten Spazierga&#x0364;ngen um-<lb/>
herirre. Ihre Briefe waren daher mein ein-<lb/>
ziger Tro&#x017F;t, ihr gro&#x0364;ßtes Vergnu&#x0364;gen, die mei-<lb/>
nigen.</p><lb/>
        <p>Schon hatte ich einen langen Monden,<lb/>
ohne &#x017F;ie zu &#x017F;ehen und zu &#x017F;prechen, durch-<lb/>
&#x017F;chmachtet, als mein Vater mich in &#x017F;ein Ka-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0081] haftete nicht, mit ihr ward meine Freude, mein Gluͤck, meine Ruhe zu Grabe getragen. Der Mutter Tod war nun wuͤrklich ein aͤchtes Hinderniß meiner Verbindung gewor- den. Die Verlobte konnte nicht laͤnger in unſerm Schloſſe weilen, ſie ſchied ahndend und aͤußerſt traurig von mir, ich durfte ſie nicht begleiten, weil nach der Verſicherung meines Vaters kein Platz im Wagen ſei, und er ſie ſelbſt heimfuͤhrte; ich durfte ſie nicht beſuchen, weil es ſich nach ſeinem Aus- ſpruche, nicht zieme, daß der trauernde Sohn geckenmaͤßig auf verliebten Spaziergaͤngen um- herirre. Ihre Briefe waren daher mein ein- ziger Troſt, ihr groͤßtes Vergnuͤgen, die mei- nigen. Schon hatte ich einen langen Monden, ohne ſie zu ſehen und zu ſprechen, durch- ſchmachtet, als mein Vater mich in ſein Ka- E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/81
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/81>, abgerufen am 22.11.2024.