Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Amalie (zitternd und bebend). Wie,
sie wollen uns wieder verlassen? -- -- (lang-
sam) Mich verlassen?

Der Jüngling. Muß ich nicht! Ich
habe die ganze Nacht nach Aussicht und Hülfe
gerungen; ich fand nur eine mögliche. Sonst
verachtete sie mein stolzes Herz, itzt will,
und muß ich sie ergreifen. Ich hoffe, daß
irgend ein mitleidiger Offizier mich als
einen Soldaten annehmen, und mir diesen
harten Stand durch menschliche Behandlung
erleichtern wird. Ich muß eilen, ihn auszu-
führen, damit nicht zu frühe Reue ihn ver-
nichtet, und mich aufs neue zur Verzweif-
lung reizt.

Amalie. Nein! Nein! -- -- Gott be-
wahre! Sie bleiben bey mir, bey meinen
Eltern, werden ihr Sohn, und mein -- --
(sie stockt) und mein Bruder, mein Gesell-

Amalie (zitternd und bebend). Wie,
ſie wollen uns wieder verlaſſen? — — (lang-
ſam) Mich verlaſſen?

Der Juͤngling. Muß ich nicht! Ich
habe die ganze Nacht nach Ausſicht und Huͤlfe
gerungen; ich fand nur eine moͤgliche. Sonſt
verachtete ſie mein ſtolzes Herz, itzt will,
und muß ich ſie ergreifen. Ich hoffe, daß
irgend ein mitleidiger Offizier mich als
einen Soldaten annehmen, und mir dieſen
harten Stand durch menſchliche Behandlung
erleichtern wird. Ich muß eilen, ihn auszu-
fuͤhren, damit nicht zu fruͤhe Reue ihn ver-
nichtet, und mich aufs neue zur Verzweif-
lung reizt.

Amalie. Nein! Nein! — — Gott be-
wahre! Sie bleiben bey mir, bey meinen
Eltern, werden ihr Sohn, und mein — —
(ſie ſtockt) und mein Bruder, mein Geſell-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0060" n="46"/>
        <p><hi rendition="#g">Amalie</hi> (zitternd und bebend). Wie,<lb/>
&#x017F;ie wollen uns wieder verla&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; &#x2014; (lang-<lb/>
&#x017F;am) Mich verla&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
        <p>Der <hi rendition="#g">Ju&#x0364;ngling</hi>. Muß ich nicht! Ich<lb/>
habe die ganze Nacht nach Aus&#x017F;icht und Hu&#x0364;lfe<lb/>
gerungen; ich fand nur eine mo&#x0364;gliche. Son&#x017F;t<lb/>
verachtete &#x017F;ie mein &#x017F;tolzes Herz, itzt will,<lb/>
und muß ich &#x017F;ie ergreifen. Ich hoffe, daß<lb/>
irgend ein mitleidiger Offizier mich als<lb/>
einen Soldaten annehmen, und mir die&#x017F;en<lb/>
harten Stand durch men&#x017F;chliche Behandlung<lb/>
erleichtern wird. Ich muß eilen, ihn auszu-<lb/>
fu&#x0364;hren, damit nicht zu fru&#x0364;he Reue ihn ver-<lb/>
nichtet, und mich aufs neue zur Verzweif-<lb/>
lung reizt.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Amalie</hi>. Nein! Nein! &#x2014; &#x2014; Gott be-<lb/>
wahre! Sie bleiben bey mir, bey meinen<lb/>
Eltern, werden ihr Sohn, und mein &#x2014; &#x2014;<lb/>
(&#x017F;ie &#x017F;tockt) und mein Bruder, mein Ge&#x017F;ell-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] Amalie (zitternd und bebend). Wie, ſie wollen uns wieder verlaſſen? — — (lang- ſam) Mich verlaſſen? Der Juͤngling. Muß ich nicht! Ich habe die ganze Nacht nach Ausſicht und Huͤlfe gerungen; ich fand nur eine moͤgliche. Sonſt verachtete ſie mein ſtolzes Herz, itzt will, und muß ich ſie ergreifen. Ich hoffe, daß irgend ein mitleidiger Offizier mich als einen Soldaten annehmen, und mir dieſen harten Stand durch menſchliche Behandlung erleichtern wird. Ich muß eilen, ihn auszu- fuͤhren, damit nicht zu fruͤhe Reue ihn ver- nichtet, und mich aufs neue zur Verzweif- lung reizt. Amalie. Nein! Nein! — — Gott be- wahre! Sie bleiben bey mir, bey meinen Eltern, werden ihr Sohn, und mein — — (ſie ſtockt) und mein Bruder, mein Geſell-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/60
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/60>, abgerufen am 23.11.2024.