ten sich durch Schwimmen zu retten; Ama- lie vermochte es nicht, ob sie gleich ihr langes Kleid, das sich gleich einem Seegel auf dem Wasser ausbreitete, nicht sinken ließ. Die Vorstellung des gewissen Todes raubte ihr die Sinne; wie sie wieder denken und fühlen konnte, lag sie am Ufer des Flusses, der unbekannte Jüngling stand neben ihr, und hielte ihre Linke in seiner Rechten, um den Schlag ihres Pulses zu beobachten. Sein Haar, seine Kleider trieften vom Wasser, Fieberkälte schüttelte seine Glieder, und rüt- telte seine Zähne, er lächelte freundlich, wie sie die Augen öfnete, er ließ ihre Hand sin- ken, wie sie Dank stammelte. Der Müller eilte mit seinen Leuten herbei. Pflegt ihrer, bis der Sturm vorüber zieht, und führt sie dann in die Arme der harrenden Eltern zu- rück, sprach der Unbekannte, und entfernte sich schnell. Bleib, bleib! geliebter Retter! rief zwar Amaliens schwache Stimme ihm nach,
ten ſich durch Schwimmen zu retten; Ama- lie vermochte es nicht, ob ſie gleich ihr langes Kleid, das ſich gleich einem Seegel auf dem Waſſer ausbreitete, nicht ſinken ließ. Die Vorſtellung des gewiſſen Todes raubte ihr die Sinne; wie ſie wieder denken und fuͤhlen konnte, lag ſie am Ufer des Fluſſes, der unbekannte Juͤngling ſtand neben ihr, und hielte ihre Linke in ſeiner Rechten, um den Schlag ihres Pulſes zu beobachten. Sein Haar, ſeine Kleider trieften vom Waſſer, Fieberkaͤlte ſchuͤttelte ſeine Glieder, und ruͤt- telte ſeine Zaͤhne, er laͤchelte freundlich, wie ſie die Augen oͤfnete, er ließ ihre Hand ſin- ken, wie ſie Dank ſtammelte. Der Muͤller eilte mit ſeinen Leuten herbei. Pflegt ihrer, bis der Sturm voruͤber zieht, und fuͤhrt ſie dann in die Arme der harrenden Eltern zu- ruͤck, ſprach der Unbekannte, und entfernte ſich ſchnell. Bleib, bleib! geliebter Retter! rief zwar Amaliens ſchwache Stimme ihm nach,
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ten ſich durch Schwimmen zu retten; Ama-
lie vermochte es nicht, ob ſie gleich ihr
langes Kleid, das ſich gleich einem Seegel
auf dem Waſſer ausbreitete, nicht ſinken ließ.
Die Vorſtellung des gewiſſen Todes raubte
ihr die Sinne; wie ſie wieder denken und
fuͤhlen konnte, lag ſie am Ufer des Fluſſes,
der unbekannte Juͤngling ſtand neben ihr, und
hielte ihre Linke in ſeiner Rechten, um den
Schlag ihres Pulſes zu beobachten. Sein
Haar, ſeine Kleider trieften vom Waſſer,
Fieberkaͤlte ſchuͤttelte ſeine Glieder, und ruͤt-
telte ſeine Zaͤhne, er laͤchelte freundlich, wie
ſie die Augen oͤfnete, er ließ ihre Hand ſin-
ken, wie ſie Dank ſtammelte. Der Muͤller
eilte mit ſeinen Leuten herbei. Pflegt ihrer,
bis der Sturm voruͤber zieht, und fuͤhrt ſie
dann in die Arme der harrenden Eltern zu-
ruͤck, ſprach der Unbekannte, und entfernte
ſich ſchnell. Bleib, bleib! geliebter Retter!
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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