haben, wenn mich nicht die frohe Hofnung, daß nun das Bekenntniß meines Schicksals niemand mit Gewalt fordern könne, getröstet hätte. Bedenke dies, und ehre meinen Kum- mer. Kleta thats, und hielte redlich Wort, sie forschte nie mehr darnach, und glaubte izt, was der Mönch ihr so oft gesagt hatte, daß die Mutter ihn noch nie zum Vertrau- ten ihres Geheimnisses gemacht habe.
Edeldrud lebte zu Regensburg sehr ein- gezogen, sie konnte mit niemanden sprechen, und suchte daher jede Gesellschaft zu vermei- den. Da ihr Haus ganz einem Kloster glich, und sie nur täglich mit verschleiertem Ange- sichte nach der Kirche ging, so nannte man sie nur die fromme Stumme. Viele glaub- ten, daß sie würklich stumm sei, nur we- nige wußten es, daß sie durch einen unbe- kannten Zufall ihre Zunge verlohren habe.
haben, wenn mich nicht die frohe Hofnung, daß nun das Bekenntniß meines Schickſals niemand mit Gewalt fordern koͤnne, getroͤſtet haͤtte. Bedenke dies, und ehre meinen Kum- mer. Kleta thats, und hielte redlich Wort, ſie forſchte nie mehr darnach, und glaubte izt, was der Moͤnch ihr ſo oft geſagt hatte, daß die Mutter ihn noch nie zum Vertrau- ten ihres Geheimniſſes gemacht habe.
Edeldrud lebte zu Regensburg ſehr ein- gezogen, ſie konnte mit niemanden ſprechen, und ſuchte daher jede Geſellſchaft zu vermei- den. Da ihr Haus ganz einem Kloſter glich, und ſie nur taͤglich mit verſchleiertem Ange- ſichte nach der Kirche ging, ſo nannte man ſie nur die fromme Stumme. Viele glaub- ten, daß ſie wuͤrklich ſtumm ſei, nur we- nige wußten es, daß ſie durch einen unbe- kannten Zufall ihre Zunge verlohren habe.
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haben, wenn mich nicht die frohe Hofnung,
daß nun das Bekenntniß meines Schickſals
niemand mit Gewalt fordern koͤnne, getroͤſtet
haͤtte. Bedenke dies, und ehre meinen Kum-
mer. Kleta thats, und hielte redlich Wort,
ſie forſchte nie mehr darnach, und glaubte
izt, was der Moͤnch ihr ſo oft geſagt hatte,
daß die Mutter ihn noch nie zum Vertrau-
ten ihres Geheimniſſes gemacht habe.
Edeldrud lebte zu Regensburg ſehr ein-
gezogen, ſie konnte mit niemanden ſprechen,
und ſuchte daher jede Geſellſchaft zu vermei-
den. Da ihr Haus ganz einem Kloſter glich,
und ſie nur taͤglich mit verſchleiertem Ange-
ſichte nach der Kirche ging, ſo nannte man
ſie nur die fromme Stumme. Viele glaub-
ten, daß ſie wuͤrklich ſtumm ſei, nur we-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/339>, abgerufen am 24.11.2024.
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